Essen. Marianne Menze gibt nach über 50 Jahren im Kinogeschäft Filmkunsttheater und Lichtburg in jüngere Hände. Ein Blick zurück und nach vorn
„Nun ist aber langsam mal gut“, sagt Marianne Menze nach all den Glückwünschen zum Großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, der ihr am 6. November verliehen wird. „Nicht falsch verstehen“, schiebt die 75-Jährige hinterher. „Ich freue mich über alle Auszeichnungen. Beim Bundesverdienstkreuz hat sie noch ungläubig gemeint: „Wofür? Für Kultur?“ Genau. Für ihre herausragenden Verdienste um die Kinokultur. Immerhin hat sie mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Hanns-Peter Hüster in mehr als 50 Jahren die Lichtburg und fünf Filmkunsttheater in Essen und Mülheim erhalten können. Warum sie jetzt die Zukunft der Kinos in jüngere Hände gelegt hat, erzählt sie hier.
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Gern stehen Sie bei Preisverleihungen nicht im Mittelpunkt. Sie tun es für die Kinos. Gibt es einen Preis, der Ihnen besonders wichtig ist?
Von den Filmverleihern eine Anerkennung zu bekommen, war schön. Und der Herbert-Strate-Preis, weil das eine Auszeichnung ist, die in der Kino-Branche sehr anerkannt ist. Gedacht wird da meistens an die Rettung der Lichtburg. Ich sage dann immer: Vergesst nicht das Filmstudio, das älteste ursprünglich erhaltene Kino in NRW, das durch Bürgerinitiative gerettet wurde.
Sie erhalten mit dem Sparkassen-Preis 30.000 Euro in die Hand gedrückt. Was machen Sie damit?
Mit unserem Kernteam und Leuten, die bei der Rettung der Kinos aktiv waren, ihre Freizeit, ihr Wissen, ihre Fähigkeiten geopfert haben, schön essen gehen. Und jemanden, der hier finanzielle Probleme hat, unterstützen. Sollte etwas übrig bleiben, könnten wir das dem Kino-Verein spenden. Wir beraten das noch im Team.
In unserem Gespräch zum 95. Geburtstag der Lichtburg im vergangenen Jahr deuteten Sie ihren Rückzug aus dem täglichen Geschäft an. Wie oft gehen Sie noch ins Büro?
Ich komme noch, wenn ich gebraucht werde. Nicht täglich. Nur, um alte Kontakte zu pflegen. Um Schauspieler und Regisseure bei Premieren zu treffen und die halbe Nacht zu quatschen und um Verbindungen fortzuführen.
Gab es einen Plan, wie der Rückzug aussehen sollte?
Ich hatte keinen festen Plan. Ich wollte es machen, solange es Spaß macht und die Gesundheit mitmacht. Vor Jahren hatten wir schon jemanden gefunden, der Ahnung vom Kino hat, und die Lichtburg und die Filmkunsttheater in Essen und Mülheim weiterführen sollte. Als Corona kam, änderte sich einiges. Derjenige hat die Absprachen platzen lassen. Dann kamen Oliver und David zu mir, zwei Mitarbeiter, die schon eine Weile hier arbeiten, und sagten: Wir machen das, wenn Sie uns noch ein wenig begleiten. Ich war ganz froh darüber, bevor irgendwelche Konzerne das übernehmen. Anfragen gab es schon.
Essener Kino-Chefin ernennt zwei Mitarbeiter zu neuen Geschäftsführern
Oliver Flothkötter (33) und David Schreiber (39), beide Medienwissenschaftler, sind seit Sommer 2024 die neuen Geschäftsführer der Essener Filmkunsttheater GmbH. Was zeichnet die beiden aus?
Sie sind jung, sehr enthusiastisch, sie haben Ahnung. Seit 2023 habe ich ihnen mehr und mehr Aufgaben übertragen und sie einbezogen in die Planung der Filme, die verwaltungstechnische Arbeit, die Kontakte zu Filmverleihern. Oliver hat sich als Programmkurator eingebracht. David ist mehr für den kaufmännischen Bereich. Ich gebe ihnen Feedback und sage ihnen: Ihr seid jetzt die Macher der Lichtburg. Dem Oberbürgermeister habe ich sie schon vorgestellt.
