Essen/Düsseldorf. . Karfreitag müssen in Essen die Theater geschlossen bleiben, in Düsseldorf soll aber gespielt werden. Das Feiertagsgesetz klingt zwar eindeutig, wird in den verschiedenen Städten jedoch unterschiedlich ausgelegt.

Karfreitag werden die Kulturschaffenden aus Essen neidisch in die Nachbarstädte schauen. Im Musiktheater Gelsenkirchen soll am 22. April „Anatevka“ laufen, im Schauspielhaus Bochum „Woyzeck“. Das Düsseldorfer Schauspielhaus will die Premiere von Juli Zehs „203“ zeigen, in der Rheinoper wird „Billy Budd“ laufen, im Theater an der Kö steht gar das Boulevard-Stück „Der Lustige Witwer“ auf dem Programm

Und in Essen? Läuft nichts. Die Stadt hat die Premiere der „Madama Butterfly“ im Aalto-Theater verboten, die Operette „Der Opernball“ im Rathaus-Theater wurde abgesagt. Die Be­zirksregierung hatte auf die Einhaltung des Feiertagsgesetzes gedrängt, nachdem eine Beschwerde eingegangen war.

Der Karfreitag genießt als hoher christlicher Feiertag be­sonderen Schutz. Er gilt, wie Volkstrauertag, Totensonntag und Allerheiligen, als „Stiller Feiertag“. Dafür gelten besondere Gesetze: „Alle unterhaltenden Veranstaltungen einschließlich Tanz“ sind verboten. Fußballspiele ebenfalls.

NRW ist restriktiver als Bayern

Und: Das Feiertagsgesetz in NRW ist sogar deutlich restriktiver als in anderen Bundesländern. So müssten ei­gentlich auch Kinos und Rundfunksender ihr Programm anpassen, denn das Gesetz verbietet ausdrücklich die Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister als zur Aufführung an Karfreitag anerkannt sind. Die Rundfunksender sind verpflichtet auf den ernsten Charakter des Feiertags Rücksicht zu nehmen. So etwas ist etwa im bayerischen Gesetz nicht festgeschrieben. In NRW sind nur Aufführungen erlaubt, die den ernsten Charakter betonen und dem Feiertag entsprechen. Klingt eindeutig – und doch bietet diese Ausnahme Spielraum.

Das ärgert Reinhard Beuth, den Sprecher des Essener Aalto-Theaters, das nun sogar eine Feststellungsklage an­strebt: „Wir haben in den vergangenen Jahren auch an Karfreitag gespielt. Jetzt wollen wir Sicherheit haben, wie wir in den nächsten Jahren verfahren können.“ Ihn wundert die unterschiedliche Auslegung in den Städten. „Ich glaube, dass die Stadt Essen, die jedes Jahr bei der Bezirksregierung um jeden Cent kratzen muss, sich schwer tut, sich gegen die Regierungspräsidentin zu stellen.“ Düsseldorf als schuldenfreie Stadt könne dagegen erhobenen Hauptes handeln.

„In Wien gehen die Leute zum Heurigen“

Auch Stefan Soltesz, Generalmusikdirektor und Intendant des Aalto-Theaters kritisiert: „Am Karfreitag den Menschen die Begegnung mit ernster Musik, mit Kunst, mit Kultur – und darum handelt es sich doch bei einer Oper wie ,Madama Butterfly’ – zu verbieten, ist für mich völlig unverständlich. In Wien ist die Oper traditionell am Karfreitag geschlossen; dafür gehen die Leute dann zum Heurigen. Man sollte das Spielverbot vor solchen Alternativen sehen.“

Die Stadt Düsseldorf hat die Theater nun aufgefordert zu schildern, warum ihre Stücke am Karfreitag aufgeführt werden sollen. Heute will sie über endgültige Genehmigungen entscheiden und diese Liste der Bezirksregierung vorlegen. Dass die Entscheidungen dann von Regierungspräsidentin Anne Lütkes (Grüne) noch gekippt werden, scheint eher unwahrscheinlich.

„Wir nehmen den Feiertagsschutz ernst“, sagt der Düsseldorfer Ordnungsdezernent Stephan Keller. Seit Dienstag würden alle Veranstaltungsorte – auch Spielhallen und Table-Dance-Bars – über die Rechtslage aufgeklärt. Am Karfreitag werden wie 2010 Kontrollen durchgeführt. Und auch der für Gelsenkirchen zuständige Regierungspräsident in Münster hat die Stadt aufgefordert, die geplante „Anatevka“-Aufführung zu überprüfen.

Kritik von der Kirche

Karfreitag ist in der evangelischen Kirche der höchste Feiertag. „Jesus Christus hat an diesem Tag die Macht des Todes durch die Annahme seines Todes am Kreuz überwunden“, sagt Nikolaus Schneider, Präses der evangelischen Kirche im Rheinland. Das lade dazu ein, sich über die Realität des Todes Gedanken zu machen; deshalb sei der Tag für die gesamte Gesellschaft so wichtig. „Dazu passen rein unterhaltsame Vergnügungsveranstaltungen nicht, die den Sinn von Karfreitag übertönen.“ Und Rolf Krebs, Beauftragter der evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung in NRW kritisiert, dass die gesetzlichen Be­stimmungen so unterschiedlich ausgelegt werden: „Eigentlich steckt im Gesetz eine deutliche Aussage.“

P.s.: Im Fernsehen laufen an Karfreitag unter anderem „In­diana Jones“, die James-Bond-Folge „Casino Royale“, „Harry Potter IV“ und „Der Alte“.