Essen. Der Thriller-Autor, dessen Vorgänger „Die Toten von Marnow“ für die ARD verfilmt wurde, setzt die fesselnde Geschichte nun fort.

Rostock, Silvester 2016. Es beginnt mit einem Knalleffekt. Kommissarin Lona Mendt und ihr Kollege Elling, uns schon aus dem Vorgängerroman „Die Toten von Marnow“ vertraut, müssen eine Kronzeugin im Kindesalter beschützen, werden aber von scheinbaren Kollegen einfach abgeknallt und verschwinden vorerst im künstlichen Koma. Inzwischen muss ein Ersatzduo von LKA und Bundespolizei ans Werk gehen, um die Täter – und hinter ihnen ein bulgarisches Netzwerk von kriminellen „Kinderhändlern“ ­–  dingfest zu machen, all dies in Rostock oder drum herum.

Von jetzt an, also im neuen Roman „Finsteres Herz“ wird es etwas unübersichtlich, da der Erzähler auf zwei Zeitebenen – vor und nach der Jahreswende 2016/17 – beide Ermittlerteams abwechselnd einsetzt. Vermutlich soll dies die Spannung steigern, wir verspüren aber eher eine leichte Irritation und müssen immer wieder mal überlegen, wer jetzt grade in action ist…

Holger Karsten Schmidt schieb die Drehbücher für „Gladbeck“ und „Lost in Fuseta“

Aber gerade diese Technik verweist uns auf die Person des Autors. Holger Karsten Schmidt ist ein hochgeschätzter, mit mehreren Grimme-Preisen dekorierter Drehbuchautor. In Erinnerung bleibt sein halbdokumentarischer Spielfilm „Gladbeck“ über die spektakuläre Geiselnahme von 1988 (Deutscher Fernsehpreis 2018), beliebt auch die TV-Serie „Lost in Fuseta“ (unter dem Pseudonym Gil Roberto), zuletzt aber der Vier- bzw. Achtteiler „Die Toten von Marnow“ (2021), ein absoluter Renner im Ersten. Wenn man bedenkt, dass dem die Buchpublikation im Jahr 2020 vorausging, so ist zu vermuten, dass uns demnächst ein ARD-Mehrteiler „Finsteres Herz“ bevorsteht (tatsächlich schon für den 7. und 11. Dezember programmiert).

So gesehen ist Schmidt nicht nur ein exzellenter Drehbuchautor, sondern auch ein geschickter Vermarkter seiner Produkte. Aber hier interessiert ja die Qualität seiner Bücher. Und die liefern Spannung pur, egal ob die sich nun filmischer oder literarischer Technik verdankt. Schmidt kombiniert verschiedene Elemente, deren Zusammenspiel eine außergewöhnliche Spannung, suspense erzeugt – letztlich das Nonplusultra kriminalistischen Erzählens.

Holger Karsten Schmidt lässt in „Finsteres Herz“ sehr verschiedenen Typen ermitteln

Hintergrund der Handlung sind groß angelegte Verbrechen: Im ersten Band rückblickend die illegale Erprobung von „unfertigen“ Medikamenten in DDR-Kliniken für westliche Großkunden – fast alle namhaften Firmen – aus der Pharmaindustrie. Todesfälle sind „eingepreist“. Das Leid der Hinterbliebenen aber schreit nach Vergeltung…

In zweitem Band, wie gesagt, der grenzüberschreitende Kinderhandel, der oft zum Missbrauch führt. Sodann gibt es die Ermittler, vom Typ her ganz verschieden – der biedere Familienvater Elling, die geheimnisvolle Einzelgängerin Mendt –, ­und weitere Nebenfiguren. Alle ebenso überzeugend charakterisiert wie auch die Schauplätze, seien sie authentisch oder gut erfunden.

Wo schlägt eigentlich das „Finstere Herz“ des Titels bei Holger Karsten Schmidt?

Ein paar Kleinigkeiten kann man immerhin bemäkeln: Vielleicht den üppigen Handfeuerwaffengebrauch, auch die Neigung zum nachgeschobenen Happy End, was die Hauptfiguren angeht (schon im Vorgriff auf einen dritten Band?). Und wo schlägt denn das „Finstere Herz“ des Titels? Nur von ferne erinnert es an „Das Herz der Finsternis“ vom großen Joseph Conrad, aber da sind wir dann doch in einer ganz anderen Liga.

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Kurz und bündig: Wer einen Spannungsroman sucht, der beim Lesen ­– auch unter Vernachlässigung aller Alltagspflichten – niemanden mehr loslässt, ist bei Schmidt absolut richtig. Aber dann bitte alle zwei Bände!

Holger Karsten Schmidt: Finsteres Herz. Ein Fall für Lona Mendt und Frank Elling. Roman, Kiepenheuer & Witsch, 463 S., 17 €.