Berlin. Und noch ein Superstar auf der Berlinale – mit „Mickey 17“, einer heiß erwarteten Science-Fiction-Satire. Was den Film besonders macht.

Und noch einmal Kreischalarm am Potsdamer Platz. Die Berlinale gehört den Jung-Stars. Nach Timothée Chalamet nun einen Tag später Robert Pattinson, der einstige „Twilight“-Star. In einem der am meisten erwarteten Filme des Jahres: „Mickey 17“ von Regisseur Boon Jong Ho. Dem Mann, der seit „Snowpiercer“ – 2013 auf der Berlinale gezeigt – Kultstatus genießt. Und 2019 für „Parasite“ gleich vier Oscars nach Südkorea holte.

Immer aufs Neue sterben und recycelt werden

Und der Clou an „Mickey 17“ ist, dass man Robert Pattinson gleich doppelt hat. Der Brite spielt erstmals eine Doppelrolle. Die Handlung darf man als bekannt voraussetzen. Der Trailer läuft ja seit Monaten in den Kinos, regelmäßige Kinogänger können ihn schon mitsprechen. Und haben in gewisser Weise auch schon den halben Film gesehen. Sie wissen also, dass arme Schlucker, die nichts mehr zu verlieren haben, bei der Kolonialisierung ferner Planeten teilnehmen können. Dafür unterschreibt auch die Titelfigur Mickey (Robert Pattinson). Ohne das Kleingedruckte zu lesen.

Er gehört nicht zu der Herrenrasse, die die Galaxie bevölkern soll. Sondern ist ein „Expendable“, ein Entbehrlicher also, der für die Drecksarbeit zuständig ist. Und als Versuchskaninchen für wissenschaftliche Experimente herhalten muss: Wie lange hält man Sonnenstrahlung im All aus? Kann man auf dem fremden Planeten atmen? Ist der Virus tödlich? Immer wieder stirbt dieser Mickey. Und wird per Drucker und Gedächtnis-Transplantation recycelt.

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Das ist anfangs komisch, die Idee erschöpft sich aber schnell, wenn immerzu ein neuer Mickey aus dem Drucker ruckelt. Bis passiert, was passieren muss – und was man auch schon aus dem Trailer weiß: Einmal wird Mickey zu früh abgeschrieben, schleppt sich erschöpft zurück in seine Koje. Und schreckt auf. Weil er da schon liegt.

Ein Star, der mit sich selbst ringt

Er ist ein Multipler. Das aber ist verboten. Deshalb will der neue Mickey, Nr. 18, den alten, Nr. 17 opfern. Und schon ringt Pattinson mit sich selbst. Seine Liebe Nasha (Naomie Ackie) dagegen findet das ganz an- und aufregend, dass sie ihren Mickey nun doppelt hat. Und der neue auch etwas schärfer ist als der alte Zarte. Prompt liegen sie zu dritt im Bett. Pattinson beim Sex mit sich selbst? Fans halten in dem Moment den Atem an. Aber da kneift der Film doch. Mickey 18 fingert nicht nur an Nasha, sondern auch an 17 rum. Aber der wehrt das ab.

Und es gilt ja auch mal die Ethik von alldem zu hinterfragen: Die Versuche mit menschlichen Versuchskaninchen. Von einem zynischen Laborteam, dass dem skrupellosen Expeditionsleiter Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) und dessen ebenso eisigen Frau Yifa (Toni Collette) unterstellt ist. Und nun mindestens einen der beiden Multiplen hops gehen lassen will.

„Mickey 17“ ist eine durchgeknallte Science-Fiction-Parodie, die nicht nur das Genre durch den Kakaodrucker zieht, sondern natürlich auch was über unsere eigene, inhumane Klassengesellschaft erzählen will. Eroberungswahn, „unwertes Leben“, menschliche Laborratten, das kennt man aus der deutschen Geschichte. Wohl auch deshalb heißt der fremde, zu besiedelnde Planet Niflheim.

Robert Pattinson überzeichnet bis zur Selbstkarikatur

Alle spielen überdreht bis zur Karikatur, Ruffalo, der seinen Diktator mit typischen Trump-Gesten ausstattet, Toni Collette mit Dauerzahnpastalächeln, aber vor allem Pattinson selbst, der stark überzeichnet, damit man seine 17 und 18 auch wirklich auseinander halten kann. Der eine schüchtern, der andere konfrontativ, der eine mit höherer, der andere mit tieferer Stimme. Mag das auch in ferner Zukunft spielen, diese Tricks sind uralt.

Der Star in einer Doppelrolle: als Nummer 17 und Nummer 18.
Der Star in einer Doppelrolle: als Nummer 17 und Nummer 18. © Warner Bros | Warner Bros

Über weite Strecken funktioniert „Mickey 17“ ganz gut. Und doch ist er vorhersehbar und überlang. Dem Kultregisseur redet nach seinem Oscar-Sieg aber keiner mehr rein, der darf sich ausspinnen. Und tut das weidlich. Auch noch, als der Film längst aus und die Luft schon raus

Wie war das, mit sich selbst zu spielen? Beängstigend!

Aber was soll’s. Boon Jong Ho zurück auf der Berlinale („Parasite“ lief ja schmählicherweise in Cannes). Und auch Pattinson zurück auf der Berlinale, wo er zuletzt 2017 mit „Die versunkene Stadt Z“ und 2018 mit „Damsel“ war. Auf die Weise hat man Pattinson quasi drei Mal. Dann nämlich auch noch live auf dem Teppich. Und in der Pressekonferenz.

Wie war das, mit sich selbst zu spielen? Die Frage ist so erwartbar wie die Antwort darauf: Faszinierend, aber auch beängstigend: „Wie wenn man mit einem Geist spielen soll, den man sich vorstellen muss.“ Was nicht leicht sei, weil man kein wirkliches Gegenüber hat. Mit dem Rummel um seine Person hadert Pattinson seit der „Twilight“-Hysterie. Gut möglich, dass er so einen Multiplen ganz gut finde, der ihm den unliebsamen Job abnimmt.

Termine: 16.2., 14.30 Uhr, Uber Hall, 17.2., 12.15 Uhr, Urania. Ab 6. März im Kino.