Bochum. . In Bochum macht Christoph Frick aus Brechts „Dreigroschenoper“ eine postmoderne Nummernrevue. Die Inszenierung ist ein vordergründig sozialkritischer Comic-Strip, der vor den Klippen des Klamauks auf Grund läuft.

Im Schauspielhaus Bochum ist zum dritten Mal in 20 Jahren wieder die „Dreigroschenoper“ zu sehen. Die vorletzte Adaption des Brecht-Stoffes ist vor allem deshalb in Erinnerung, weil damals, Anfang der Neunziger, Armin Rohde als Mackie Messer minutenlang nackt an der Rampe stand. So weit geht man diesmal nicht; allerdings hat die Inszenierung mit Brechts Epischem Theater auch nicht mehr viel zu tun. Stattdessen ist ein vordergründig sozialkritischer Comic-Strip zu besichtigen, der vor den Klippen des Klamauks auf Grund läuft. Um es gleich zu sagen: Diese Dreigroschenoper enttäuscht!

Das Korsett der Brecht-Erben

Christoph Frick als Regisseur und Bo Wiget als musikalischer Leiter bringen Brecht/Weills Anti-Oper auf ihre Weise auf die Bühne und werden dabei beidem nicht gerecht, weder Brechts zynischer Kapitalismus-Kritik, noch dem eigenen Regie-Ansatz. Die Idee, das 83 Jahre alte Opus als postmoderne Nummernrevue aufzubrezeln, mochte dem Korsett geschuldet sein, das die Brecht-Erben diesem Klassiker angelegt haben. Eine Veränderung in der Reihenfolge der bekannten Lieder ist verboten, Streichungen sind kaum möglich. Das verhindert ein möglicherweise interessantes Aufbrechen der sattsam bekannten Dramaturgie; andererseits fragt man sich, ob Frick/Wiget das überhaupt in den Sinn gekommen wäre.

„Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht“

Die Musik spielt auf der Bühne, ein siebenköpfiges Orchester der Theatermusiker um Torsten Kindermann gibt sein Bestes, doch die Widersprüchlichkeit zwischen den schmissigen Gassenhauern („Kanonensong“) und der ätzenden Sozialkritik des Textes („Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“) wird in dieser quietschigen Aufführung, die ein bisschen wie Schul-Aula daherkommt, erst gar nicht angepackt. Brechts gedankliche Kluft wird weder dialektisch noch sonst wie überbrückt. Die handelnden Kleinkriminellen, Huren, Mörder und Bettler würden alles tun, um sich den Traum einer bürgerlichen Existenz zu erfüllen – das soll es ja heute auch noch geben. Und dass man den klugen Satz „Was ist der Überfall auf eine Bank schon gegen die Gründung einer Bank?“ angesichts der grassierenden Finanzkrise gleichfalls aktuell hätte denken können, ist fast schon zu naheliegend. Der Zündstoff im Niedergang der Werte, der in Sätzen wie „Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht, da hab ich eben leider recht“ gipfelt, spielt jedenfalls keine Rolle.

Ein glitschiger Comedy-Haifisch

Auch für das Bühnen-Personal nicht: Mackie Messer (Nicola Mastroberardino) ist ein glitschiger Comedy-Haifisch, der sich zum Affen machen darf – aber Zähne zeigt der nicht. Maja Beckmann als Polly ist nicht mehr als die grelle Karikatur eines zerrissenen Mädchens, und Michael Schütz als Tiger Brown mehr Charge als Typ. Matthias Redl­hammer als J.J. Peachum und Katharina Linder als Frau Peachum sind die einzigen, die in diesem Panoptikum der Äußerlichkeiten zur Seele ihrer Rollen durchfinden. Am Ende, immerhin, weiß man eines: Der arme B.B. hatte Recht! Die Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens – in dieser Aufführung wird sie offenbar.

  • Termine: 16., 22. Okt.; 6., 13. Nov.. Tickets 0234/3333-5555 oder hier.