Köln. Die Ärzte sind die wohl kreativste und witzigste Rockband Deutschlands. Im Interview äußert sich Farin Urlaub über den Erfolg der Band und des Absurden im Speziellen. So etwa heißt die Herbsttournee der Band “Das Comeback“ - Spekulationen über das Band-Aus hatten die Ärzte zuvor selbst befeuert.

Die Ärzte beenden gerade mit drei ausverkauften Konzerten in der Berliner Waldbühne und zwei großen Open-Air-Auftritten auf der Hamburger Trabrennbahn eine der größten Tourneen, die zurzeit in Deutschland stattfinden. Motto: "Das Ende ist noch nicht vorbei". Spekulationen über die Auflösung ihrer Band öffneten Bela B., Farin Urlaub und Rodrigo González damit bereits vor einem Dreivierteljahr Türen und Tore. Inzwischen kehrt Ruhe in die Ärzte-Fan-Herzen ein, weil die Band eine neue Konzertreise angekündigt hat, die frech "Das Comeback" betitelt wurde.

Herbsttournee mit anderem Programm und anderer Bühnengestaltung 

Nicht etwa, weil gewöhnliche Popularmusik-Helden groß angekündigten Abschiedstourneen praktisch immer Rückkehrmanöver-Konzerte mit hohem Nostalgiefaktor folgen lassen. Die Ärzte sind keine gewöhnlichen Pop-Helden. Erst recht aber nicht, weil Die Ärzte tatsächlich an eine Abschiedstournee gedacht hatten oder plötzlich verstärkte Freude am Abarbeiten der Erwartungshaltungen ihrer unzähligen Sympathisanten gefunden haben, wie Farin Urlaub erzählt:

"Es macht Spaß, einen Sinn vorzugaukeln, der überhaupt nicht vorhanden ist. Dass wir uns so viele bizarre Späße erlauben können, macht mich am meisten stolz auf uns als Band. Je hochtrabender ein Titel oder ein Motto ist, desto stärker ist der Reiz, darin einen Sinn zu finden, der aber schlicht nicht vorhanden ist. Es wäre auch ein bisschen langweilig, unsere Herbst-Tournee als Fortsetzung der laufenden Tournee anzukündigen, obwohl sie es im Grunde genommen ist. Auch, wenn wir ein anderes Programm spielen werden und die Bühne anders aussehen wird."

Die Ärzte - Die beste Parodie auf eine Rockband 

Lustig zu beobachten ist das längst wohlwollend aufgenommene Katz-und-Maus-Spiel, das Die Ärzte mit ihrer treuen Anhängerschaft seit jeher spielen, immer noch, weil es einmal mehr ein wichtiges Merkmal der Band unterstreicht: das kreative Dreigestirn aus Berlin gehört auch nach inzwischen drei Jahrzehnten überaus erfolgreichem Dasein nicht zum Pop-Establishment. Oder, um es mit den Worten eines Rezensenten ihres aktuellen Albums "auch" zu sagen: "Die Ärzte sind immer noch die beste Parodie auf eine Rockband." So cool der Satz auch klingen mag, stimmt er freilich nur im vordergründigen Sinne, denn Die Ärzte sind schließlich eine "richtige Rockband".

Farin Urlaub greift den Gedanken mit weitreichender Selbstdefinition auf. "Wir sind eine Parodie auf die Mechanismen einer Band. Wir sind ja keine Comedy-Truppe, die durch die Lande fährt. Dafür sind die Reaktionen unseres Publikums viel zu echt. Aber die ganzen Mechanismen, die das Rockstarsein mit sich bringt, nehmen wir nicht ernst. Das klingt ein bisschen arrogant, weil wir es uns leisten können, vieles nicht ernst nehmen zu müssen. Aber dieser Umstand fördert die Freiheit, unsere Musik und alles, was mit unserer Musik zusammenhängt, so gestalten zu können, wie wir wollen."

Ärzte-Selbstverständnis: Sich im Absurden übertreffen 

Das stellt sich derzeit nicht nur in Form von absurden Tour-Mottos, sondern auch in einer deutlich spürbaren Entspanntheit dar. Alles ist möglich, nichts muss erzwungen werden. Ob's dem altersbedingten Déjà vu geschuldet ist, dem funktionalen Aspekt des Die-Ärzte-seins? "Wir machen Musik, wir bringen Platten raus, wir gehen auf Tour - das ist kein großes Geheimnis", antwortet Farin Urlaub. "Es gibt quantitative Unterschiede, es gibt vielleicht auch qualitative Unterschiede, je nachdem, wen man fragt.

Trotzdem machen wir derzeit nicht etwas völlig anderes. Wir bringen nicht plötzlich ein Auto heraus, statt einer Schallplatte. Wir sind auch nicht tauchen gewesen, sondern befinden uns auf Tour. Trotzdem wollen wir uns immer noch selbst toppen. Nicht im Höher-Schneller-Weiter, sondern im Absurden. Ich finde, dass wir eine recht originelle Band sind, die dabei aber nicht verkrampft ist. Vielleicht sind wir im Moment sehr entspannt, weil wir wissen, dass unsere Möglichkeiten relativ endlich sind. Am Ende des Tages gehen wir auf Tour und bringen Platten raus. Aber die könnten sich auch mal in einem reinen Reggae-Album manifestieren."

Dem Berauschen an der Idee der Absurdität muss freilich nicht zwangsläufig ein Reggae-Album folgen. Vieles im Die- Ärzte-Kosmos dient nicht zuletzt auch dem Fördern des Infragestellens der Institution Die Ärzte. Trotzdem ist das Wider dem Linearen bei Die Ärzte kein Fetisch, es macht sie aber kontinuierlich interessant. Die "Das Comeback"-Tour mit ihren Besuchen von vergleichsweise kleinen Städten im Herbst betrachtet Farin Urlaub entsprechend nur bedingt als Nachschlag der großen Tour, die gerade zu Ende geht.

Die-Ärzte-Tourdaten im Oktober und November 

"Ob eine Halle nun 6.000 oder 15.000 Zuschauer fasst, macht keinen Riesenunterschied, wenn man in einer Drei-Mann-Band spielt, die recht spontan agieren kann auf der Bühne. Gerade diese Spontaneität macht dann letztlich doch wieder jedes Konzert anders, unabhängig von den Hallen-Kapazitäten. Ich habe das Gefühl, dass wir noch nie so gut waren wie im Moment und ich glaube, dass sich dieses Gefühl im Herbst fortsetzen wird."

(Tourdaten: 14.10. Freiburg (Rothaus Arena), 16.10. Regensburg (Donau-Arena), 18.10. Trier (Arena), 19.10. Bamberg (Stechert Arena), 23.10. Augsburg (Schwabenhalle), 24.10. Passau (Dreiländerhalle), 26.10. Karlsruhe (Europahalle), 27.10. Friedrichshafen (Rothaus Halle), 28.10. Göttingen (Lokhalle), 31.10. Münster (MCC Halle Münsterland), 01.11. Oldenburg (Weser-Ems-Halle), 04.11. Bielefeld (Seidensticker Halle) und 07.11. Düsseldorf (ISS Dome).