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Comic-Zeichner Joann Sfar legt mit „Gainsbourg“ ein eigenwilliges Künstlerporträt vor. Der Liedermacher erlebt dabei durch den Theaterschauspieler Eric Elmosnino in der Tat eine Verkörperung der schier unglaublichen Art.

Wer an den französischen Chansonnier Serge Gainsbourg denkt, der denkt zuvorderst an vier Dinge: eine ausgeprägte Hakennase, abstehende Ohren, eine Gauloise zwischen den Lippen und das Beischlafseufzen in dem einstigen Skandalsong „Je t’aime, moi non plus”, den er zusammen mit Lebensgefährtin Jane Birkin aufnahm. In etwa so plakativ wie dieses Erinnerungsbild gibt sich auch Joann Sfars Film „Gainsbourg”, bei uns unnötig mit dem Zusatz „Der Mann, der die Frauen liebte” versehen.

„Biographie” ist dabei jedoch ein viel zu klarer Begriff, als dass er auf die Arbeit des hauptberuflichen Comic-Zeichners Sfar zutreffen würde. Er mache im Vorfeld gründliche Recherchen, so Sfar, nur um anschließend absichtlich die Hälfte wieder zu vergessen. Das Ergebnis soll möglichst die Erschaffung einer Legende ergeben. Sfar ist dabei nicht eben kleinlich, wenn es darum geht, ein Leben zurechtzubiegen – mal verdichtet er Zeit, mal dehnt er sie aus. Und vor allem: Sein eigener künstlerischer Hintergrund beflügelt die Phantasie in der Charakterisierung der Hauptfigur.

Der Künstler Gainsbourg findet nie wirklichen Seelenfrieden

Als jüdisches Kind schleppt der kleine Lucien Ginsburg am Anfang eine Art „ewigen Juden” in Gestalt eines gigantischen Rundkopfes hinter sich her. Später gesellt sich als eine Art Alter ego die dürre, katzenhafte Gestalt der „Fresse” zu ihm, die den Künstler Gainsbourg nie wirklichen Seelenfrieden finden lässt. Stets erinnert dieses schleichende Wesen ihn an verdrängte Demütigungen und befördert seine schlechten Wesenszüge. Fast wirkt sie wie der ganz persönliche Hyde des Chansonniers und Frauenhelden.

Der 1991 verstorbene Liedermacher erlebt dabei durch den Theaterschauspieler Eric Elmosnino in der Tat eine Verkörperung der schier unglaublichen Art, eine Anverwandlung der Rolle, wie man sie selten erlebt. Und auch in den anderen Rollen gelingen Joann Sfar denkwürdige Besetzungscoups. Laetitia Casta beispielsweise geht derart in Brigitte Bardot auf, dass man schier ans Original glaubt, wenn sie sich auf dem Bett räkelt oder, mit einem Betttuch wedelnd, nackt durch die Wohnung tanzt.

Womit wir bei den zahlreichen Frauen im Leben Gainsbourgs wären, die dem nicht gerade als schön zu bezeichnenden Chansonnier reihenweise zu Füßen lagen. Es ist das einzige Manko des Films, dass die phantastischen Elemente schließlich zurücktreten müssen zugunsten all der Amouren, die nun sorgfältig abgehakt werden, weil Prominenz (Juliette Greco!) reichlich vertreten ist. Kein Wunder, dass da Jane Birkin Gainsbourg 1980 verlässt. Die Engländerin Lucy Gordon macht aus ihr eine starke, facettenreiche Frau, die jedoch dem Lebenswandel Gainsburgs auf Dauer nicht gewachsen ist. Kaum zu glauben, dass diese Darstellerin, kaum 30 Jahre alt, nach Ende der Dreharbeiten Selbstmord beging.