Köln. Wunderkammern und mehr: Im Wallraf-Richartz-Museum geht das Publikum auf eine Zeitreise durch die Kunst des Ausstellens und des Sehens.
Beim Museum of Modern Art (MoMA) in New York findet man im offenen Zugang 375.000 bestens aufgelöste Bilder zur freien Benutzung, im Online-Zugang des Amsterdamer Rijksmuseums finden sich gleich doppelt so viele Objekte zum Anschauen. Schon das zeigt, dass das Museum von gestern nicht das Museum von heute und schon gar nicht das von morgen ist. Das MoMA wird jährlich von zwei Millionen Menschen in New York besucht – und von zwölf Millionen im Netz.
Das „Museum der Museen“: Wunderkammern und Video-Animationen im Wallraf-Richartz
Und so lässt das letzte Ausstellungsstück in der jüngsten Sonderschau des Kölner Wallraf-Richartz-Museums sogar den Gedanken keimen, dass viele Reisen zu Museen bald überflüssig werden könnten: Der „Museumsnavigator“ des Künstlers Ingo Günter versammelt mit QR-Codes auf einer Glaskugel die bedeutendsten Museen der Welt. Als Blickmagnet gibt es eine elegante, exzellent produzierte Video-Animation dazu: Ein Igelfisch landet am Südseestrand, Antilopen-Skelette springen – eine digitale Evolution, und man beginnt zu ahnen, welche Bildmacht in Museen auch jenseits von Kunstwerken steckt.
Die Reise durch die Geschichte der Museen beginnt bei den Wunderkammern des 16. bis 18. Jahrhunderts, die alles versammelten, was Menschen damals staunen ließ: Ausgestopfte Krokodile und prunkvolle Trinkbecher, Sternenuhren und Kristalle, Haifischzähne und seltene Bücher. Schon bald schälte sich das Kunstmuseum als eigene Gattung heraus, und der Namenspatron des Hauses, der Kölner Priester, Universitätsrektor, Kunstkenner, Gelehrte und Sammelwütige Franz Ferdinand Wallraf (1748-1824) gab nicht wenig Impulse zu jenem Museum, das wir heute kennen. Niemand hat in Zeiten der napoleonischen Besatzung so viel Kunst gerettet wie er. Sein 200. Todestag gab den Anstoß zu dieser Ausstellung. In deren Katalog machen sich am Ende 15 Museumsspitzen, Künstler und Fachleute (darunter auch der Düsseldorfer Kunstpalast-Chef Felix Krämer und die künftige Chefin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Marion Ackermann) Gedanken über das Museum in zehn Jahren machen, also darüber, was neu sein wird darin und was wegfällt.
Eine schöne Augenreise ist allerdings die Ausstellung. Wie eng man die Bilder im 18. und 19. Jahrhundert gehängt hat! Die Wände waren vollgestopft, Rahmen stieß an Rahmen. Und das war nicht nur in Petersburg üblich, das dieser Hängung den Namen gab, sondern allerorten. Die Moderne hält mit dem 20. Jahrhundert, in Köln zumal, gleich doppelt Einzug: Da sind die neuen Impressionisten – und sie hängen nur noch in Augenhöhe. Und in Reihe statt über-, durch- und untereinander. Dies gibt dem Museum die schöne Gelegenheit, mit seinen Glanzstücken wie Gauguins „Reitern am Meer“ oder van Goghs „Zugbrücke“ zu renommieren. Mit Karikaturen von Honoré Daumier schließlich lässt sich lästerlich lachen über männliche wie weibliche Museumsbesucher und Missgunst unter Künstlern.
Das Zufalls-Museum als „Zirkus“ von John Cage: „Rolywholyover“
Der Clou der Schau ist allerdings eine Idee des eher für seine Kompositionen berühmten John Cage (1912-1992), der er den (von James Joyce ausgeliehenen) Titel „Rolywholyover“ gab: Man nehme dazu je ein zufällig ausgewähltes Ausstellungsstück aus diversen Museen und versammle sie in einem Raum, wo sie ebenfalls ständig ihren Standort wechseln. Cage nannte das recht zutreffend einen „Zirkus“, und man stellt in diesem Raum den Unterschied zwischen „interessant“ und „einleuchtend“ fest: Das Sehen wird zum reinen Spektakel, es fehlt ihm, so witzig und unterhaltsam es sein kann, eine Bedeutung, ein Sinn, den das Publikum wohl immer noch gern erkennen können möchte. Man bekommt allerdings eine Ahnung von der Mannigfaltigkeit der Welt – und wird daran erinnert, dass man im Museum das Meiste nicht sieht, vom Museumsbestand wie auch von der Welt.
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„Museum der Museen“. Wallraf-Richartz-Museum Köln, Obenmarspforten. Bis 9. Februar. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr; geschlossen an Heiligabend, 1. Weihnachtstag, Silvester, Neujahr. Eintritt: 11 €, erm. 8 €. Der sehr reflektierte Katalog aus dem Wienand Verlag kostet im Museum 32 €.