Essen. Weihnachten ist Märchenzeit. Bis heute erinnern Orte an die Sagen; etwa ein Brunnen in Essen. Er zeugt von einem Schatz, der nie gefunden wurde.

Dirk Sondermanns Faszination mit Märchen und Sagen startete in seiner Kindheit. Damals erzählte ihm seine Oma von einer Begebenheit im Ennepe-Ruhr-Kreis. Der junge Sondermann recherchierte und stellte fest: Die Sage war bisher nicht verschriftlicht. Mit 25 Jahren kam ihm schließlich die Idee, selbst ein Sagenbuch zu schreiben, seither hat er viele unter seinem Namen veröffentlicht.

Dafür zieht der Bochumer regelmäßig durch das ganze Ruhrgebiet und spricht mit Landwirten. „Was erzählt man sich hier für Geschichten?“, fragt er dann. Wir haben den Mann, den die WAZ in der Vergangenheit als „Sagenpapst des Ruhrgebiets“ bezeichnet hat, nach spannenden und weihnachtlichen Sagen im Ruhrgebiet gefragt. In seinem „Bochumer Sagenbuch“ oder den „Ruhrsagen“ gibt es mehr davon. Auch auf sagenhaftesruhrgebiet.de sammelt er ausgewählte Sagen.

Auch Autorin Monika Detering hat uns unterstützt: In ihrem Buch „Sagen und Legenden aus dem Ruhrgebiet“ hat sie mehr als 100 Erzählungen zusammengetragen, von Grubengespenstern und Heiligen, Werwölfen und Opfersteinen, Windmüllern und verfeindeten Rittern.

Bochum: Die Gefangene am Tippelsberg

Bis heute erinnert eine Steintafel am Bochumer Tippelsberg an den Riesen Tippulus.
Bis heute erinnert eine Steintafel am Bochumer Tippelsberg an den Riesen Tippulus.

Durch die Bochumer Landschaft zog einst ein Riese namens Tippulus. Mehrere Stunden streifte er durchs Grüne. Je weiter er lief, desto mehr schmerzten seine Füße. Frustriert ließ er sich mit dem Po voran auf den Weg fallen und zog seine Schuhe aus. Als er sie auskippte, rieselte Sand hinaus, große Steine rumpelten zu Boden. Das ging eine ganze Weile, bis polternd der letzte Stein aus dem rechten Schuh des Riesen fiel. Um Tippulus kehrte Ruhe ein. Ohne dass er es hätte vorausahnen können, hatten sich die Mitbringsel aus seinen Schuhen immer höher getürmt. Vor Tippulus war ein Berg entstanden: der Tippelsberg.

Hier hauste der Riese fortan glücklich und zufrieden, bis ihm eines Morgens gar Schreckliches zu den gigantischen Ohren kam: Die Wittenwiwer, eine unheimliche Horde unterirdischer Geister, hatten eine junge Mutter entführt. Nur wenige Tage zuvor hatte die Frau ein Kind zur Welt gebracht. In ihrer Verzückung hatte die Bäuerin glatt eine langjährige Tradition vergessen, die es Frauen zur Pflicht machte, nach ihrer Niederkunft einen Kirchgang zu vollziehen.

So zogen die Wittenwiwer, bekannt für ihre Frauen-strafenden Methoden, los, um die arme Mutter zu holen. In ihrer Kuhle hielten sie sie bereits viele Jahre zwischen Totengebeinen und Schädeln gefangen, bis sich Riese Tippulus gemeinsam mit seinem Freund, dem Riesen vom Stimmelsberg bei Haltern, aufbäumte.

Die beiden kämpften mit Steinen, Bäumen und Felsbrocken gegen die gespenstischen Wesen.  Fünf Tage und fünf Nächte boten sie sich eine erboste Schlacht – gerade lang genug für die Bäuerin, um aus der Wittenwiwerkuhle zu fliehen. Während sie sich zurück nach Hause schlich, drehte der Kampf am Tippelsberg: Der Riese vom Stimmelsberg machte sich aus dem Staub, für Riese Tippulus aber kam jede Flucht zu spät. Erschlagen von den Wittenwiwern hatte am Fuß des Tippelsbergs sein letztes Stündlein geschlagen.

