Düsseldorf. .

Ellen von Unwerth gehört zu den bekanntesten, einflussreichsten Fotografinnen - und ist nicht nur wegen ihres kühlen und sublim erotischen Fotostils bekannt. Jetzt zeigt das Düsseldorfer NRW-Forum Arbeiten aus einer Berliner Szene-Disco.

Wer die Wowereit-Weisheit vom Berlin, das arm aber sexy ist, überprüfen will, der kann im Düsseldorfer NRW-Forum Zweifel, aber auch Bestätigung bekommen. Die für provokante Modeproduktionen bekannte Ellen von Unwerth zeigt ihre Fotoserie „Berlin bei Nacht“ nämlich als glamouröses Fashion-Fest in Prada und Dolce & Gabana, garniert mit dem Schmuddel-Chic eines heruntergekommenen, zum Tanzclub umfunktionierten Heizkraftwerks in Berlin-Mitte.

Vier Tage sind sie dafür in die Dunkelheit der Kultdisco „Tresor“ abgetaucht. Topmodels wie Lydia Hearst und Coco Rocha, Visagisten und Hair-Stylisten und Ellen von Unwerth, die als Nummerngirl im Roncalli-Zirkus angefangen hat, bevor sie in den Mode-Manege umzog. Die selber ein Topmodel war, bevor sie 1989 als Fotografin in einer hübsch geratenen Blondine namens Claudia Schiffer die neue deutsche Bardot entdeckte und in Nadja Auermann ein Mädchen auf dem Weg zum Model-Weltruhm.

Lust am Farbenrausch und an burlesken Szenen

Seither zählt das einstige Waisenkind aus dem Allgäu neben Bettina Rheims zu den großen Lichtbilderinnen feministischer Erotik. Zu den wenigen Fotografinnen, die männlichem Verlangen ohne weibliche Verlegenheit begegnen und Entkleidung nicht zwangsläufig mit Entblößung verbinden. Ihre Modelle preisen den Humor, die Lockerheit und Fantasie der mittlerweile 56-Jährigen, die so ungemein erfolgreich ist mit ihrer circensischen Übertreibung, ihrer Lust am grellen Farbenrausch und den burlesken Szenen, mit ihrem Gespür, freche Vamps und Madonnen der Verführung in einer Person zu vereinen.

Ellen von Unwerth im Museum zu präsentieren, das ist deshalb ein Foto-realistischer Traum für Werner Lippert, Leiter des Düsseldorfer NRW-Forums, und für die Haar-Experten von Schwarzkopf, die die Foto-Sause in Auftrag gegeben haben, auch wenn die Frisur von morgen hier wohl erst beim zweiten Hinsehen interessant wird. Nur die Fotografin hat anfangs gezweifelt: „Mit einer Werbe-Kampagne ins Museum? Das mach ich nicht!“

Eine Welt von Licht und Schatten, von Lippenstift und Lackstiletto

Schließlich hat man ihr doch bewiesen, dass im Ausstellungs-Haus am Rhein vieles geht und sogar gut. So taucht man nun eine Etage über den Bulli-Bildern des lakonischen-nüchternen Steven Shore ein in eine Welt von Licht und Schatten, von Lippenstift und Lackstiletto, wo die Münder so weit geöffnet sind wie die knappen Lederbustiers und Männer bestenfalls als Staffage auftauchen.

Und so unbekümmert, wie sich von Unwerth in dem Bereich zwischen Porno und Modepose bewegt, so spielerisch bewegt sie sich nun mit ihren Berlin-Bildern zwischen Kunst und Konsum, zwischen Inszenierung und Momentaufnahme. Man könne einer Kamera-Künstlerin dieses Kalibers ja ohnehin keine Vorschriften machen, hieß es gestern aus dem Haus Schwarzkopf.

Ruppig-kühle Erotik, provokant-progressiver Styling-Schock

So gerät die übersichtliche 33 Bilder umfassende Ausstellung zur schillernden Szeneschau mit Gelegenheit zum vergnüglichen Rätselraten: Ob die Werbung vielleicht da aufhört, wo die Wimperntusche endgültig zu schmierigschwarzen Tränenteichen verschwimmt? Oder erst bei den grandios ausgeleuchteten Schwarzweißbildern, für die eine Stripperin Model gestanden hat.

Gut möglich, dass man diese kühl-ruppige Erotik, diesen provokant-progressiven Styling-Schock noch wirkungsvoller erlebt im wummernden Techno-Takt, zu dem die Bilder entstanden. Morgens, wenn die letzten Nachteulen am „Alex“ nach Hause streunten und das Fototeam im „Tresor“ einzog, zum Tanz zwischen kalten Betonwänden, mit ihren abgelebten Alltags-Spuren und den Graffitis.

Zur Vernissage war gestern Abend jedenfalls nicht nur die Fotografin, sondern auch eine Berliner DJane angereist.