Berlin. Der Schauspieler über seine langjährige Zusammenarbeit mit Richard Linklater und ihrem fünften gemeinsamen Film auf der Berlinale.

Stammgäste, das trifft es wohl am besten. Wenn Ethan Hawke und Richard Linklater gemeinsam einen Film machen – wie den Wettbewerbsbeitrag „Blue Moon“ –, dann präsentieren sie den Film auf der Berlinale. Vor genau 30 Jahren kamen sie das erste Mal, zur diesjährigen Jubiläumsausgabe hoffentlich nicht zum letzten Mal. In „Blue Moon“ spielt Hawke den Songwriter Lorenz Hart – der Film spielt an einem Abend, in Echtzeit, ist voller scharfzüngiger Monologe vom melancholischen Trinker Hart. Wir haben ihn kurz vor der Weltpremiere im Hyatt Hotel getroffen.

Herr Hawke, haben Sie und Richard Linklater eine Langzeit-Liebesbeziehung mit der Berlinale?

Sieht ganz so aus. Ich war noch nie ohne Richard Linklater hier. Können Sie sich das vorstellen? Wir hatten fünf Filme zusammen auf der Berlinale. 1995 waren wir mit unserem ersten Film hier. „Before Sunrise”. Damit hat alles angefangen.

Wie war das damals?

Richard war ein junger unbekannter Regisseur, ich war ein junger, einigermaßen unbekannter Schauspieler. Durch ihn habe ich meine Stimme als Schauspieler gefunden. Der Film war mein Durchbruch, es war sein Durchbruch, es war unser gemeinsamer Durchbruch. Seitdem gehen wir diesen Weg gemeinsam. Eben auch mit „Blue Moon“. Es hat sich einfach richtig angefühlt hierher zu kommen.

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Sie haben unglaublich viel Dialog in dem Film. Wie haben Sie sich den ganzen Text einstudiert?

Man muss schon eine gewisse Begabung dafür haben. Die Leute fragen mich immer, wie ich das schaffe. Aber das ist mein Job. Sie fragen ja auch keinen Pianisten, wie er es schafft, Rachmaninoff zu spielen. Natürlich ist es sehr zeitintensiv. Ich hatte am ersten Drehtag mehr Text als in meinen vorherigen vier Filmen zusammen. Aber das ist das Tolle an diesem Film.

„Blue Moon“ ist ein sehr intimer Film, fast schon kammerspielartig, gedreht in einer Bar. Was reizt Sie an diesem ja fast schon theatralen Raum?

Die meisten von uns sind nie in eine Schießerei verwickelt, springen nie aus einem Hubschrauber und sind auch nie in eine mysteriöse Agentensache involviert. Unsere Leben sind auch ohne solche Sachen dramatisch genug. Das Drama liegt doch schon in der reinen Beziehung zu anderen Menschen. Sowas zieht mich als Schauspieler an. Filme über das normale Leben, Filme, die das Leben nicht überspitzen - das interessiert mich. Mich und Linklater. Und er hat dazu noch die seltene Gabe, aus diesen großartigen Gesprächen großartige Bilder rauszuholen. Viele Regisseure würden sich lieber die Pulsadern aufschneiden, als einen Monat zu proben. Wir haben einen Monat geprobt, und es war Richard immer noch zu wenig.

Sind Sie und Richard Linklater ein ähnlich legendäres Duo wie „Rodgers und Hart“?

Ich hoffe nicht, denn dann hätten wir uns ja schmerzlich voneinander getrennt. Für mich ist es immer wieder wichtig, mit Freunden zu drehen – obwohl wir ja oft unsere beste Seite zeigen, wenn wir Leute gerade erst kennenlernen und die Leute, die uns am Herzen liegen, nicht den nötigen Respekt gegenüber bringen.

Was verbindet Sie beide?

Ich bin wirklich überrascht, dass er immer noch mit mir zusammenarbeiten will. Er muss sich doch eigentlich zu Tode langweilen. Er kennt jeden meiner Tricks, er hat alles, was ich kann, schon gesehen. Aber vielleicht bin ich deswegen unter ihm so gut, weil er mich herausfordert. Er war auch hier sehr anspruchsvoll. Er wollte Ethan in meinem Spiel vernichten. Oft hat er nach einer Einstellung gesagt, da war zu viel Ethan in meiner Darstellung, zu wenig Lorenz. Mach das nochmal.

Regisseur Richard Linklater (2.v.r.) mit seinen Stars Margaret Qualley, Ethan Hawke und Andrew Scott (v.l.). © Getty Images | Sebastian Reuter

Sie sind 54 Jahre alt, natürlich noch weit entfernt von der Rente. Aber haben Sie das Gefühl, dass der Druck raus ist, erfolgreich sein zu müssen?

Um ehrlich zu sein ja. Mir wird jetzt langsam erst klar, wie sehr die Filmindustrie auf junge Leute ausgerichtet ist. Natürlich ist es eine Herausforderung, älter zu werden, denn unsere Gesellschaft hat generell kein Interesse an alten Leuten. Auch nicht im Film. Weisheit, Würde, Reife – diese Worte sind beängstigend. Schön, hinreißend, sexy, das sind Attribute, mit denen man die Leute ins Kino lockt.

Was tun Sie dagegen?

Gar nichts. Richard hat mich neulich darauf gebracht, er hat zu irgendjemandem über mich gesagt, dass ich jetzt genauso aussehe, wie ich es mir immer gewünscht habe. Das stimmt. Ich habe mich früher sehr unwohl damit gefühlt, immer als Objekt wahrgenommen zu werden. Die Figuren, die mir jetzt angeboten werden, sind so viel interessanter. Und ich muss mir keine Sorgen darum machen, wie ich aussehe.

75. Berlinale - Premiere «Blue Moon»
Ethan Hawke auf dem roten Teppich der Berlinale. © DPA Images | Christoph Soeder

Ihre Tochter Maya hatte gerade eine Auseinandersetzung mit einem Produzenten darüber, ob sie ihren Instagram-Account löschen soll oder nicht. Für viele junge Schauspieler sind die sozialen Medien wichtig für die Karriere. Sind Sie froh, dass der Kelch an Ihnen vorübergegangen ist?

Ja, die junge Generation tut mir einfach nur leid. Es geht doch nicht nur um Followerzahlen, es geht um Talent. Viele junge Schauspieler denken, es geht um Proteinshakes und das beste Fitnessprogramm. Ich wünschte, sie würden Philipp Seymour Hofmann noch sprechen können. Der hat mir mit 18 den Kopf gewaschen. Schauspiel ist so viel mehr, als einfach nur ins Fitnessstudio zu gehen. Robert De Niro ist nicht Robert De Niro, weil er einen Sixpack hat.