Dank seines Kampfgeistes schaffte es die Bäuerin aus Riemke unversehrt zum Hof ihres Gatten, der sein Glück kaum fassen konnte: Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, galt sieben Jahre lang als verschollen, doch jenes glücklichen Tages kehrte sie lebendig zurück. Noch heute erinnert ein Fußabdruck auf dem Tippelsberg an den Riesen, ohne den der Weitblick von der Anhöhe unmöglich und die Bäuerin aus Riemke vermutlich in der Wittenwiwerkuhle gestorben wäre.

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Dortmund: Das Weihnachtswunder vom Silbersiepen

In Dortmund ist die Legende vom Silbersiepen bekannt - einer Quelle, deren Wasser über Nacht zu Silber wurde.
In Dortmund ist die Legende vom Silbersiepen bekannt - einer Quelle, deren Wasser über Nacht zu Silber wurde.

Dort, wo heute das Dortmunder Hochofenwerk Phoenix West zwischen Hochofenstraße und Emscher aufragt, strömte einst das Silbersiepen. Von dessen Wundern wusste ein Großknecht vom Gut Himpendahl zwei armen Bergmännern am Tage vor Weihnachten zu erzählen.

Er begegnete ihnen auf ihrem Fußmarsch zu einer Kräuterfrau, von der sie sich die Zukunft voraussagen lassen wollten. Die beiden Bergmänner waren sehr arm und erhofften sich eine positive Weissagung. Der Großknecht riet ihnen dringlich von ihrem Vorhaben ab: „Bleibt von der alten Hexe weg“, sagte er. Stattdessen sollten sie sich lieber vom Christwasser bedienen, vorbei mit aller Not und allem Elend.

Die beiden Bergmänner nahmen ihren Weggefährten nicht weiter ernst. Sie setzten ihren Marsch zur Wahrsagerin fort. Was spottete und schrie die Kräuterhexe, als sie ihr vom Christwasser erzählten! Das jagte die beiden Armen fort. Ohne die Künste der Alten zu beanspruchen, machten sie sich auf den Heimweg. Ihre Faszination für das Christwasser hatte die Wahrsagerin keineswegs im Keim erstickt, vielmehr hatte sie es entflammt. Die beiden beschlossen noch in derselben Nacht – der zum Heiligen Abend – loszuziehen.

Als sie die Glocken in dieser Nacht zur Uchte, dem Weihnachtsgottesdienst, läuten hörten, streiften sie los. Über den Wiesen im Emschertal lag ein dünne Schicht Frost, aber die eisige Kälte wollte dem Quell nichts anhaben: Es plätscherte silbrig im Mondschein. Die beiden Bergmänner füllten je eine Flasche am Quell auf, träge gluckerte das Wasser hinein. Gemeinsam brachen sie mit dem Siepenwasser im Gepäck zum Heimweg auf.

Als sie am Weihnachtsmorgen erwachten, trauten die beiden ihren Augen nicht. Das Quellwasser war in den letzten Stunden zu Silber geworden! Das Leid der beiden hatte fortan ein Ende und der Quell wurde allgemein bekannt als „Silber-“ oder „Wundersiepen“.

Gelsenkirchen: Der mitternächtliche Glockenschlag

Dank eines Pakts mit dem Teufel soll es in Gelsenkirchen gelungen sein, über Nacht Muränen aus Italien aufzutischen.
Dank eines Pakts mit dem Teufel soll es in Gelsenkirchen gelungen sein, über Nacht Muränen aus Italien aufzutischen.

Graf Egon herrschte einst über Schloss Berge bei Buer. So oft er mit Freunden und Bekannten Trinkgelage in seinem Gemäuer abhielt, so oft prahlte er mit seinem Reichtum. Er habe alles und könne sich jeden Wunsch erfüllen, soll der Graf oft gesagt und sein gesamtes Hab und Gut aufgezählt haben.

Zu seinen Bekanntschaften zählte ein Magister aus Buer. Auch er war häufig zu den Trinkgelagen eingeladen. Der Lehrer aber hatte die Arroganz des Grafen satt und sagte eines Abends: „Du bist gewiss reich und tischst viele leckere Speisen auf, aber eine Fischart habe ich auf deiner Tafel noch nie gesehen.“

Der Graf wollte unverzüglich wissen, von welchem Fisch der Bekannte sprach. „Die Muränen“, erklärte der, „kommen nur in Italien vor.“ Die um den Tisch versammelten Herren brachen in kräftiges Gelächter aus. Dass der Graf sich doch nicht alles leisten konnte, wonach ihm beliebte, brachte auch ihnen eine gewisse Genugtuung. Der Graf aber reagierte hochmütig.

