Berlin. Spiel mir das Lied von Bob Dylan: Das für acht Oscars nominierte Biopic bringt Timothée Chalamet auf den roten Teppich des Festivals.

Kreischalarm auf der Berlinale. Gleich am zweiten Festivaltag ist einer der heißesten Jung-Stars von Hollywood auf dem Teppich: Timothée Chalamet. Um den reißen sich nicht nur alle Festivals, sondern auch alle Regisseure. Seit er mit gerade mal 22 für „Call Me By Your Name“ erstmals oscar-nominiert war, spielt er in dem Sci-Fi-Blockbustern „Dune“ ebenso wie in Wes Andersons schräger Filmfamilie. Und gab jüngst in „Wonka“ auch quasi den jungen Johnny Depp. Seine jüngste Rolle aber ist die bislang größte Herausforderung seiner staunenswerten Karriere: In „Like a Complete Unknown“ spielt er keinen Geringeren als Bob Dylan.

Die bislang größte Herausforderung für Jungstar Chalamet

Es ist keine Weltpremiere. Der Film lief schon auf US-Festivals. Und kommt ohnehin gleich nach der Berlinale in unsere Kinos. Tricia Tuttle hat ihn dennoch eingeladen. Und tat gut daran, ist „Like a Complete Unknown“ doch einer der großen Oscar-Anwärter, für den auch der 27-jährige Kanadier zum zweiten Mal nominiert ist.

Gleich anfangs kommt er in die große Stadt, nach New York, mit nichts als einem Rucksack und einer Gitarre. So fangen viele Musikerfilme an. Und auch Bob Dylan ist zunächst, wie der Titel es schon andeutet, ein komplett Unbekannter. Ein Niemand, der groß raus will.

Es ist nicht ohne Ironie, dass dieses Jahr Todd Haynes Jurypräsident der Berlinale ist. Denn der hat auch schon einen Bob-Dylan-Film gedreht, einen ziemlich abgedrehten, mehr eine Fantasie über den Folk- und Rocksänger, was diesem aber durchaus näher kommt. Gleich sechs Stars teilten sich die Rolle, darunter mit Cate Blanchett auch eine Frau. Bob Dylan genderfluid, lange bevor es dafür einen Begriff gab.

Timothée Chalamet spielt nicht nur, er singt und musiziert auch selbst

James Mangold geht das Ganze sehr viel konventioneller an. Er erzählt aber von den Anfängen Dylans, die nicht so bekannt sind. In New York angekommen, pilgert er erst mal zu dem Krankenhaus, in dem einer seiner Idole, Woody Guthrie (Scoot McNairy), liegt. Dem darf er was vorspielen. Und dessen nicht minder berühmte Freund Pete Seeger (Edward Norton) sitzt auch dabei. Nimmt Dylan danach mit zu sich nach Hause. Und organisiert ihm bald einen ersten Auftritt. So entstehen Karrieren. Durch Zufall. Und Talent. Nicht durch berechnende Musikstudios wie heute.

Ein Mann singt sich in die Ohren von Millionen. Und lernt die Liebe kennen, mit der Studentin Sylvie (Elle Fanning), aber auch mit Joan Baez (Monica Barbaro), was natürlich nicht gut geht. Und für Konflikte sorgt. Aber zumindest zu guten Folk-Songs führt. Und so wird der kleine Bobby allmählich zum Begriff. Bis er mitten im Film eins auf die Nase bekommt. Das wird zum Wendepunkt des Films.

Denn dann gibt es einen kleinen Zeitsprung. Dylan ist nun auf dem Zenit seiner Karriere. Der Ruhm ist aber längst lästig, weil ihm auf jeder Straße Frauen hinterherlaufen. Vor allem aber hat Dylan genug vom Folk. Er will was anderes, will Rockmusik machen. Und vergrätzt damit nicht nur die Fans, sondern auch die Weggefährten. Obwohl alle ihn davon abbringen wollen, geht er doch mit einer E-Gitarre auf die Folk-Bühne. Und sorgt für einen echten Skandal. Aber danach wird er eins der einflussreichsten Rock-Alben aufnehmen. Und damit die Musikgeschichte revolutionieren.

Chalamet darf hier quasi zwei Rollen spielen, ganz wie in „Dune“: erst den scheuen Schmalhans, der noch nicht weiß, wohin seine Reise gehen soll, und dann den Mann im Fokus, der mit seiner Rolle hadert. Allein wegen Chalamet ist dieser Film ein Muss. Wie nuanciert er diesen Robert Zimmerman spielt und dabei auch selbst singt und musiziert! Aber nicht weniger stark sind die Stars an seiner Seite, allen voran Ed Norton als Pete Seeger und Monica Barbaro als Joan Baez.

75. Berlinale · Photocall «Complete unknown»
Kaum wiederzuerkennen: Timothée Chalamet bei der Berlinale-Pressekonferenz am Freitag. © DPA Images | Soeren Stache

Eine gute Wahl, den Film eingeladen zu haben. Chalamet hätte auch schon auf der letzten Berlinale sein können. „Dune 2“ startete da schon während der Berlinale, und das Team feierte just Europapremiere in London. Die wären sicher auch nach Berlin gekommen! Aber Carlo Chatrian, der frühere Berlinale-Chef, wollte nicht: Ist ja nur Science-Fiction, soll er gesagt haben, Und auch noch eine Fortsetzung. Eine schlimme Fehlentscheidung. Jetzt aber ist Chalamet hier. Und gewinnt auch ein junges Publikum für die Berlinale.

Den Film stellte er am Freitag ganz alleine vor, kaum wiederzuerkennen mit kurzen Haaren, Strass-Jeans und Totenkopf-Schal. Willig gab er Autogramme. Mit Fans geht er deutlich netter um als sein Bob Dylan.

Termine: 15.2., 11.30 Uber Hall; 16.2., 16 Uhr, HkW 1; 21.1., 12.30 Zoo Palast 1. Ab 27. Februar im Kino