Essen. Nach fünf Büchern mordet Björn Diemel jetzt auch auf Netflix. Achtsam natürlich. Ausgedacht hat sich die Figur ein Autor aus Essen.
Gleich zu Anfang bremst er auf dem Bildschirm sogar für eine Schnecke. Weil er ja „kein gewalttätiger Mensch“ ist. Geschlagen hat sich Björn Diemel auch noch nie. Und den ersten Mord hat er auch erst mit 42 Jahren begangen. Quasi aus Versehen. Aus Notwehr. Weil es einfach nötig war. So wie die anderen auch. So viele, dass es bisher für fünf Bücher gereicht hat. Und jetzt auch für eine achtteilige Serie bei Netflix. Herzlich willkommen bei „Achtsam Morden“.
Rechtsanwalt mit Hang zur TV-Unterhaltung
Ursprünglich ausgedacht hat sich das Ganze ein Mann, der aus Essen stammt. Karsten Dusse – gesprochen, trotz Ruhrgebiet, Karsten Düss. „Hugenottische Vorfahren“ erklärt er.
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Miet- und Eigentumsrecht und Hang zur TV-Unterhaltung ist er. Das eine hat er in Bonn und Lausanne studiert, das andere lieben gelernt, als er bei einer Aktion der WAZ vor fast 30 Jahren Hans Meiser eine Woche bei der Produktion seiner Shows auf Mallorca begleiten darf. Er sei „unter südlicher Sonne zu Höchstleistungen fähig“, preist sich Dusse damals an, muss aber anfangs dennoch Kabel tragen.
Trotzdem kommt er auf den Geschmack, wird Radiomoderator, vertritt fiktive Mandanten bei Verhandlungen von „Richterin Barbara Salesch“ oder fordert als Rechtsexperte auf Vox „Verklag mich doch“. Hinter den Kulissen ist er Chefautor für Anke Engelkes „Ladykracher“ und andere Comedy-Shows. Das bringt ihm sowohl den Deutschen Fernseh- und den Comedypreis ein, als auch eine Nominierung für den Grimme-Preis.
19 von 20 Verlagen gefielt die Idee nicht
Er hätte so weiter machen können, aber irgendwann hat er genug von kurzen Gags und schnellen Witzen. Er will vom „100-Meter-Lauf zum Marathon“, will einen Roman schreiben. Und nach einem feuchtfröhlichen Abend in einer Kneipe auf der Insel Fehmarn weiß er auch welchen. Auf den Schmierzetteln erwacht ein Rechtsanwalt namens Björn Diemel zum Leben, der auf Druck seiner Ehefrau ein Achtsamkeits-Seminar besucht. „Habe ich selbst auch mal gemacht“, erzählt Dusse. Zum Glück weniger folgenreich als im Buch. Darin nämlich sind wenig später sechs Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben und Diemel leitet eine Verbrecherorganisation, weil er sich streng an die Achtsamkeitsregeln gehalten hat. Mittlerweile haben sich die Bücher millionenfach verkauft. Was nicht schlecht ist für eine Idee, die 19 von 20 Verlagen einst ablehnten, weil sie „in keine Schublade“ passe.
Nun ist sie in Serie gegangen. Und sie hält sich meist ziemlich eng an die Vorlage, übernimmt sogar viele der Ratschläge des Entspannungstrainers Breitner (Peter Jordan), den Björn Diemel aufsucht, um zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance zu kommen. Stattdessen mutiert er nach und nach zum neuen Kopf eines Verbrecher-Syndikats. Dabei will er eigentlich nur einen Kindergartenplatz für seine Tochter.
In die Rolle des mordenden Juristen ist Tom Schilling geschlüpft. Er mag nicht der Mann sein, der einem beim Lesen sofort in den Sinn gekommen ist, aber schon nach kurzer Zeit vor dem Bildschirm, stellt man fest: Schilling ist keine schlechte Wahl, so wie er den nervösen, gehetzten Advokaten spielt, der nach und nach immer achtsamer und damit entspannter und cooler wird. Obwohl um ihn herum alles zu explodieren droht. Wie überhaupt - von Mafia-Boss Dragan Sergowicz (Sascha Gersak) über Gangster Sascha (Murathan Muslu) und Hitzkopf Toni („Discounter“-Chef Marc Hosemann) bis zu Ehefrau Katharina (Emily Cox) - alle Figuren gut besetzt sind.
„Achtsam Morden“: Witzig aber keine Comedy
„Achtsam Morden“ ist unterhaltsam und witzig, schlägt die gleiche Tonalität an, wie die Bücher. Eine Comedy ist es nicht und erst recht keine Klamotte. Der Humor ist schwarz und makaber. Und so leicht die Serie auch daher kommt, sie hat sie ihre blutigen, harten Momente, auch wenn sie viele Details nicht so brutal schildert, wie das Buch. Die Handlung hat Tempo und wird von Folge zu Folge spannender, selbst wenn man die Vorlage kennt. Das Ende, so viel darf man verraten, ist offen. Das war erwartbar und ist gut so. Gibt ja noch vier Bücher, die man verfilmen kann.