Am Montag, seinem Geburtstag, werde er Muränen auftischen, versprach er. Noch am selben Abend, nachdem die Herrschaften dem Schloss den Rücken zugekehrt hatten, verzweifelte er an diesem Schwur. Bis Montag könne er unmöglich Muränen aus Italien auftreiben. „Es ist mir gleich, wer sie bringt, und wenn es der Teufel ist“, rief er schließlich in die Nacht hinein.

Unversehens klopfte es an der Tür. Der Teufel war gekommen, um seine Dienste zu erweisen: Bis Sonntagabend um Mitternacht wolle er Muränen bringen, vorausgesetzt, der Graf verschreibe ihm seine Seele. Der Schlossherr wollte sich zunächst nicht auf das teuflische Geschäft einlassen, rief den Satan dann aber doch zu sich zurück.

Seine Ehre erschien ihm in dieser Nacht wichtiger als seine Seele. Der Teufel und der Graf besiegelten den Pakt mit Handschlag. Eine Hoffnung blieb dem Grafen immerhin: Sollte es dem Teufel misslingen, die Muränen aufzutreiben, so sei er frei. Mit einem Blutströpfchen des Grafen und dessen Unterschrift in seinem Buch zog der Teufel von dannen.

Der Graf ging zu Bett und als er am anderen Morgen die Augen aufschlug, wollte er alles zurücknehmen. Der Pakt mit dem Teufel plagte ihn so sehr, dass er den Magister zu sich rief und Beichte ablegte. Der Lehrer versprach, dem Grafen zu helfen.

Während der Teufel also nach Italien flog, einige Muränen angelte und sich noch am selben Tag auf den Rückweg machte, wähnte sich der Graf in Sicherheit. Der Teufel frohlockte am Sonntagabend, im Glauben, er habe es geschafft. Gerade schwebte er über dem Teich des Schloss Berges, als die Kirchuhr schlug. Klong. Ein einziges Mal. Vor Wut ließ der Teufel sämtliche Muränen in den gräflichen Teich fallen. Er kam zu spät, Mitternacht hatte er um eine Stunde verfehlt.

Der Graf konnte sein Glück kaum fassen. Als am anderen Morgen der Koch in seinen Gemächern aufkreuzte und ihn über seltsame Fische im Teich informierte, verlor er völlig die Fassung. Der Magister bestätigte schließlich: Muränen, direkt aus Italien. Der Lehrer klärte das Wunder denn auch auf. Der Küster habe auf sein Zutun hin die Turmuhr eine Stunde vorgestellt. Am Abend konnte der Graf seinen Geburtstag als freier Mann begehen und seine Gäste mit Muränen als Hauptspeise verzücken.

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Ruhrgebiet: Die rettenden Kirschzweige

Bis heute sind die Barbarazweige im Ruhrgebiet bekannt - ein Bergmann soll sie als erstes zum Blühen gebracht haben.
Bis heute sind die Barbarazweige im Ruhrgebiet bekannt - ein Bergmann soll sie als erstes zum Blühen gebracht haben.

Zur Adventszeit schmücken noch heute vielerorts Kirschzweige die heimischen Esstische im Ruhrgebiet. Den ersten weihnachtlich-blühenden Kirschzweig soll ein Bergarbeiter sein Eigen genannt haben. Er hörte auf den Namen Gottlieb Bäumer. Nachdem Gottlieb viele Jahre hart im Stollen geschuftet hatte, fand er eines Tages keine Kohle mehr. So entschlossen er auch auf das Gestein eindreschte, kein Körnchen Kohle offenbarte sich. Der Bergarbeiter stand der Verzweiflung nahe: Eine Pleite jagte die nächste. Wenn er nicht bald einen Kohleschatz fände, bliebe seine Familie ohne Brot.

Erschöpft und entmutigt ließ Gottlieb Bäumer seinen Kopf und die Schultern hängen. Der Teufel sah die Not des Mannes und näherte sich ihm in Gestalt eines Kollegen. Sein Angebot: Er helfe Gottlieb, ein Kohlequell zu finden, wenn der ratlose Bergarbeiter ihm in sieben Jahren seine Seele verschreibe. Gottlieb erschraken diese Worte, der Pakt schien ihm unmöglich. Doch je länger er dort unter Tage mit dem Teufel höchstpersönlich ausharrte, desto mehr knickte er ein. Der Satan zog schon bald mit einem Blutstropfen des Bergarbeiters davon.

