Essen.. Die besten Opernhäuser der Welt feiern Diana Damrau. Auf ihrem jüngsten Album zeigt die deutsche Koloratursopranistin, dass sie noch ganz andere Saiten in sich zum klingen bringt als Mozart oder Verdi. Für „Forever“ sang sie „My Fair Lady“, „Mary Poppins“, „Phantom der Oper“ und „Lustige Witwe“. Ein Interview.

An den besten Opernhäusern der Welt hat die Deutsche Diana Damrau mit Mozart, Verdi, Donizetti längst ihre Visitenkarte abgegeben. Mit einem neuen Album zeigt die Starsopranistin, dass in ihrem Herzen noch Platz für ganz andere Töne ist. „Forever“ lässt Musicals, Filmmusik und Operette hören. Mit Lars von der Gönna sprach Diana Damrau über den Soundtrack ihres Lebens.

Na, Sie trau’n sich was Frau Damrau. Ein Album, wo Johann Strauß auf Arielle, die Disney-Nixe trifft und das „Phantom der Oper“. Dabei sind doch deutsche Klassik-Freunde schlimme Puristen...

Diana Damrau: Vielleicht. Aber so schlimm ist es doch eigentlich nicht (lacht). Wenn Sie so wollen, gebe ich hiermit als Sängerin zu, dass ich auch in anderen Welten lebe als denen der großen Oper. Im Grunde erzählt das Album auch Biografie. Ich war eben nicht nur das Mädchen, das hin und weg war vom Kinofilm „Traviata“ mit Placido Domingo und Teresa Stratas. Ich bin in meinem Zimmer auch dahingeschmolzen, als das „Phantom der Oper“ durch die Liebe von Christine erlöst wurde. Jetzt habe ich einen dreijährigen Sohn – sein Lieblingssong ist „Ein Mensch zu sein“ aus „Arielle, die Meerjungfrau“. Natürlich singe ich ihm das gerne vor.

„Der singt Musical? Dann ist ja wohl die Stimme kaputt.“

Das sagt eine der derzeit gefragtesten Opernsängerinnen der Welt. Haben wir das Musical zu lange in die Ecke billiger Unterhaltung gedrängt?

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Damrau: Diese Stücke sind Teil unserer heutigen Musikwelt. Früher endete leichte Muse bei der Operette, dann kam nichts weiter. Wenn einer in den achtziger Jahren mal wagte die Grenzen zu überschreiten hat man es verpönt und gesagt: „Ach, der singt jetzt Musical? Dieses amerikanische Geschrei? Dann ist ja wohl die Stimme kaputt.“ Das sind sehr strenge Urteile. Ich freue mich über jeden, der das lockerer sieht. Auch als Opernsänger kann oder könnte man im Musical reüssieren, wenn man mit der Stimme spielt, sich ganz dem Genre hingibt und mit Wahrhaftigkeit singt. Ich jedenfalls habe es genossen, für „Forever“ Stücke aufzunehmen, die ich kann, aber vielleicht nie auf der Bühne singen werde: Songs aus „Mary Poppins“ oder Disneys „Schneewittchen“. Ich hatte einen Mordsspaß!

Auch bei der schnoddrigen Eliza aus „My Fair Lady“...

Damrau: Die liebe ich! In meinem ersten Engagement in Würzburg habe ich sie über 60 Mal gespielt. Da musste ich lernen wie man schreit, kratzt und beißt, ohne die Stimme zu ruinieren. Man hat mich ins kalte Wasser geworfen worden, aber ich hab’ gelernt zu rudern. Davon zehre ich bis heute, bei Rollen von Mozarts „Königin der Nacht“ bis „A Harlot‘s Progress“.

Schlechte Zeiten für kulturelle Bildung in Deutschland

Gibt es noch mehr Operngrößen mit Schwächen für Lloyd Webber und Co.?

Damrau: Bestimmt! Öffentlich bin ich ja nicht die Einzige! Renée Fleming nimmt ein Pop-Album auf, Natalie Dessay singt Michel Legrand....

Mit Musical erreichen Sie auch eine andere Generation. Sorgen Sie sich um den Hörernachwuchs ?

Damrau: Es sieht nicht sehr gut aus für die kulturelle Bildung in Deutschland. In den Schulen und Familien fehlt es an allen Ecken und Enden. Aber das spiegelt die ganze Gesellschaft. Es ist eine Riesenkluft etwa zu Österreich. Wenn ich mich in Wien ins Taxi setze, weiß der Fahrer nicht nur, was in der Staatsoper läuft, der sagt mir sogar, wer heut’ singt. Aber schon in München brummt der Fahrer: „Äh? Wo is’n dös?“ Das sagt schon ziemlich viel.

In der Scala möchte man den Boden küssen

Es gab da ein 15-jähriges Mädchen aus dem Schwäbischen Barockwinkel, das im Kinosaal der „Donaulichtspiele“ trällerte. 2013 reißen sich die ersten Häuser der Welt um Sie. Gewöhnt man sich je daran, durch den Bühneneingang der Mailänder Scala zu gehen oder die Künstlerpforte der „Met“?

Damrau: Es sind schon Orte, da möchtest du den Boden küssen. Weil du die Geschichte kennst, die Legenden die vor dir hier gesungen haben. Es ist wirklich Wahnsinn, wenn man diese Orte betreten darf, und dann auch noch bespielen, besingen. Aber auch sonst ist es ein Geschenk, weil man weiß: Jeder, der heute Abend mit dir hier ist, ist ein Star, weiß extrem genau, was er tut, versteht sein Handwerk, seine Kunst unglaublich gut. Das ist eine enorme Motivation, es nicht nur gut zu machen, sondern immer noch ein bisschen besser. Es ist wunderbar da angekommen zu sein, aber es war auch früher schön und hoffentlich auch gut. Dass ich es von den Donaulichtspielen einmal bis an die Scala bringe, hätte ich damals aber bestimmt niemandem geglaubt.