Berlin. Impressionen des amerikanischen (Alp-)Traums: Der Wettbewerbsbeitrag von Michel Franco mit Jessica Chastain und Isaac Hernández.

„Dreams“ wie Träume? Nein, der Film von Michel Franco sollte „Drama“ heißen, denn das ist er – astreines Kinodrama. Jenifer liebt Fernando, der auch Jenifer liebt. Aber vieles trennt sie auch: eine hart verteidigte Landesgrenze zwischen Mexiko und den USA, ein Alters- und vor allem ein gewaltiger Klassenunterschied. Jenifer ist die Tochter eines reichen Vaters, dessen Stiftung sie verwaltet. Den jüngeren Fernando hat sie im Rahmen einer ihrer Kulturprojekte kennengelernt: bei einer Balletttruppe in Mexico City.

In dieser Stadt haben die beiden in einem der familieneigenen Häuser eine intensive Zeit miteinander verbracht. Kehrt Jenifer zur Arbeit an diesen Ort zurück, erinnert sie sich, sinnlich ein Stück Mandarine kauend, an Sex auf dem Küchentresen. Fließend verbindet Regisseur Michel Franco in dieser Szene mittels Kamerafahrt und Montage die Gegenwart mit der Vergangenheit.

Jessica Chastain auf der Pressekonferenz der Berlinale. © Getty Images | Andreas Rentz

Nun aber hat sich Fernando (der Ballerino Isaac Hernández vom American Ballet Theatre) zu Jenifer (Jessica Chastain) nach San Francisco durchgeschlagen: Ist fast erstickt in einem Lastwagen, den die Schlepper bei 40 Grad in der Wüste bei San Antonio haben stehen lassen. Wäre auf dem weiteren Weg zu Fuß fast verdurstet, hätte ihm nicht hinter der Grenze eine Mexikanerin geholfen. Per Anhalter ist er an Jenifers teurem Haus angelangt und verschafft sich mit dem Ersatzschlüssel Zutritt zu ihrem US-Leben. Kann das gut gehen?

In seinem eleganten Wettbewerbsbeitrag stellt der Mexikaner Michel Franco, dessen preisgekrönte Filme lang schon auf den großen Festivals laufen, deutlich die Gegensätze zwischen den beiden Hauptfiguren heraus: Jenifer genießt mit Flügen im Privatjet ihre Bewegungsfreiheit und bei Opernbesuchen in teuren Roben sorglos ein riesiges Vermögen. Ihre Umgebung wirkt stets wie ein Museum, Jessica Chastain ist wie ein Ausstellungsstück in den sorgfältig komponierten Bildrahmen von Kameramann Yves Cape inszeniert.

Jessica Chastain wirkt wie ein luxuriöses Ausstellungsstück

Fernando taumelt anfangs verschwitzt durch die Hitze und hält sich dann mit einem Job im Motel über Wasser. Franco zeigt ihn allerdings als Weltenwanderer, der sich in T-Shirts genauso selbstsicher bewegt wie im Sakko oder einem Trainingstrikot. Das Glück scheint auf seiner Seite: Als er vor dem Opernhaus ein Veranstaltungsticket zu ertanzen versucht, lernt er den Chef des San Francisco City Ballet kennen, der sein Talent erkennt, ihn vortanzen lässt und ihn in die Kompanie eingliedert. Bleibt nur sein Aufenthaltsstatus…

Zum Psychothriller wandelt sich „Dreams“ irgendwann. Natürlich hat der Film auch eine hochpolitische Dimension: Donald Trump lässt seit seinem Amtsantritt massenhaft Immigranten verhaften und abschieben, seine Administration verwendet Begriffe wie Deportation. In „Dreams“ aber will die existenzielle Dimension dieser Politik nicht so recht fühlbar werden. Zu exquisit sind die Bilder aus dem Inneren des amerikanischen (Alp-)Traums. Zu schematisch sind die Beziehungen zwischen den Figuren geknüpft. Eine Augenweide, aber auch eine verschenkte Gelegenheit.

Termine: 16.2. 11.30 Uhr Uber Eats Music Hall, 17.2., 13 Uhr HKW 1, 19.2. 21.30 Uhr, Uber Eats Music Hall.