Er hielt sein Wort, gleich am nächsten Tag schaffte er Stein um Stein aus dem Stollen. Als Lichtquell dienten ihm seine glimmenden Augen, mit denen er schon bald Kohle erspähte. Der Teufel schuftete so fleißig, dass Gottlieb die Säcke voll schwarzem Gold mithilfe eines Knappen zu Tage fördern musste.

Der Bergarbeiter wurde zum reichen Mann. Doch der Pakt mit dem Teufel plagte ihn von Tag zu Tag mehr. Eine Menge Dukaten und Taler blechte er für Wein und Bier, mit dem er seine Sorgen betäubte. Doch Gottlieb blieb sich dennoch treu. Für andere Bergarbeiter wurde er schon bald ein großzügiger Gönner, der ihre Not erkannte und ihnen mit Kohle und Talern aushalf.

Als Gottlieb immer seltener an den teuflischen Pakt dachte, stand der Satan plötzlich wieder vor ihm. Mit dem blutrot unterschriebenen Vertrag wedelte er vor den Augen des reichen Bergarbeiters. „Sieben Jahre sind um. Deine Seele gehört mir!“, drohte er. Der Vater wusste es besser: „Heute ist Barbaratag“, sagte er. Erst in drei Wochen war der Teufel berechtigt, seine Seele zu holen. „Komm am Heiligen Abend wieder“, befahl er. Den Satan machte das rasend. Doch Gottlieb ließ sich nicht beirren: „Bis Heiligabend wird sich alles finden. Mit Gottes Hilfe gibt es immer noch Rettung.“

Da griff der Teufel in einen Kirschbaum und riss ihm einige Zweige aus. „Nimm diese dürren Zweige.“ Er warf sie dem Bergarbeiter vor die Füße. „Ist dein Gott dir wirklich treu, so lässt er sie mitten im Winter am Heiligen Abend blühen. Dann will ich ohne deine Seele fortziehen.“ Mit diesen Worten verschwand der Teufel so plötzlich, wie erschienen war.

Gottlieb aber schleppte sich geknickt nach Hause, alle Hoffnung war aus ihm gewichen. Da erhellte sich alles um ihn herum und ein wunderschönes Mädchen stand vor ihm. Es trug ein weißes Leinengewand und hörte auf den Namen Barbara, wie die heilige Schutzpatronin der Bergleute. Wohlgesinnt wandte sich die Heilige an Gottlieb und schalt ihn dafür, sich mit dem Bösen eingelassen zu haben. Doch sie habe auch gesehen, dass er Gutes getan habe und wolle ihm helfen: „Gehe heim und stelle die Zweige in einen mit Wasser gefüllten Krug. Bald werden sich Blüten und Blätter im Überfluss zeigen.“

Hoffnungstrunken tat Gottlieb wie ihm geheißen. Und siehe da: Wenige Tage später öffneten sich die Knospen an den Zweigen trotz der Kälte. Als der Bergarbeiter sie dem Teufel am Heiligen Abend am vereinbarten Treffpunkt überreichte, trieb er den Satan damit fast zur Weißglut. Aus seinem Pferdefuß, den er wütend zu Boden stampfte, glimmten feurige Funken.

Mit seinen Krallen fasste er Gottlieb im Nacken. Wie versteinert stand der Bergarbeiter und hoffte auf Erlösung. Da ertönte ganz sanft der Klang eines Glöckchens. Immer mehr Glocken stimmten ein, bis sie das ganze Ruhrtal mit Weihnachtsgeläut füllten. Der Griff um Gottliebs Nacken löste sich, der Teufel war wie vom Erdboden verschluckt. Gottlieb aber lebte noch viele glückliche Jahre. An jedem Barbaratag stellte er Kirschzweige in einen Krug und sah sie Jahr um Jahr erblühen.

Mülheim: Der Bopp von Broich

Der Bopp von Broich soll ein habgieriger, fieser Mann gewesen sein.
Der Bopp von Broich soll ein habgieriger, fieser Mann gewesen sein.

Im Schloss Broich hauste einst der Amtsmann Bopp, fett und ziemlich verschlagen soll er gewesen sein. Er buckelte nach oben, um Geld einzutreiben und machte Geschäfte mit den Kriegsherren, die sich im Schloss eingenistet hatten. Spitze und gekrümmte Finger zeugten von seiner Habgier: Er speicherte in den Scheunen alles Korn, Stroh und Heu der freien Bauern, verkaufte es mit großem Gewinn an die französischen Herren und die Broicher Landleute konnten mit leeren Geldbeuteln und Wagen heimziehen.

