Recklinghausen/Düsseldorf. . Das Konzept “Kunstkaufhaus“ setzt sich durch: Nach dem Erfolg mit Guido Röckens Gründung in Recklinghausen gibt es jetzt auch noch einen Ableger im Düsseldorfer Stadtteil Bilk. Im Angebot: 1000 Werke von 100 zumeist regional beheimateten Künstlern.
Der schlauchschmale Raum scheint vor Kreativität schier zu bersten. Bilder vom Boden bis zur Decke, den Treppengang runter, im Keller auch. Hier ist alles Farbe. Gelb, Rot, Blau, ein Gewirr von Quadraten und Rechtecken, wogender Klatschmohn konkurriert mit abstrakten Farbschlieren, ein rotweiß geringelter Leuchtturm buhlt neben schwarzweiß-fotografierten Zechentürmen um Käuferblicke. Gibt es eine Steigerung von Petersburger Hängung? In Recklinghausen hat sie längst Gestalt angenommen.
Mittendrin steht Guido Röcken. Freut sich über die viele Kundschaft, grinst zufrieden und überlegt, wie er die frisch gerupften Lücken in der kunterbunten Motivwand wieder schließt, „weil die Leute sich am Wochenende doch tatsächlich erdreistet haben, die Wände leer zu kaufen“. Tun sie tatsächlich. Sie gehen nicht in den nächsten Postershop, wenn sie noch was Gerahmtes für den Gabentisch suchen. Sie gehen ins Kunstkaufhaus. Für Kurzentschlossene noch geöffnet bis zum 24.!
Kunst und Kaufhaus, ja geht das denn überhaupt? Wo bleibt da das Erhabene, die Stille und Größe, der kuratorische Prüfblick? Und wer sagt, mir, was hier wirklich Kunst ist und was nicht? Im Kunstkaufhaus gibt es nämlich keine Vorgaben, nur sehr viel Auswahl. 1000 Werke von 100 zumeist regional beheimateten Künstlern, freischaffende und hauptberufliche, namhafte und unentdeckte Talente und ihre verschiedenen Vorlieben von figurativ bis abstrakt, von Aquarell bis Öl.
Für jeden was dabei, und wer Reproduktionen bislang für die sichere Wahl hielt, der soll sich doch ruhig mal ans Original trauen. Unerschwinglich? I wo! Der Preisrahmen ist im Kunstkaufhaus vergleichsweise eng gesteckt – von 1 bis 1000 Euro, aber schon für 250 Euro ist hier manches Großformat zu haben.
Im sechsten Jahr betreibt Röcken nun diese andere Art von Kunstvermittlung. Jeweils im Dezember wird sein Büro zur Galerie auf Zeit. Die Idee hat er aus dem niederländischen Dordrecht mitgebracht, wo die Stadt eine eigene Museums-Galerie für heimische Künstler betreibt. Mit hauseigener Kuratorin und regelmäßigen Ankäufen der ausgestellten Künstler, erzählt der Miterfinder der Designkioske im Kulturhauptstadtjahr 2010.
Die Idee zieht inzwischen Kreise
In Deutschland, wo die städtischen Ankaufsetats für heimische Kreative längst gen Null geschmolzen sind und wo nun zwischen VHS und Museum meist eine riesige Präsentationslücke klafft, füllt der 52-Jährige damit einen echten Bedarf. „Viele Künstler können entweder im Krankenhausflur ausstellen oder bei mir.“ Damit lässt sich durch Provisionen inzwischen sogar Geld verdienen - 15 000 bis 20 000 Euro pro Weihnachtsgeschäft, sagt der Kulturmanager.
Kein Wunder, dass die Kunstkaufhaus-Idee Kreise zieht. Nach Recklinghausen ist in diesem Jahr eine Dependance im Düsseldorfer In-Stadtteil Bilk dazugekommen. Sonja Zeltner-Müller ist mit der Premiere in ihrer „Kunstmüllerei“ zufrieden. „Die Leute nehmen durchaus Geld in die Hand.“ Nächstes Jahr soll es die Kunst für den Gabentisch dann auch in Münster geben.
Früher ist man in solchen Fällen in die Galerie seines Vertrauens gegangen, hat kundige Gespräche geführt, den Dispositionskredit geprüft und am Ende vielleicht ein neues Bild ergattert. Was man dabei tunlichst vermieden hat war, Fragen wie diese zu stellen: Passt das Bild zur Sofagarnitur? Kann ich das rote Bild zur Not noch gegen das grüne umtauschen? Und: Warum waren früher mehr Herzen auf den Bildern? Guido Röcken hat mit all dem kein Problem, im Gegenteil. „Ich will ja mit den Leuten ins Gespräch kommen.“
Internethandel wieder aufgegeben
Die Idee, das Kunstkaufhaus als Internethandel zu betreiben, hat er deshalb schnell verworfen. Lieber beschert er sich und der Kundschaft einmal im Jahr diesen unterhaltsamen Zusammenprall der Kunstgeschichte, wo die Motive der Klassischen Moderne auf die Abstraktion eines Gerhard Richter trifft, die Pop Art auf Fotografie, Design auf Nichtdesign. „Die Mischung ist mein Kunstwerk“, sagt Röcken, auch wenn er selber noch nie den Pinsel geschwungen hat. Dabei würde man ihm auch das zutrauen. Eine Kundin war unlängst jedenfalls beeindruckt von der der Vielfalt der Röcken-Kunst: „Sind die Bilder alle von Ihnen?“
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