Köln. Der Impressionismus fiel vor 150 Jahren nicht vom Himmel. Das Museum in Köln zeigt, wovon er sich abheben wollte – mit Meisterwerken.

„Impressionist“ war 1874 noch ein Schimpfwort. Die Kunst-Rebellen, die man so bezeichnete, waren vom tonangebenden Pariser Salon abgelehnt worden. Weil sie nur Momente zeigten, nicht aber die ewige Schönheit der Kunst.

Impressionismus im Riesen-Format: Claude Monets „Frauen im Garten“.
Impressionismus im Riesen-Format: Claude Monets „Frauen im Garten“. © DPA Images | Oliver Berg

Der Salon bestimmte seit zwei Jahrhunderten mit königlich-staatlicher Unterstützung den Geschmack. Dort hingen die Gemälde Rahmen an Rahmen, und in den sechs Ausstellungswochen defilierten manchmal mehr als eine Million Menschen vorbei, aus allen Schichten des Volkes. Maler, die es hierher geschafft hatten, waren gemachte Leute.

Aber von den über 5000 Werken, die 1874 eingereicht wurden, lehnte die gestrenge Jury weit mehr als die Hälfte ab. Aus diesen abgelehnten Bildern formierte sich die Ausstellung der „Anonymen Gesellschaft“, die noch vor Beginn des Salons eröffnet wurde und für Schimpfkanonaden sorgte – es war die Geburtsstunde dessen, was wir heute Impressionismus nennen.

Modischer Orientalismus in den Gemälden „Ausflug des Harems“ von Jean Léon Gérôme (links) und „Ägypter“ von Laurent Bouvier. Die Ausstellung „1863 - Paris - 1874: Revolution in der Kunst“ ist im Wallraf-Richartz Museum zu sehen.
Modischer Orientalismus in den Gemälden „Ausflug des Harems“ von Jean Léon Gérôme (links) und „Ägypter“ von Laurent Bouvier. Die Ausstellung „1863 - Paris - 1874: Revolution in der Kunst“ ist im Wallraf-Richartz Museum zu sehen. © DPA Images | Oliver Berg

Angesichts der Übermacht des Impressionismus-Tempels Musée d’Orsay in Paris (das Ende März mit der großen Schau „Erfindung des Expressionismus“ aufwartet) und US-amerikanischer Museen wagt es in Deutschland nur ein Museum, dem 150-jährigen Impressionismus-Jubiläum eine große Ausstellung zu widmen: Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln lässt mit seiner Ausstellung „1863 Paris 1874“ eine „Revolution in der Kunst“ Revue passieren: An deren Ende steht der Impressionismus als jener strahlende Sieger da, als den wir ihn heute kennen: Magnet für Millionen in den Museen der Welt, schier unerschöpfliches Reservoir für stimmungsvolle Kalendermotive und Arbeitsmaterial für mehr oder minder lehrreiche Kunstunterrichtsstunden.

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt: Der Impressionismus fiel nicht vom Himmel

Und wir sehen in Köln, dass der Impressionismus nicht vom Himmel fiel: Auch die Malerei, die vom Salon akzeptiert wurde, kannte hier und dort schon jene flirrenden Lichtflecken, jene schimmernde Auflösung von Linien und Konturen, die unser Herz im Nu, im Augen-Blick erobert – heute, da die Moderne von gestern ihren Schrecken längst verloren hat und manchen schon wieder allzu lieblich vorkommt.

Impressionismus par excellence: Alfred Sisleys „Brücke von Hampton Court“ (1874).
Impressionismus par excellence: Alfred Sisleys „Brücke von Hampton Court“ (1874). © Rheinisches Bildarchiv, Köln (Foto: Sabrina Walz) | Rheinisches Bildarchiv, Köln (Foto: Sabrina Walz)

Jedenfalls war die als „akademisch“ verschriene Salon-Kunst, wie sie nun in Köln präsentiert wird, ja nicht durch die Bank schon von gestern, sondern kannte wüst-erzählfreudige Atelier-Szenen mit genialer Lichtregie (Victor Giraud) oder sinnlichkeitsbebende Leinwände wie die von Alexandre Cabanel, dessen Venus noch heute mit Draht davor geschützt werden muss, dass sich allzu angezogene Hände nach der Ausgezogenen strecken.

Alfred Sisley und Berthe Morisot, Édouard Manet, Gauguin und Cézanne

Oder der „Hofnarr“ von Ferdinand Roybet, der rot aus dem Dunkel hervorglüht, mit Hunden an der Kette und zwiespältigem Mienenspiel. Gustave Courbet malte eine mythologische Szene wie das Bacchusfest im fließenden Sonnenuntergangslicht, François Millet ließ einen erschöpften Ackerbauern nach Luft schnappen, Narcisse Chaillou zeigte einen „Rattenverkäufer während der Belagerung von Paris 1870“ und Jean-Paul Laurens einen exhumierten Papst, über den nachträglich Gericht gehalten wurde. Auch der Salon, der doch das ewig wahre Schöne präsentieren sollte, probierte Extreme aus.

Impressionismus-Vorläufer: „Die Fischerinnen“ von  Eugène Boudin.
Impressionismus-Vorläufer: „Die Fischerinnen“ von Eugène Boudin. © Rheinisches Bildarchiv, Köln (Foto: Sabrina Walz) | Rheinisches Bildarchiv, Köln (Foto: Sabrina Walz)

Die Augenweiden dieser Ausstellung sind dann aber doch die Landschaften der Impressionisten. Der Schnee eines Alfred Sisley, der frösteln lässt. Die zum Heulen schöne Sommerwiese eines Monet, der atemberaubende „Hafen von Nizza“ von Berthe Morisot, der den Horizont beinahe über den oberen Bildrand hinausschiebt. Morisot, die allzu oft nur als Schwägerin von Édouard Manet gilt, ist hier als Malerin von Rang mit vier Bildern vertreten. Wir sehen frühe, impressionistische Gauguins und Cézannes und auch eine witzige Miniatur wie die stimmungsgenaue Wartezimmer-Szene beim Zahnarzt von Jean-François Raffaëlli.

Zur Ausstellung

1863 Paris 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus. Wallraf-Richartz-Museum Köln, Obenmarspforten. 15. März bis 28. Juli. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr. Jeden 1. und 3. Donnerstag bis 22 Uhr. Eintritt: 13 €, erm. 8 €, Gruppen (ab 10 Pers.): 11 €. Audioguide: 3,50 €. Führungen unter Tel. 0221/221-27380. Öffentliche Führungen: So 15 Uhr, Voranmeldung an der Museumskasse: 2 €. Katalog: 32 €.

Und nicht zuletzt jenen „Toten Torero“ von Manet, der noch heute den Atem stocken lässt, wegen seiner bestürzenden Perspektive. Der Maler schnitt ihn aus seinem ungleich größeren Bild „Episode aus einem Stierkampf“ aus, nachdem es wegen seiner extremen Raumtiefe Bild im Salon von 1864 stark kritisiert worden war. Es wurde umso mehr ein impressionistisches Meisterwerk vor der Erfindung des Impressionismus 1874. Wie er dann später aufblühte, zeigt nicht zuletzt die Sammlung des Hauses eine Etage unterhalb dieser Sonderausstellung.

Impressionistische Augenweide: „Der Strand von Sainte-Adresse“, wie Claude Monet, ihn 1867 malte.
Impressionistische Augenweide: „Der Strand von Sainte-Adresse“, wie Claude Monet, ihn 1867 malte. © bpk / The Art Institute of Chicago / Art Resource, NY | The Art Institute of Chicago