Im Bannkreis Broich waren die freien Bauern und ihre Leute kaum noch vor der sehr harten Arbeit sicher. Tag und Nacht erschienen Bopps Diener und forderten die Bauern zu harter Arbeit auf. Bopp und seinem Gefolge war es einerlei, dass sich darunter auch viele alte Menschen befanden, die die harte Arbeit nicht mehr leisten konnten. Die Alten und Gebrechlichen verfluchten den Bopp, sie wünschten ihn zur Hölle, aber der Amtsmann half nur der feindlichen Besatzung, während seine Landsleute litten und darbten.

Erst nach sieben schrecklichen Jahren kam endlich der Friede ins Land. Das war im Jahr 1763. Und Bopp, der Schinder, starb. Die Bewohner des Ruhrtals atmeten auf. Woran er starb, ist nicht überliefert. Als aber sein Sarg vom Schloss hinunter zur Kirche an der Delle getragen wurde, flog ein böse krächzender Rabenschwarm hinter ihm her. Ein großer Rabe setzte sich auf das Kopfende des Sarges und pickte an das Holz. Vielleicht hat den Bopp auch der Teufel geholt. Heute noch, wenn im Dezember der eisige Wind um die Häuser heult und gegen die Scheiben drückt, hören so manche Kinder: »Still, still, Kinder, der Bopp geht um!« (Monika Detering: Sagen und Legenden aus dem Ruhrgebiet)

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Essen: Die Kapelle zum heiligen Ägidius an der Kluse bei Baldeney

Noch heute steht der Kapelle an der Kluse, um die sich viele Sagen und Geschichten ranken.
Noch heute steht der Kapelle an der Kluse, um die sich viele Sagen und Geschichten ranken.

Der Gräfin Isenberg wurde zugetragen, dass der heilige Engelbert von seinem Vetter ermordet worden war. Das traf die Gräfin besonders, denn sie war mit dem Mörder verwandt, der wenig später gehängt wurde. Die Gräfin grübelte, warum ihr Cousin zu der Tat fähig war und hatte das Bedürfnis, für seine Tat büßen. Sie verließ ihr Schloss, und wollte in die Einsamkeit, suchte für sich den richtigen Ort, um der Welt zu entsagen, sie wanderte an der Ruhr entlang und bei Rellinghausen blieb sie stehen.

Der große dichte Wald, der sich hier vor ihr auftat, schien fast unberührt, sie war überwältigt von der Stille, die sie empfing. Hier wollte sie bleiben und leben. Eine Kapelle wurde ihr gebaut und daneben eine Kammer oder Kluse zum Wohnen. In dieser ließ sich die Gräfin einmauern und ließ nur eine kleine Öffnung zu, durch die sie ihr Essen gereicht bekam. Die Zelle wurde ihr Ort der Einsamkeit, sie fastete und betete. Es gab einen Priester, der in der Kapelle die Messe las und die Gräfin tröstete. Sie starb in ihrer Kluse und wurde hier begraben. Die Kapelle blieb auch nach ihrem Tod erhalten, Wallfahrer beteten hier. Im Mittelalter kam die Pest in das Ruhrgebiet und viele Menschen starben. Die Kapelle wurde zu einem magischen Ort, Pilger strömten in ihrer Not herbei und alle flehten zu dem Nothelfer Ägidius, damit er die furchtbare Gefahr abwendete. Sogar die Äbtissin selbst soll sich im Jahr 1505, als in Essen die Pest ausgebrochen war, in die Klusen-Kapelle zurückgezogen haben.

Wetter: Die Geschichte vom Teufel und dem Fährmann an der Ruhr

An der Ruhr in Wetter soll einem Fährmann mal der Teufel begegnet sein.
An der Ruhr in Wetter soll einem Fährmann mal der Teufel begegnet sein.

Eines Abends erschrak der Fährmann sehr, der an der oberen Fähre in Wetter an der Ruhr seinen Dienst versah. Vom gegenüberliegenden Ruhrufer hörte er plötzlich: „Holl üöwwer!“ (Hol über!) Das hatte er schon an mehreren Abenden gehört. Als er auch heute herüberblickte, sah er einen sehr großen Mann dort stehen, der einen blauen Kittel und einen spitzen Hut trug.

