Paris. . Charlotte Gainsbourg ist Regisseurin, Musikerin und dreifache Mutter. Sie sitzt in der Jury der Berliner Filmfestspiele, macht Werbung für Parfüm und verwaltet das Erbe ihres berühmten Vaters Serge. Im Interview spricht sie auch über ihre Schüchternheit, das Alter und die Furcht vor der 40.

Sie ist die ungekrönte Königin des Indie-Pop, dreht anspruchsvolle Filmkunst, ist dreifache Mutter und verwaltet das Erbe des omnipräsenten Serge. Willkommen in der Welt von Charlotte Gainsbourg. Ein 40-jähriges Multitalent, das sich im Interview mit Marcel Anders ungewohnt redselig gab.

Musik, Filme, Babys – warum so viel auf einmal? Hat es damit zu tun, dass Sie im Sommer 40 geworden sind?

Vielleicht ist es das Alter. Ich habe mir schon lange ein weiteres Baby gewünscht. Und es ist sehr wichtig, sich Zeit für sich und seine Familie zu nehmen. Weshalb ich in den letzten vier Monaten einiges an Freizeit hatte. Obwohl: Wenn man alles zusammenrechnet – einen Film, ein Album, ein bisschen Mode und das Touren, dann summiert sich das.

Wie gehen Sie mit dem Alter um?

Ich habe gedacht, es wäre eine schmerzhafte Erfahrung. Und dass ein Baby vor meinem 40. Geburtstag das ein bisschen mindern könnte – also ein Woche vorher. (lacht) Was es wirklich getan hat. Ich habe mich lange vor der Zahl 40 gefürchtet. Das war eine riesige Last auf meinen Schultern. Und jetzt, da ich die 40 erreicht habe, denke ich an die 50er – und habe trotzdem Spaß. Was schon ironisch ist.

Im Februar sitzen Sie in der Jury der Berliner Filmfestspiele. Eine willkommene Abwechslung?

Oh, ich freue mich wahnsinnig darauf! Zum einen, weil ich mir unglaublich gerne Filme ansehe – und weil ich Berlin noch gar nicht richtig kenne. Ich meine, ich war schon ein paar Mal da, hatte aber nie die Zeit, da richtig einzutauchen und mir alles anzuschauen. Viele Leute, die ich kenne, schwärmen von der Stadt.

Und obwohl Sie introvertiert und schüchtern sind, macht es Ihnen nichts aus, im Rampenlicht zu stehen?

Nein, das könnte sogar ein Riesenspaß werden. Ich meine, ich führe ein sehr ruhiges Leben. Und das in einer sehr lauten, sehr vollen Stadt wie Paris. Ich fühle mich sehr sicher und beschützt. Deshalb wohne ich hier auch schon seit meiner Geburt. Meine heutige Wohnung liegt nur zwei Straßen entfernt vom Haus meines Vaters. Was etwas sehr Sentimentales, Beruhigendes hat.

2011 war der 20. Todestag Ihres Vaters. Sie sind regelrecht abgetaucht. Darf man fragen, warum?

Es ist toll, dass man ihn feiert und würdigt. Es zeigt, was für ein besonderer Künstler er war – und dass er etwas Außergewöhnliches geschaffen hat. Aber sein Tod geht mir immer noch nahe, er ist für mich kein Grund zu feiern, sondern zu trauern.

Angeblich wollten Sie sein Haus in der Rue de Verneuil zum Museum machen, sind aber am Veto der Stadt Paris gescheitert. Stimmt das?

Das ist nur teilweise richtig. Ich habe mich 18 Jahre lang mit den strengen Auflagen der Stadt rumgeärgert. Aber als dann alles geklärt war, habe ich einen Rückzieher gemacht. Einfach, weil mir bewusst wurde, dass ich das gar nicht will. Schließlich bin ich nicht in der Lage, sein Grab zu besuchen, weil da immer so viele Leute sind. Und von daher kann ich da nicht ich selbst sein. Sondern für mich ist sein Haus wie ein Grab. Ein großes, überdimensionales Grab, das ich so belasse, wie es war.

Würden Songs wie „Je t´aime“ oder „Lemon Incest“ heute noch für so viel Aufmerksamkeit sorgen wie vor 40 bzw. 25 Jahren?

Ich denke, „Lemon Incest“ würde heute sogar noch viel mehr schockieren. Einfach, weil die Leute keinen Humor haben, was dieses Thema betrifft. Und was ich auch verstehe. Dabei geht es da um pure, reine Liebe – nämlich die eines Vaters zu seiner Tochter und umgekehrt. Von daher ist es einfach ein wunderbares Liebeslied. Während „Je t´aime“ für aktuelle Verhältnisse ja geradezu bieder und brav ist. Aber er hat ja auch noch „Love On The Beat“ gemacht – mit seiner letzten Frau Bambou. (lacht) Das ist auch nicht ohne. Wobei ich sagen muss: Mich hat es nie entsetzt. Egal, was er auch gemacht hat.

Wie Ihre Eltern haben auch Sie nie geheiratet. Dabei sind Sie seit 20 Jahren mit dem Regisseur Yvan Attal liiert und haben drei Kinder.

Ich bin abergläubisch, was das Heiraten betrifft. Vielleicht, weil ich niemanden kenne, bei dem dieses Modell funktioniert hat. Was Yvan und mich betrifft: Das ist einfach die Art, wie wir leben. Und wir führen ein gutes Leben – das beste, was ich mir vorstellen könnte.

Sie machen Werbung für ein Parfüm von Balenciaga. Dabei betonen Sie, kein Interesse an Mode zu haben.

Ich interessiere mich wirklich nicht für Mode. Und deshalb finde ich es auch immer wieder amüsant, dass die Leute mit mir reden, als wäre ich da wer weiß wie involviert. Es ist einfach so, dass ich mag, was Nicolas da macht.