Essen. Das Pixelprojekt Ruhrgebiet füllt eine Lücke im Foto-Standort Zollverein: Dort zeigt es künftig drei Ausstellungen aktueller Fotografie pro Jahr.
Das Pixelprojekt Ruhrgebiet füllt eine Lücke auf der Welterbe-Zeche Zollverein, die sich mit der Foto-Sammlung des Ruhrmuseums (vier Millionen Aufnahmen), dem Folkwang Foto-Studiengang und dem ersehnten Foto-Zentrum des Bundes zu einem mindestens regionalen, wenn nicht nationalen Hotspot der Fotografie entwickeln will, so Theodor Grütter als Leiter der Stiftung Zollverein. Ab sofort wird es im Rundeindicker der Welterbe-Zeche dreimal jährlich Ausstellungen aus dem Fundus des Pixelprojekts geben, womit die aktuelle Fotografie dort Einzug hält – die Bestände des Ruhrmuseums bis ins Jahr 2000 bestehen nämlich aus analoger Fotografie. Das Pixelprojekt hingegen ist durchweg digital – und überwiegend aktuell.
Aldi-Style und Joggingbuxen werden zu „Pott-à-porter“
Zum Auftakt gibt es 25 Bilder von Amina Falah aus ihrer Serie „Pott-à-porter“. Die 29-Jährige stellte während ihres Praktikums beim Mode-Magazin „Glamour“ fest: Moment, diese lässigen, eine Nummer zu großen Klamotten, die ich hier dauernd als letzter Mode-Schrei fotografieren muss, die kenne ich doch! Von zu Hause! Da ziehen doch auch viele einfach Aldi-Style an, rennen in Joggingbuxen rum, die keinen Chic haben und gerade deshalb schick sind! Und jetzt ist das „High Fashion“!
Um zu zeigen, dass man die auch anderswo trägt, leierte eine Foto-Serie an, im Bekanntenkreis zu Hause in Moers und Umgebung. Darin erzählt Amina Falah Geschichten von jungen Menschen, von ihrem Lebensgefühl, ihren Lebensumständen. Die Fotos entstanden zwischen 2019 und 2021, aber von der Pandemie ist kaum etwas zu sehen – der Drang nach Freiheit führt nach draußen, es gibt fast keine Innenaufnahmen. Aber harte Blitze und krude Details wie die zerbrochene Flasche auf dem Boden oder Bahnsteigtauben; die Jungs tragen schlabbernde Hosen, eine Decke überm Kopf und manchmal die Jacke weit offen; die Mädels Latz- oder karierte Hosen, zu lange Hoodies und Plastiktüten oder Handytaschen, die bei Älteren albern wirken würden. „Ich wollte einfach zeigen, dass das Ruhrgebiet cool ist“, sagt Amina Falah, die nach zwei Bachelor-Abschlüssen (Anglistik/Philosophie sowie Kommunikationsdesign) nun ihren Master an der Kunsthochschule in Bremen macht.
547 Serien, rund 10.000 Bilder, sagt Peter Liedtke
Die Jury rund um „Pixelprojekt“-Motor Peter Liedtke hat Amina Falah beraten bei der Auswahl von 25 Aufnahmen, mal in Farbe, mal in Schwarzweiß abgezogen, die nun auf Zollverein zu sehen sind. Das Pixelprojekt als Foto-Bewegung „von unten“ wollte seit der Gründung 2003 immer eine möglichst freie Foto-Plattform sein; man sei vor allem „aus Kostengründen aufs Internet gegangen“, wollte unabhängig sein. „Es ging damals, als Wikipedia noch jung war, auch um den Traum von einer Demokratisierung des Wissens.“
320 Fotografinnen und Fotografen haben inzwischen 547 Serien zum Pixelprojekt beigesteuert, jährlich ausgewählt von einer Jury aus Fotofachleuten um Peter Liedtke. Inzwischen sind rund 10.000 Aufnahmen zusammengekommen. „Das Pixelprojekt ist echt Ruhrgebiet,“ sagt Zollverein-Chef Theo Grütter, „ich wüsste nicht, wo es in Deutschland sonst so ein Fotografie-Projekt gibt, das sich als Gedächtnis und Reflexionsraum einer ganzen Region versteht. Das hat nicht mal Berlin!“
Für das Pixelprojekt bedeutet die künftige Ausstellungsserie auf Zollverein nicht nur die Verstetigung seiner Arbeit; es gewinnt mit dem neuen Ausstellungsort (neben den langen Fluren des Wissenschaftsparks in Gelsenkirchen, wo alljährlich ausgewählte Fotos der Neuaufnahmen ausgestellt werden) auch die Möglichkeit, einzelne fotografische Positionen vertieft zu zeigen.
Amina Falah: „Pott-à-porter“. Fotografien. Bis 6. März, Rundeindicker des Ruhrmuseums auf Zollverein, tgl. 10-18 Uhr. Eintritt: 2 €.