Berlin. . Ein Ende der sogenannten „Wildwest-Ära“ im Internet? Was sagen die Parteien in Berlin zu Fragen, die durch die Digitalisierung und das Worldwide Web entstanden sind? Ein politischer Rundgang durch Positionen und Argumente.
Manche reden von einer neuen „Wildwest-Ära“ - im Internet. „Wir müssen ehrlich gestehen, dass wir noch nicht die richtigen Instrumente gefunden haben, um das Urheberrecht im Netz überzeugend und umfassend zu schützen“, räumt die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein. Für alle Parteien ist es eine politische „Baustelle“. Ein Rundgang:
Digitale Privatkopie
Jeder hat das Recht auf eine Privatkopie! „Im Zeitalter der Digitalisierung müssen Nutzer die Möglichkeit haben, ihre Sicherungskopien für Zweitgeräte oder Privatkopien im Familienkreis zu erstellen“, meinen CDU/CSU. Dennoch sei der Kopierschutz „das legitime Recht jedes Anbieters“. So sieht es auch die SPD. Piraten, Grüne und Linke lehnen Schutzmaßnahmen und juristische Einschränkungen ab.
Pauschalabgaben
Man könnte eine Flatrate erheben und die Einnahmen unter den Autoren und Künstlern verteilen. Alle in einen Topf? „Das wäre Zwangskollektivierung“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger im „Spiegel“. Auch Union und SPD lehnen solche Abgaben ab. Dann zahlen all jene, die die Angebote nicht nutzen, für die anderen mit. Das sei ungerecht. Zudem würden solche Modelle in die Rechte der Kreativen eingreifen. Grüne und Linke sind offen für eine „Kulturflatrate“. Die Piraten zögern. Sie erinnern daran, dass die Gerätehersteller - etwa von Kopierern und Handys - bereits eine Abgabe zahlen. Diese könne man ja neu gestalten. Sie haben Bedenken gegen alle Pauschalen, bei denen Datenverkehr und Inhalte registriert werden. Für die Verluste bei Urhebern wollen sie „Kompensationsmodelle“. Viel konkreter werden Piraten in ihrem Grundsatzprogramm aber nicht.
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Internetsperren
„Die Keule des Strafgesetzbuches“, nennt es die Justizministerin. Netzsperren lehnen alle Parteien ab. Das würde das Recht auf informelle Selbstbestimmung beschränken. Man müsse weg von Forderungen, die Nutzer ins Unrecht setzten, meint die Ministerin. Sie will nur Details im Urheberrecht ändern. Und es den Rechteinhabern erleichtern, Mail-Adressen illegaler Downloader zu ermitteln. Nach der Sommerpause will sie einen Gesetzesentwurf vorlegen.
Warnstufen-Modelle
Diskutiert wird aber ein Warnstufen-Modell: Beim ersten Verstoß wird der illegaler Downloader gewarnt, bei Wiederholung zur Kasse gebeten. Das hält die Union für eine Verbesserung. Es wäre ein Signal, „dass das Urheberrecht im digitalen Zeitalter gilt“. Die Justizministerin ist dagegen.
Abmahnungen
Einig sind sich alle in der Ablehnung massenhafter Abmahnungen. Den Kanzleien, die in großem Stil aktiv werden, müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Abmahnkosten und Schadensersatzforderungen seien oft unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu den Schäden, die etwa der Download eines Musiktitels ausmache.
Schutz für Presseverlage
Presseverlage leiden unter der „Online-Piraterie“. Deshalb will die Koalition ein eigenes Leistungsschutzrecht auf den Weg bringen. Die Verlage sollen „einfacher und umfassender“ gegen Rechtsverstöße im Internet vorgehen, heißt es im Gesetzentwurf, der Anfang Juli im Kabinett beraten werden soll. Wer Zeitungsartikel kommerziell nutzt, bräuchte eine Lizenz. Andernfalls droht eine Unterlassungsklage. Das trifft die Suchmaschinen. SPD, Grüne und Linke halten nichts von den Plänen. Die Verlage würden „in einem nicht akzeptablem Maße“ bevorteilt, so die Piraten. Das Gesetz gefährde die freie Bloggerszene: Faktisch sei eine Unterscheidung zwischen kleingewerblichen und nichtgewerblichen Bloggern nicht möglich. Das Gesetz würde neue Abmahnwellen provozieren.
Digitalisierung des kulturellen Erbes
Durch Digitalisierung ist es möglich, Kulturgüter zu sichern und jedem online zugänglich zu machen. Was aber, wenn der Urheber oder die Erben unbekannt, die Werke „verwaist“ sind? Wenn der Urheber trotz sorgfältiger Suche nicht auffindbar ist, „soll gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung die Lizensierung durch Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden“, fordert die SPD. Auch CDU/CSU, FDP und Grüne wollen, dass solche Werke der Öffentlichkeit im Internet offen stehen.
Schutzfristen für Künstler
In allen Parteien wird derweil über eine Verkürzung der Schutzfristen für Künstler diskutiert. Die Urheberrechte gelten bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Die Piraten würden diese Frist auf zehn Jahre verkürzen. Denn die bisher langen Schutzfristen führten dazu, dass Werke nicht neu aufgelegt werden. Hinzu kommt, dass die Autoren die Nutzungsrechte an ihren Werken verkaufen. Die Piraten schlagen vor, dass die Rechte spätestens nach 25 Jahren an den Urheber zurückgehen.
Freier Zugang zur Wissenschaft
Union, Grüne, SPD und Linke unterstützen einen freien, kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen im Internet, zumindest wenn diese durch öffentliche Gelder finanziert wurden. Die FDP gibt zu bedenken, dass der „höchstpersönliche Beitrag“ der Wissenschaftler auch bei öffentlich geförderten Werken erheblich sei. Denn wissenschaftliche Werke erscheinen in der Regel „nicht als Produkt der Forschungseinrichtung, sondern der Forscherpersönlichkeit“. Ein freier Zugang würde das Interesse des Wissenschaftlers an seinem Urheberrecht einschränken.