Dortmund. Über sein Schicksal hat Bastian Bielendorfer kürzlich, mit Ende 20, ein Buch geschrieben: „Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof“ ist so etwas wie eine späte, lustige, liebenswerte Abrechnung mit seinen verrückten Eltern, die die Welt verbessern wollten.
Es ist der 1. April, irgendwann Anfang der 90er-Jahre. Der kleine Bastian läuft über den Schulhof, und die Hölle wäre für ihn wohl eine angenehmere Bühne. Denn der kleine Bastian ist lediglich mit einer Unterhose bekleidet, zur Freude seiner Mitschüler. Aus Solidarität mit den armen Kindern in Afrika müsse heute jedes Schulkind in diesem Aufzug zum Unterricht erscheinen, haben seine Eltern ihm eingeredet. Und er hat es geglaubt. April, April! Immerhin ist auf der Unterhose ein lustiger Pumuckl zu sehen, was zumindest kindgerecht ist.
Einige Zeit zuvor, es ist der erste Schultag, klebt auf der selbst gebastelten Schultüte des damals Sechsjährigen noch ein Zeitungsartikel über die Ermittlungen zur Atomkatastrophe von Tschernobyl. Das fällt schon auf zwischen den ganzen Micky Mäusen und Hundewelpen auf den Tüten der anderen Kinder.
Diese skurrilen Auftritte hat der kleine Basti meistens seinen Eltern zu verdanken, diesen Weltverbesserern mit ihren wilden Ideen. Sie fliegen in den Sommerferien gerne mit einer Klappermaschine ins postkommunistische Russland und stimmen ihr Kind mit einem Bildervortrag auf die Tortur ein. Man ahnt es schon, der Junge ist ein Lehrerkind. Über sein Schicksal hat Bastian Bielendorfer kürzlich, mit Ende 20, ein Buch geschrieben.
Liebenswerte Passagen
„Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof“ ist so etwas wie eine späte Abrechnung. Zehn Jahre nach dem Abi, also mit dem nötigen Sicherheitsabstand. „Ich wollte die Lehrer nicht grundsätzlich beleidigen“, sagt der Autor und lacht. „Es gibt ja auch liebenswerte Passagen darin.“ Recht hat er, nur muss man die etwas länger suchen.
Deutschland lacht sich kaputt. In den Bestsellerlisten stand Bielendorfer weit vorne. „Über 100.000 Exemplare sind bislang verkauft. Das ist für einen kleinen Niemand aus Gelsenkirchen-Rotthausen unglaublich“, erzählt der Autor – und Sätze wie diese sprechen für seine Bescheidenheit und seinen herrlichen Hang zur Selbstironie.
Gerade legt er nach und arbeitet an seinem zweiten Buch, das im Oktober erscheinen soll. Allzu viel verraten mag er noch nicht, bloß das: „Auch darin wird man merken, dass ich Lehrerkind bin. Es wäre merkwürdig, wenn ich plötzlich einen Krimi schreiben würde.“ Sein Vater wird es gewiss wieder Korrektur lesen und in seiner schreibmaschinengleichen Schönschrift jeden Fehler mit Kommentaren versehen.
Aus Gelsenkirchen
Bastian Bielendorfer ist ein Clown. Irgendwann hat er erkannt, dass Humor vieles erträglicher macht. Vor allem dieses Leben unter dem Rotstift und diese ständigen Elternsprechtage zu Hause. Oder auch die Benotungen für sprachlichen Ausdruck und Verhalten im Kinderzimmer. Ganz zu schweigen von den Scrabble-Nachmittagen mit Mama und Papa, diesen oberschlauen Germanisten.
„Diese Kindheit hatte auch Vorteile“, sagt Bastian Bielendorfer heute. Immerhin sei er bildungsaffin aufgewachsen und habe keine Alkoholiker im Haus gehabt. Trotzdem hat er zugesehen, dass er nach seinem Abi am Gelsenkirchener Grillo-Gymnasium schnell das Weite suchte. Zum Studieren ist er nach Dortmund und Osnabrück gegangen – und dann traf er Günther Jauch und sein Leben nahm Fahrt auf.
Auftritt bei Jauch
Ein Auftritt als Kandidat bei „Wer wird Millionär?“ machte ihn zwar noch nicht weltberühmt, aber immerhin für Verlage interessant. Vor Kameras erzählte der Gelsenkirchener von seiner Buch-Idee, „dabei hatte ich noch keine Zeile geschrieben.“ Jedenfalls machte er das so unterhaltsam, er nennt sich nicht umsonst selbst „Rampensau“, dass die Verlage Schlange standen. Obendrein beschenkte ihn Günther Jauch noch mit 32 000 Euro.
Wie realistisch die Leiden eines Lehrerkindes sind, bekam das Fernsehpublikum mit, als der Pädagogen-Vater als Telefonjoker eingesetzt wurde. „Fremdschäm-Faktor hoch zehn“, erinnert sich der junge Autor. „Er hat in den Hörer gebrüllt, als wäre ich geistig zurückgeblieben.“ Wie stolz der Vater aber auch auf sein Söhnchen ist, zeigte sich später: „Als mein Buch gerade raus war, hat er es in den Buchhandlungen heimlich zu den Bestsellern geräumt.“