Jan Josef Liefers in der Lichtburg
Mit „Alter weißer Mann“ ist Jan Josef Liefers alias Rechtsmediziner Professor Boerne aus dem Münsteraner „Tatort“ wieder komödiantisch unterwegs. Am 31. Oktober, 20 Uhr, stellt er seinen neuen Kinofilm mit Meltem Kaptan („Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“) in der Lichtburg vor.
Oliver Flothkötter, neben David Schreiber der neue Geschäftsführer der Essener Filmkunsttheater und der Lichtburg stellt Simon Verhoevens Film und die anwesenden Gäste vor. Im Anschluss ist ein Gespräch geplant.
Karten (12 Euro) telefonisch unter 0201 23 10 23 oder online auf https://filmspiegel-essen.de
Welche Funktionen bleiben Ihnen noch?
Fakt ist: Ich bin die Betreiberin, die alleinige Gesellschafterin der GmbH. Noch bin ich die, die das Sagen hat.
Warum jetzt der langsame Rückzug?
Damit diese Kinos, für die Du gekämpft hast, noch zwanzig, dreißig Jahre existieren. Ich muss zurücktreten, damit Jüngere innovativ sein können und weitermachen. Man kann nicht mit 80, 90 modernes Kino machen. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Ich stelle ihnen die Gleise, aber sie wissen, dass ich zu diesem Haus gehöre. Die wichtigen Posten sind noch mit langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt. Das hilft.
Als Sie in die Kinobranche eingestiegen sind, gab es in erster Linie Sie und Hanns-Peter Hüster, in den Sie sich verliebt hatten. Wie sind Sie Kinobetreiberin geworden?
Es war „Learning by doing“ – nicht nur für mich, für alle, die damals Programmkino machten. Ich war 23, hatte ein paar kaufmännische Gene geerbt und eine Leidenschaft fürs Kino. Die Galerie Cinema, die Peter damals führte, war klein und übersichtlich. Ich arbeitete als Gymnastiklehrerin und bin über den privaten Kontakt immer mehr eingestiegen.
Wie in Essen ein kleines Kino-Imperium um Hüster und Menze gewachsen ist
Wie sah das aus?
1980 stand das Eulenspiegel zum Verkauf. Peter zögerte, weil das ein großer Schritt war, von 43 auf damals 400 Plätze. Ich riet ihm dazu und sagte: Wir schaffen das, ich helfe dir dabei. Ich machte alles, was anfiel. Das reichte vom Kartenverkauf über das Dekorieren, Moderieren, Programme zusammenstellen und verschicken bis hin zum Klo putzen.
Waren Sie immer so mutig wie bei dieser Übernahme?
Als Kind war ich ein halber Junge. Ich hatte Steifftiere und war viel auf der Straße. Ich war widerborstig und wollte mich als Mädchen nicht steuern lassen.
Haben Sie auch dazu geraten, als es um das Filmstudio Glückauf, das Rio in Mülheim, das Astra und schließlich die Lichtburg ging?
Die Geschichte des Filmstudios war bezeichnend. Er erzählte mir, dass das historische Kino vermietet wird. Ich wollte eigentlich nicht. Doch er insistierte: Nicht, dass das eine Spielhalle wird. Und zack hatte er das Kino am Bein. Ihm wurden immer wieder Kinos ans Herz gelegt und wir konnten uns nicht vorstellen, dass da kein Projektor mehr läuft.
Ein kleines Kino-Imperium ist entstanden und damit ein Lebenswerk. Sind Sie stolz darauf?
Ich bin nicht stolz. Ich bin froh, dass es für mich so gelaufen ist und dass wir mit unserer Kino-Beklopptheit diese Kinos für künftige Generationen erhalten konnten.
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