Gelsenkirchen. Die schaurig-komischen Despoten Vater und Mutter Ubu gehören zu den großen Scheusalen der dramatischen Literatur. In Gelsenkirchen wurden sie jetzt zu Opernhelden – mit viel junger Beteiligung am Musiktheater im Revier.

Wie zwei pralle Volkstheaterfiguren platzen Vater und Mutter Ubu mitten hinein ins Publikum. Doch die clownesken Knallchargen verwandeln sich rasch in abgrundtief böse, machtgierige Königsmörder. Tumber Spaß mündet in einen bluttriefenden Alptraum. Bei der rundum überzeugenden, surrealen Uraufführung der musikalischen Groteske „Ubu“ im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier blieb dem Publikum immer wieder das Lachen im Halse stecken.

Die Vertonung der absurden Geschichte um das grausame Despoten-Pärchen war eine Auftragskomposition an den US-Amerikaner Sidney Corbett und kam als Projekt des ambitionierten MiR-Jugend-Orchesters gelungen auf die Bühne. Simone Homem de Mello strickte in ihrem Libretto rund um die literarische Vorlage „König Ubu“ des Science Fiction-Fans Alfred Jarry eine kluge Rahmenhandlung. Star-Treck-mäßig beamen sich die beiden Astronauten Eins und Zwei (geschmeidig und klar: Irina Simmes und Hongjae Lim) durchs All und geraten plötzlich in die üble Welt der Ubus. Die beiden Zeitreisenden werden zu Beobachtern und Mitspielern und kommentieren das Geschehen mit starken Zitaten aus Shakespeare-Dramen.

Weinerlicher Grobian

Michael Dahmen gibt den verführbaren Ubu großartig mit warmem Bariton als lächerliche Figur zwischen weinerlichem Feigling und verfressenem Grobian. Ubu lässt sich den Königsmord von seiner Frau (Almuth Herbst mit starkem Mezzo und viel Spielfreude)mit der Aussicht auf massenweise Leberwurst schmackhaft machen – der Beginn eines Schreckensreichs.

Regisseur Alexander von Pfeil inszeniert ein bildgewaltiges, bizarres Panoptikum auf einer Bühne, die ein kühl-silbriges Raumschiff (Bühnenbild: Piero Vinciguerra) dominiert, eingerahmt vom Orchester. Wie ein griechischer Chor kommentiert der gut einstudierte Städtische Kinderchor, ausstaffiert in bunten elisabethanischen Kostümen (Katharina Gault), mal aus dem Parkett, mal vom Rang aus das Geschehen.

Bach und Hardrock

Der ganze Raum ist Bühne, ist voller Klang. Den komponierte Sidney Corbett mal ätherisch schwebend, mal als unheilschwangeren, pulsierenden, schrillen Klangteppich. Er nutzt knappe klassische Zitate wie einen Bach-Choral oder eine Mozart-Arie ebenso wie Anlehnungen aus Metal- und Hardrock-Musik.

Am Ende, wenn die Toten in der Zeitmaschine wieder lebendig werden, da machen sich die ewigen Ubus aus dem Staub, um in einem neuen Land für neues Unheil zu sorgen.