Duisburg. Bei der Premiere in der Deutschen Oper am Rhein inszeniert Regisseur Daniel Kramer „Prima La Mamma“ mit Atombusen in schrill-bunter Kulisse.
Auf eine harte Probe stellt die Deutsche Oper am Rhein die feinnervige Ironie von Gaetano Donizettis komischer Oper „Prima La Mamma“. Ob man den aufgeblasenen Atombusen der Titelfigur, die mächtigen Gemächte des Herrenchors oder kindlich bis kindisch anmutende Fights mit Schwimmnudeln amüsant empfindet, mag jeder Besucher für sich entscheiden. Regisseur Daniel Kramer lässt jedenfalls keine Berührungsängste mit platten Effekten und überdrehtem Klamauk erkennen. Auch nicht unterhalb sensibler Geschmacksgrenzen und Gürtellinien.
Donizettis turbulente Persiflage auf die Fallstricke des Theateralltags mit eitlen Primadonnen, untalentierten Sängern, technischen Pannen und weiteren Katastrophen spart zwar nicht an drastischen Übertreibungen. Allerdings entspringt sie eigenen schmerzlichen Erfahrungen und das unerwartete Ende wirft ein nachdenkliches Licht auf das gesamte Werk.
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Mit abenteuerlichen Umbesetzungen hat sich ein zusammengewürfeltes Ensemble zwar endlich zum Probenbeginn einer brutal-tragischen, um den „Raub der Sabinerinnen“ kreisenden Oper zusammengerauft, als die Nachricht einschlägt, alle Gelder der Stadt seien gestrichen und die Aufführung geplatzt. Hinter der clownesken Fassade verbirgt sich eine dicke Prise an Existenzangst, die der Regisseur zuvor überspielt, so dass der deprimierende Schluss wie ein angeklebter Appendix wirkt. Es ist doch kein Zufall, dass Donizetti der „Mamma“ das traurige „Lied von der Weide“ aus Rossinis „Otello“ in den Mund legt, womit er der Figur die hintergründigen Züge eines Harlekins verleiht.
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Mamma Aga walzt wie eine mit Ecstasy aufgeputschte Abrissbirne über die Bühne
In Duisburg dagegen walzt Mamma Agata, die als Helikoptermutter ihre Tochter mit allen Mitteln zur Rolle der Primadonna verhelfen will und ein heilloses Chaos anrichtet, wie eine mit Ecstasy aufgeputschte Abrissbirne über die Bühne. Das führt Scott Hendricks auch mit vollem Körper- und Stimmeinsatz eindrucksvoll aus. Die Chance, die mit einem Bariton besetzte Rolle der Mamma als Dragqueen zu präsentieren, lässt sich der Regisseur natürlich nicht entgehen. Und das tut er so schrill und bunt wie auch Bühnenbildner Justin Nardella und Kostümbildner Shalva Nikvashvili mit ihren comic-würdigen Dekorationen und Outfits.
Allzu sensibel geht auch Benjamin Reiners am Pult der Duisburger Philharmoniker nicht zu Werke. Immerhin sorgt er für Tempo und eine angemessene Begleitung der zusätzlich eingefügten Arien aus anderen Werken Donizettis. Einen Besuch lohnen auf jeden Fall einige vokale Glanzleistungen. Hier ist etwa Heidi Elisabeth Meier als Tochter Luigia zu nennen, die es mit ihrer erlesenen Legato-Kultur tatsächlich mit der „Primadonna“ Daria aufnehmen kann, deren artistische Koloraturen Slávka Zámečníková souverän bewältigt.
Am Ende der Premiere: einhelliger, wenn auch nicht enthusiastischer Beifall
Mit ihrem warmen Mezzo überzeugt Maria Polańska in der kleinen Rolle der Dorothea ebenso wie der Bariton Benjamin Pop als Procolo. Scott Hendricks in der Titelrolle hat gleich ein Bündel an Herausforderungen zu stemmen: elegante Parlando-Ketten, in den Arien lyrische und virtuose Qualitäten und jede Menge körperlichen Einsatz. Dass er bisweilen bewusst falsch singen muss, auch das ist schwieriger als es scheinen mag. Natürlich sind auch die zahlreichen kleineren Rollen vorzüglich besetzt, wie es sich für ein Haus gehört, das großen Wert auf seine Ensemblepflege legt.
Einhelliger, wenn auch nicht enthusiastischer Beifall für eine turbulente, etwas eindimensional überdrehte, aber vokal rundum überzeugende Produktion.
Spieldauer: ca. 2 ½ Stunden, eine Pause. Die nächsten Aufführungen im Theater Duisburg: am 22. und 30. November, 8., 21. und 31. Dezember sowie am 12. Januar. Weitere Informationen auf www.rheinoper.de.