Essen. Alle Jahre wieder können auch Interpreten klassischer Musik nicht widerstehen, dem Meer der Weihnachtsalben noch ein paar fromme Schaumkronen aufzusetzen. Wir stellen den Jahrgang 2013 vor – von ernst bis swingend, von Schellenkranz bis Jingle Bells.
Echtes Geschenk
Freunde für ein Weihnachts-Album zu versammeln? Riskant, es könnten ja auch die falschen sein. Nicht bei Stargeiger Joshua Bell. Für „Musical Gifts“ (Sony) wagt er Cross-Over-Geschenke ohne Kitsch. Immer ist Bells schöne Stradivari im Spiel, ob Chick Corea für „Greensleeves“ vorbeischaut, Edelsopran Renée Fleming sich Weihnachten wie früher wünscht, die Nussknacker-Suite A-Capella herumjuxt oder Placido Domingo (!) „O Tannenbaum“ singt. Charme trifft Anspruch!
Pure Pracht
Wer wissen will, wie man vor mehr als 400 Jahren singend Weihnachten feierte, wird im neuen Album der gebürtigen Gelsenkirchenerin Dorothee Mields gute Gaben finden. Auf „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ (deutsche harmonia mundi) lässt ihr engelgleicher Sopran große alte Weihnachtsmusik von Schütz, Scheidt und Prätorius hören. Ein Fest für Puristen. Sie werden auch am kernigen Orchesterklang der beschwingten „Lautten Compagney“ helle Freude haben.
Das Glück ist eine Insel
Dieses ganz besondere Album führt uns ans Lagerfeuer eines Spielmannes und seiner Musikanten mit Harfen, Flöten, Schellenkranz. Es geht fromm zu, aber auch lustig, manche Lieder rühren zu Tränen, andere laden fast zum Tanzen ein. Genauso hat sich das „Quadriga Consort“ „On a Cold Winter’s Day“ (dhm) gedacht: Es erinnert an das gesellige „Wassailing“ zur Weihnachtszeit auf den britischen Inseln. Ein ungekünstelt-warmherziges Album der unkommerziellen Art. Zeitlos schön!
Wie im Kino
Den Briten Nigel Hess schätzt man vor allem als Filmkomponisten, aber auch für „Romeo und Julia“ am Globe-Theatre griff er in die Harfe. Sein Album „Silent Nights“ (Deutsche Grammophon) kann die filmmusikalische Handschrift nicht verhehlen. Es regiert bei schmusiger Klaviermusik und sachter Orchestereskorte der Weichzeichner. Aber da Weihnachten nicht allzu oft das Fest familiären Friedens ist, tut diese softe Stunde mit internationalen Liedern womöglich gute Dienste.
Licht in dunkler Zeit
Hugo Distlers „Weihnachtsgeschichte“ (Brilliant Classics) kann man nicht hören, ohne an das Schicksal eines deutschen Komponisten zu denken, den die Nazis vor sich hertrieben, ehe er 1942 den Freitod wählte. 1933 entstand sein Versuch, sich mit der Moderne vor den alten Meistern zu verneigen. Keine Hintergrundmusik zur Bescherungsschlacht, doch offene Ohren lädt sie zur Einkehr ein. Die bewegende Einspielung der Leipziger Thomaner von 1979 liegt jetzt als CD vor.
Keine Feier ohne Mayer
Albrecht Mayer ist eigentlich Orchestermitglied bei den Berliner Philharmonikern. Aber seit Jahren ist er (bis hinauf zu den Pop-Charts) auch mit schönen Solo-Alben erfolgreich. Da fehlte nur noch ein Weihnachtsalbum. Fehlte es wirklich? Mayers Herzenswunsch, mit den „King’s Singers“ für „Let It Snow“ (Deutsche Grammophon“) von „Jingle Bells“ bis Schubert auf populäre Winterreise zu gehen, legt Swing und Andacht unter den Klangbaum. Nach einer Weile ist man leicht genervt.
Direkt aus der Kirche
Eine Platte wie ein traditionsgesättigter altdeutscher Heiligabend-Gottesdienst! „Weihnachten in der Dresdner Frauenkirche“ (Sony) klingt festlich, ja, getragen sogar, nicht gerade geeignet für schunkelnde Mitglieder der „Jingle Bells“-Fraktion. Neben „Vom Himmel hoch“, „Joseph, lieber Joseph mein“ und „In dulci jubilo“ gibt es auch weniger Bekanntes, vorwiegend aus dem 16. Jahrhundert. Für gottgefälligen Genuss bürgt vor allem der exquisite Kammerchor der Frauenkirche.