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Der Schweizer Autor Martin Suter stellt im aktuellen Werk „Allmen und die Libellen“ den Ermittler einer neuen Reihe vor: einen Müßiggänger im Maßanzug, der seinen Lebensstil mit Beutezügen in feinen Antiquariaten finanziert.
Das Lügengebilde, das Johann Friedrich von Allmen sein Leben nennt, ist so zerbrechlich wie eine zarte Schale aus Glas. Das Erbe seines Vaters, eines schlauen Schweizer Bauern, brachte er als „internationaler Bummelstudent“ durch. Das Luxusleben führt er nun auf Kredit: „Er hatte keine Schulden. Er hatte offene Posten, Ausstände, Saldi, Pendenzen.“ Noch immer bestellt er das Taxi zu seiner Zürcher Villa, auch wenn er nur noch deren Gewächshaus sein eigen nennt. Noch immer gehört das Opernpremierenabonnement zu den Lebensnotwendigkeiten: „Erst wer sich das nicht mehr leisten kann, ist wirklich pleite.“ Selbstverständlich, dass Allmen zuvor in der Goldenbar zwei Margaritas trinkt – so dass seine Stimmung „erwartungsvoll, glücklich und nachsichtig“ sei auf seinem Platz: Parkett Mitte, fünfte Reihe!
Allmen, das sind wir alle. Ein bisschen jedenfalls. Aber kann das Leben in der Seifenblase gutgehen? Dass es am Ende doch keine Scherben gibt, verdankt Allmen der Fantasie seines Schöpfers – und dessen Ehrgeiz. Der Schweizer Autor Martin Suter stellt schließlich den Mittvierziger, dessen „gutgeschnittenes Gesicht“ eine „etwas weniger platte Nase verdient“ hätte, als neuen Privatermittler in die Reihe der Lebemänner der Kriminalliteratur. „Allmen und die Libellen“ (Diogenes, 208 Seiten, 19,90 Euro) soll den doppelten Boden bereiten für eine Serie, in der der Müßiggänger im Maßanzug als „Belohnungsjäger“, „Sachdienlicher Hinweiser“, „Wiederbeschaffer“ sein Auskommen findet. Natürlich unter tatkräftiger Mithilfe seines guatemaltekischen Hauswirtschafters Carlos, der Allmen in höchster Not schon mal mit Tortillas und Bohnen vor der Auszehrung bewahrt – ohne Hackplätzchen und Guacamole, dafür auf bestem Damast: „Es war Carlos’ Art zu sagen, dass er Haushaltsgeld benötigte.“
Martin Suter, der mit seiner Familie zwischen Zürich, Guatemala und Ibiza pendelt, ist ein feiner Beobachter kultureller Eigenheiten. Die Eingeborenen der Zürcher Goldküste waren in seinem Werk steter Quell der Lesefreude, den falschen Glanz der Kunstwelt spiegelte er im „Weynfeldt“, im Haifischbecken der Finanzwelt fischte er in den Business-Class-Kolumnen. Er kennt sich aus in vielen Welten.
Und so sind wir fast geneigt zu glauben, dass es dies’ Frau gewordene Klischee wirklich gibt: platinblonder Pagenschnitt, kirschroter Lippenstift, schwarze Sonnenbrille – wadenlanger grüner Nerz. In der Goldenbar gabelt „Jojo“ Allmen auf, in ihrer Villa an der Seestraße entdeckt er die gläsernen Libellen, die ihm beinahe zum Verhängnis werden. Es sind wertvolle Gallé-Schalen, auf die Allmen stößt, just als die lächerliche Summe von 12 455 Franken einen Gläubiger grob werden lässt.
Gemächliches Tempo
Was läge näher, als die Schalen jenem Händler seines Vertrauens anzudienen, dem er schon zuvor Ergaunertes zuspielte? Wie kann er ahnen, dass er nicht der erste Dieb dieser Schätze ist? Dass die Libelle ein anderes Flugobjekt, eine Pistolenkugel, anlocken wird?
Seine Bücher, beklagte Martin Suter in einem Gespräch, würden oft der Spannungsliteratur zugerechnet – dabei schriebe er gar keine Krimis! Diesmal, so klug und lebensnah der Plot um Kunstraub und Versicherungsbetrug gestrickt sein mag, mangelt es an atemberaubenden Wendungen. Aber Allmen nimmt sein Geschäft ja gerade erst auf: „International Inquiries“ will er am Ende auf seine Visitenkarten drucken lassen. Dies kann nur übertrieben finden, wer ihn noch nicht kennt.