Essen. .

Für Superstar-Fotograf David LaChapelle ziehen sich fast alle aus: Von Angelina Jolie bis Pamela Anderson gibt’s perfekte und groteske Körper, in seinem Bildband „Heaven to Hell“ wenig Himmlisches, dafür höllische grell inszenierte Bilder.

Paris Hilton, „Hi Bitch, Bye Bitch“, 2004, Taschen Verlag. © David LaChapelle
Paris Hilton, „Hi Bitch, Bye Bitch“, 2004, Taschen Verlag. © David LaChapelle

Er hat sie alle vor der Linse gehabt, und meistens hatten sie wirklich wenig an: Angelina Jolie trägt hauptsächlich Lippen und Tattoos, Paris Hilton das Mikro-Kabel, mit dem sie gefesselt ist, Model Naomi Campbell als Tischdeko Kerzen. Hillary Clinton allerdings trägt ein Halstuch zum Hosenanzug und ein angestrengtes Lächeln, und aus dem nicht mehr ganz knackigen Apfel auf dem Schreibtisch vor ihr kriecht ein Wurm. So geradeheraus viele von Superstar-Fotograf David LaChapelles Bildern auf den ersten Blick wirken, so viele Schichten liegen oft hinter der Hochglanz-Oberfläche. Zum Beispiel im dicken Bildband „Heaven to Hell“, den der Taschen Verlag in seiner Reihe Golden Book nochmal herausgebracht hat.

Sex-Akrobatin in Arbeitskleidung

Wenn David LaChapelle seine Fotografien inszeniert, dann scheint es oft um Sex zu gehen. Er zeigt ein Modelmädchen in Dessous und Polizeimütze mit Männern, die den Häftlings-Overall um die Knöchel tragen. Zeigt Sex-Akrobatin Jenna Jameson in Arbeitskleidung – Hacken und Lipgloss – mit Kollegen beim Porno-Posing in amerikanischer Stadtlandschaft, Rapperin Lil’ Kim aufgebrezelt als Sexpuppe und immer wieder Pamela Anderson, zum Beispiel unter der Bräungungsdusche. Körper sind bei LaChapelle entweder perfekt oder grotesk, oft tätowiert und fast immer eingeölt. Auch Gewalt und Zerstörung thematisiert der Amerikaner immer wieder, durchaus in Zusammenhang mit Sex – und überästhetisiert so gesellschaftliche Auswüchse, die in seiner Heimat besonders sichtbar sind.

So künstliche Kunst – inszeniert bis ins kleinste Detail

„Sermon“, 2003, erschienen im Bildband Heaven to Hell, Taschen Verlag. © David LaChapelle
„Sermon“, 2003, erschienen im Bildband Heaven to Hell, Taschen Verlag. © David LaChapelle

Was für künstliche Kunst: Bis ins allerkleinste Detail sind LaChapelles Bilder inszeniert, kein Staubkorn liegt am falschen Platz. Moment mal – liegt da überhaupt Staub? Selbst Katastrophen-Szenen wirken klinisch sauber unter gleißendem Licht, die Farben sind so schreiend wie die Motive und die Fotografien eine solche Reizüberflutung wie die USA auch sonst schon mal. Zum Beispiel, wenn der Fotograf Szenen aus Filmklassikern wie „Scarface“ oder „Taxi Driver“ nachstellt. Wenn er Straßenszenen arrangiert wie die, in der die Frau von der Klimaanlage erschlagen wird, weil der Schutzengel in den Designer-Sandälchen gerade abgelenkt war. Wenn er den lächelnden Muhammad Ali vor riesigem Boxhandschuh fotografiert, Popstar Kanye West als Muhammad Ali, Justin Timberlake als jungen Elton John, Elton John mit Spiegeleier-Brille und den Schauspieler Jude Law umgeben von haarigen Schweinen. Wer ist was - und wieso?

33817044-055--198x265.jpg

Wer ist eigentlich Coutney Love? Immer wieder hat David LaChapelle den gefallenen Rockstar fotografiert – nackt, schmutzig und verletzlich oder als Schmerzensmutter des Rockgottes: Auf ihrem Schoß hält sie den Leichnam eines Kurt-Cobain-Doppelgängers, der nicht nur die Wundmale von der Kreuzigung trägt, sondern auch die des Heroin-Konsums. Eine von vielen religiös anmutenden Szenen in seinem Werk – und nur eine weitere Provakation in LaChapelles Bildsprache.