Jedes Mal war der Fährmann ans andere Ufer gefahren und jedes Mal war niemand dort gewesen. Deshalb rief er ärgerlich zurück: „Wer ist da?“ Aber als Antwort kam nur wieder das: „Holl üöwwer!“ Nein, der Fährmann wollte sich nicht noch einmal zum Narren halten lassen und rief: „Erst sage, wer du bist, sonst komme ich nicht!“ Aber erneut war die Antwort: „Holl üöwwer!“ Des Fährmanns Geduld war am Ende und er schrie: „Dann schere dich in Gottes Namen, wohin du willst; ich hole dich nicht!“ In dem Moment, als die Worte in „Gottes Namen“ gefallen waren, verschwand die Gestalt unter wieherndem Geheule. Der furchtbar erschrockene Fährmann ließ sein Boot Boot sein, rannte nach Hause und berichtete zitternd, wer ihm begegnet war.

Essen: Der Schatz von der Sommerburg

Wurde niemals gefunden: Der legendäre Schatz von der Sommerburg.
Wurde niemals gefunden: Der legendäre Schatz von der Sommerburg.

Als einst die Sommerburg – eine herrliche Festung nahe des Essener Lührmannwalds – erobert wurde, brachten die Bewohner noch eilige ihren Besitz in Sicherheit. Vor der grausamen Erstürmung versenkten sie ihre gesamten Kostbarkeiten in einem nahe gelegenen Weiher; Geschmeide, Gold- und Silbermünzen und auch das goldene Spinnrad der Gräfin von der Sommerburg wurden darin versteckt. Viele Jahrzehnte blieb der Schatz verschwunden – so sehr sich die Bewohner auch bemühten ihn wiederzufinden. Gerüchte machten die Runde, der Teufel persönlich habe einen riesigen Stein über den Schatz gerollt.

Als ein junger und überaus habgieriger Bauer diese Geschichte hörte, machte er sich fortan täglich auf den Weg zum Gewässer – und erblickte in einer hellen Mondschein-Nacht schließlich den Stein. Schon am nächsten Tag zog er mit seinen Knechten und Pferden los, den Stein aus dem Wasser zu ziehen. In einem alten Zauberbuch hatte er zuvor gelesen, dass der Teufel nur überlistet werden kann, wenn in absoluter Stille gearbeitet werde. So herrschte also Schweigen, als die Pferde den Stein langsam aus dem Wasser zogen, bis ein Knecht triumphierend rief: „Jetzt haben wir ihn!“ Daraufhin erhob sich aus der Tiefe ein zorniges Grollen. Die Pferde gingen durch, die schweren Ketten rissen und der Stein stürzte noch tiefer in den Weiher.

Bis heute erinnert der Schatzgräberbrunnen auf der Essener Margarethenhöhe an die Geschichte – und eine Inschrift warnt vor Habgier. Der Text: „Grabt Schätze nicht mit Spaten, sucht sie in edlen Taten.“

Essen: Das Wachsame Hähnchen

In Essen ist das wachsame Hähnchen bekannt und bekam sogar ein eigenes Denkmal in der Innenstadt.
In Essen ist das wachsame Hähnchen bekannt und bekam sogar ein eigenes Denkmal in der Innenstadt.

Die Tochter des Bürgermeisters hatte an einem heißen Sommertag zu ihrer prächtigen Hochzeit geladen. Am Abend wurde in den Schenkstuben so kräftig gefeiert, dass selbst die Nachtwächter und der Turmbläser ihren Dienst nicht antraten. Vor den Stadttoren braute sich das Unheil aber schon zusammen: Eine 20 Mann starke Räuberbande erklomm zu früher Morgenstunde mit Seilen die Stadtmauer – scheinbar unbemerkt von den Bewohnern.

Nur der Hahn fühlte sich durch den Lärm der Räuber gestört und setzte protestierend zum Kikeriki an. Die Essener, gewohnt beim ersten Hahnenschrei aufzustehen, erwachten und es dauerte nicht lange, bis auch die Räuber entdeckt waren. Eilends ließ man die Glocken läuten, griffen die Schützen zu den Waffen und schlugen die Bande in die Flucht. Aus lauter Dankbarkeit feierten die Essener noch einen weiteren Tag und schenkten ihrem Retter, dem wachsamen Hähnchen, ein Leben in Freiheit – und das bis heute bestehende Denkmal auf dem Friedensplatz. Bis heute thront das wachsame Hähnchen dort auf einer Stele.

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