Berlin. Fast wäre sie nicht rechtzeitig nach Berlin gekommen: Der Hollywoodstar über Sexszenen, die neue US-Migrationspolitik und Donald Trump.

Auf dem roten Teppich hat sie gestrahlt, dabei wäre es fast nicht dazugekommen, denn Jessica Chastain hat ihren Flieger verpasst, kam einen Tag später als geplant und musste kurzfristig alle Interviews verschieben. Es war ihr unangenehm, denn sie spielt im Wettbewerbsfilm „Dreams“ nicht nur die Hauptrolle, sie hat den Film mit ihrem Lieblingsregisseur Michel Franco auch produziert. Umso wichtiger war es ihr, darüber zu sprechen.

Frau Chastain, Sie sind mit Verspätung angekommen. Was ist passiert?

Jessica Chastain: Sie werden es mir nicht glauben, ich war in New York auf dem Weg zum Flughafen und irgendwie bin ich wohl an einen Taxifahrer geraten, der neu in der Stadt war und sich nicht auskannte. Wir sind knapp zwei Stunden durch Manhattan gefahren, und er hat einfach keinen Weg rausgefunden. Dadurch habe ich meinen Flug verpasst.

Umso schöner, dass Sie jetzt hier sind!

Ich war so sauer gestern, das können Sie mir glauben.

Sie sehen fantastisch aus – überhaupt nicht gestresst. Genauso elegant wie im Film.

Sie werden lachen: „Dreams“ ist ein Independent Film ohne Geld, den ich mit produziert habe. Wir hatten kein Budget für die Ausstattung. Die Kostümdesignerin ist zu mir nach Hause gekommen und hat sich einmal durch meinen Kleiderschrank gewühlt. Alles, was ich im Film trage, hatte ich irgendwo schon mal auf einer Premiere an. In meinem letzten Film „Memory“ war ich Klamotten shoppen bei Target. Hier war ich in meinem eigenen Kleiderschrank. Wie soll ich das noch toppen.

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In „Dreams“ spielt Jessica Chastain eine reiche Amerikanerin, die eine verhängnisvolle Affäre mit einem jüngeren Mexikaner hat.
In „Dreams“ spielt Jessica Chastain eine reiche Amerikanerin, die eine verhängnisvolle Affäre mit einem jüngeren Mexikaner hat. © © Teorema | © Teorema

Ist das die einzige Parallele zwischen Ihnen und ihrer Figur?

Irgendwie schon. Denn anders als die Filmfigur komme ich aus einfachen Verhältnissen. Ich will gar nicht zu privat werden, aber es gab eine Zeit in meiner Kindheit, da wusste meine Mutter nicht, wie und was sie uns Kindern zu essen besorgen soll. Das hat mich natürlich geprägt. Ich spiele gerne Figuren, die möglichst weit weg von mir und meinen Erfahrungen sind.

Es gibt in Filmen gerade den Trend, dass das gesellschaftliche Tabu gebrochen wird, eine Frau mit einem jüngeren Mann in einer Romanze zu zeigen.

Ist das nicht toll? Meine Freundin Anne Hathaway hat den Film „Als du mich sahst“ gemacht, wir haben „Babygirl“ mit Nicole Kidman, jetzt unseren Film. Ich bin in einer Zeit in der Filmindustrie groß geworden, in der es gang und gebe war, dass ein älterer Mann eine Beziehung mit einer jüngeren Frau hat. Das hat niemand hinterfragt. Es war einfach so. Es gefällt mir, dass diese Objektifizierung der Frau kippt. Der Altersunterschied hier ist 13 Jahre. Wäre das bei einem älteren Mann und seiner jüngeren Freundin so, würde kein Hahn danach krähen. Wie schön, dass diese Stereotype langsam aufbrechen und wir Geschichten erzählen können, in denen es anders ist.

Sie haben viele intime Szenen mit ihrem Spielpartner Isaac Hernández. Wie wohl haben Sie sich dabei gefühlt?

Bei den Dreharbeiten haben wir kaum miteinander gesprochen. Aber nicht, weil wir uns nicht mochten, sondern weil er Angst hatte, etwas falsch zu machen. Er ist kein gelernter Schauspieler, er ist Balletttänzer. Das Drehen der Sexszenen war dann auch wie ein Tanz. Er ist an diese Körperlichkeit gewohnt – denn im Ballett ist man ähnlich verletz- und angreifbar wie beim Drehen einer intimen Szene. Wir haben uns nie unwohl gefühlt dabei, wir transportieren damit ja die Geschichte. Einzig und allein die Tatsache, dass ich neben ihm absolut untrainiert aussehe, werde ich meinem Regisseur nie verzeihen. (lacht)

Es geht im Film um illegale Einwanderung. Fühlen Sie sich unter Donald Trump in den USA noch wohl?

Wir haben das schon einmal überstanden, wir werden es wieder tun. Auch unter Biden wurden Migranten abgeschoben und schlecht behandelt. Es hat nur niemand thematisiert. Ich bin noch lange nicht an dem Punkt, an dem ich die USA verlassen würde. Denn dann würde ich all die Menschen, die hier leben, legal oder illegal, im Stich lassen. Ich werde bleiben und mich für die Gesellschaft und vor allem für die Kultur engagieren und einsetzen. Denn ich glaube an die Vereinigten Staaten von Amerika. Einfach zu gehen, wäre, als würde ich aufgeben. Und ich war noch nie ein Feigling.

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Chastain mit Regisseur Michel Franco (2.v.l.) und ihren Filmpartnern Isaac Hernández und Rupert Friend. © Getty Images | Sebastian Reuter

Sie haben eben New York angesprochen, Ihre Wahlheimat. Was ist das Faszinierende an der Stadt?

Das hier alles zusammenkommt. Ich war in der High School das erste Mal da, und auf einmal hat für mich alles einen Sinn ergeben. So viele Sprachen, so viele Akzente und Dialekte, alle nehmen die U-Bahn, egal aus welcher Schicht sie kommen. Ich nehme selbst immer und überall hin die U-Bahn. Das nächste Mal dann vielleicht auch zum Flughafen. Auf dass ich nicht wieder meinen Flieger verpasse!