Hagen. . Sie hat einen Job, auf den die ganze Welt blickt: Katharina Wagner (34) leitet zusammen mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier seit vier Jahren die Bayreuther Festspiele. Im Interview spricht sie über aktuelle Projekte und den Umgang mit Kritik.

Das einzige deutsche Musikereignis von internationalem Rang, die Bayreuther Festspiele, werden am 25. Juli mit einer Neudeutung von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ eröffnet. Im Interview mit der WAZ Mediengruppe schildert Co-Leiterin Katharina Wagner ihre Arbeit auf dem Grünen Hügel.

Aktuell inszeniert der erst 31-Jährige Hagener Jan Philipp Gloger den „Holländer“. Wie suchen Sie Regisseure?

Katharina Wagner: In Bayreuth ist es so, dass keine einseitige Regie-Handschrift entstehen darf, das ist für uns eine deutliche Prämisse. Man guckt sich also gute Produktionen einfach an, und wir haben wir auch von Herrn Gloger viel gesehen. Und da uns eben die unterschiedlichsten Handschriften wichtig sind, finde ich, dass er hier absolut mit reingehört.

Setzen Sie Scouts ein, um Regisseure zu finden?

Wagner: Nein, nein, das muss man sich schon selber anschauen. Man kriegt natürlich Empfehlungen, man liest und hört auch viel, nutzt das Internet zur Information, zum Beispiel auch Facebook und You Tube, und wenn man etwas spannend findet, fährt man halt selber hin und überzeugt sich.

Und bei Dirigenten?

Wagner: In Bayreuth bewährt es sich immer wieder, wenn Dirigenten wiederkommen. Regisseure muss man öfter mal umbesetzen, aber Christian Thielemann ist einfach eine stetige Größe, genau wie Andris Nelsons. Es gibt ja weniger hervorragende Dirigenten als gute Regisseure.

Das Publikum in Bayreuth reagiert teilweise sehr aggressiv. Wie gehen Sie damit um?

Wagner: Wir haben speziell in Deutschland eine sehr ausgeprägte Buh-Unkultur, und als Regisseur hat man es fast schon im Vertrag drin, dass man ausgebuht wird, das ist eben so. Unfair finde ich es allerdings, wenn das Sängern passiert. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, das ist eben das Menschliche, das Live-Erlebnis in der Oper, dass es nicht immer perfekt ist.

Die Buh-Rufer scheinen sich in Bayreuth regelrecht zu verabreden...

Wagner: Es ist heute kein großes Geheimnis mehr, was hier passiert. Es gibt Programmhefte, es gibt das Internet, Fotos, und meistens kann man von diesen Fotos die Ästhetik der Inszenierung ablesen. Und wenn ich merke, das wird mir nicht gefallen, dann würde ich doch gar keine Karten bestellen. Also frage ich mich ernsthaft: Warum bestellt man sich eine Karte für eine Inszenierung, die man nicht leiden kann?

Sie persönlich stehen immer mitten im Feuer.

Wagner: Wenn man eine öffentliche Position hat, gerade in der Kunst, können Sie es nicht jedem Recht machen, vieles ist nun mal Geschmackssache. Egal wie Sie es machen, für viele ist es aus Prinzip schon mal falsch. Wenn man eine öffentliche Stellung hat, muss man Kritik abkönnen. Was nicht heißt, dass Angriffe einem nicht nahe gehen, aber es darf einem nicht so nahe gehen, dass man nicht mehr schlafen kann.

Warum meint die ganze Welt, in Bayreuth mitreden zu müssen?

Wagner: Das Lächerliche ist, dass diese Leute einfach nicht mehr differenzieren können, was denn meine Schwester und ich tatsächlich machen und was wir übernommen haben, weil die Planungen in der Oper sehr langfristig sind. Letztlich wird sich erst ab 2016 herausstellen, was meine Schwester und ich so treiben.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass nur 40 Prozent der Karten in den freien Verkauf kamen. Deshalb sind die Kontingente der Wagner-Verbände gestrichen worden. Gab es da böse Worte?

Wagner: Die Menschen wären ja nicht im Wagner-Verband, wenn sie an den Festspielen nicht grundinteressiert wären, also waren die Karten schon beim richtigen Publikum. Aber jede Medaille hat zwei Seiten: Wir müssen uns als Geschäftsführung überlegen: Dürfen wir die Fördergelder des Bundes riskieren, wenn wir uns nicht an die Kartenvergabe-Auflagen halten? Eine rhetorische Frage natürlich.

Die Praxis der Kartenvergabe haben wir übrigens nicht eingeführt, die stammt noch aus den 1950er Jahren, und niemand hat es bisher bemängelt. Aber seit 2008 ist der Bund Mitgesellschafter der GmbH. Ich verstehe die bösen Worte der Wagner-Verbände durchaus, weil das ein Stamm-Publikum ist, sozusagen unsere Abonnenten. Aber ich kann auch die Auflagen verstehen, die für uns jetzt gelten, weil wir ja alle wollen, dass unsere Steuergelder sorgsam kontrolliert eingesetzt werden.

Jetzt sind also erheblich mehr Karten auf dem Markt?

Wagner: Ja, der Anteil der freiverkäuflichen Karten ist auf 65 Prozent angestiegen, das heißt, die Wartezeiten verkürzen sich und mehr Leute, die warten, können bedient werden.

Hat das Folgen für den Schwarzmarkt?

Wagner: Die Frage ist, wo landen diese zusätzlichen Karten? Landen die dann verstärkt auf dem Schwarzmarkt? Weil Besucher Karten erhalten, die gar nicht damit gerechnet haben und schon ihre Kreuzfahrt gebucht haben? Meiner Meinung nach ist es übrigens ein Netzwerk von Privatpersonen, das den Schwarzmarkt versorgt, aber wie sollen wir das stoppen?

Wenn Sie eine Bilanz der vergangenen drei Jahre ziehen: Was ist Ihre größte Baustelle?

Wagner: Im Moment ist dies die Tatsache, dass die Verwaltung so unterbesetzt ist, dass sie ihre Arbeit nicht leisten kann. Da gab es Versäumnisse, aber diese haben wir sozusagen von der ersten Minute an auf uns zukommen sehen. Seit wir die neue Gesellschafter-Struktur haben, hat sich der Verwaltungsaufwand vervielfacht.

Meine Schwester und ich haben das Thema schon bei der ersten Verwaltungsratssitzung 2008 angesprochen, und es ist so lange nichts passiert, dass wir einen Brief an den Verwaltungsrat geschrieben haben, dass wir für den Zustand nicht mehr haften wollen, wenn nicht jemand kommt, der das Team verstärkt.

Und was ist das Schönste?

Wagner: Schön ist es jedes Jahr, wenn die Premiere gut und erfolgreich über die Bühne gegangen ist, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin da sehr realitätsorientiert. Es ist immer eine große Aufregung vor einer Premiere, und es ist immer ein schönes Gefühl, wenn alles gut gelaufen ist.