Fuzhou/Essen/Xanten. Die Unesco entscheidet überraschend. Donaulimes wurde vertagt. Nun hofft Xanten auf Besucherzuwachs – und plant römische Bootsfahrten.

Über die beiden deutschen Welterbe-Kandidaten Niedergermanischer Limes und Jüdische Kultur der „Schum“-Städte Speyer, Worms und Mainz sollte am Dienstag gar nicht mehr beraten werden - aber dann kam die Eilmeldung aus dem chinesischen Fuzhou am Nachmittag doch: Beide erhielten den begehrten Unesco-Titel. Der ebenfalls kandidierende Donau-Limes aber scheiterte vorerst am Ausstieg Ungarns aus der Bewerbung: Mit rund 400 Kilometern liegt dort fast die Hälfte des Donaulimes – ob die Bewerbung jetzt noch Erfolgs-Chancen hat, steht dahin. In den letzten Tagen hatte das Welterbe-Komitee bereits die Darmstädter Mathildenhöhe sowie die drei deutschen Kurorte Bad Kissingen, Baden-Baden und Bad Ems als Teil eines Netzwerks von elf Städten („Great Spas of Europe“) zu Welterbestätten ernannt.

Aber für den niedergermanischen Teil des Limes am Rheinufer zwischen Bad Breisig und dem heute niederländischen Katwijk („der nasse Limes“) ist der Welterbe-Titel jetzt amtlich. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte: „Eine alte Grenze wurde zum grenzüberschreitenden Gemeinschaftsprojekt“. Dass der Niedergermanische Limes nun Weltkulturerbe sei, sei eine große Anerkennung für die Arbeit und eine Auszeichnung für diese einzigartige Kulturlandschaft.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) verwies darauf, dass der Limes zugleich Teil der bereits bestehenden seriellen und länderübergreifenden Unesco-Welterbestätte „Grenzen des Römischen Reiches“ ist. Es sei ein gemeinsames Vermittlungskonzept für die Fundplätze geplant. Die Aufnahme des Niedergermanischen Limes ins Weltkulturerbe soll eine Lücke zwischen zwei bereits geschützten Abschnitten schließen - dem Obergermanisch-Raetischen Limes sowie dem Hadrianswall und einem weiteren in Großbritannien.

Unesco: „Von unschätzbarem Wert“

Die antike Grenze des Niedergemanischen Limes die dem damaligen Verlauf des Rheins entspricht, war mehr als 400 Kilometer lang. Die neue Welterbestätte besteht aus 44 Teilabschnitten von Remagen bis ins niederländische Katwijk. „Die Überreste der Legionslager und Kastelle, Häfen, Aquädukte und Tempel sind für unser Verständnis des Lebens am Limes von unschätzbarem Wert“, erklärte die Unesco. Der Grenzabschnitt beginnt in Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz und endet an der Nordsee in den Niederlanden. In NRW liegen 220 Kilometer zwischen Bonn und Kleve.

Zu den vielen verschiedenen Fundplätzen, die jetzt ausgezeichnet wurden, gehören kleine Wachtürme und riesige Legionslager wie Vetera Castra auf dem Xantener Fürstenberg, Marschlager im Wald oder auch der Statthalterpalast in Köln. Viele archäologische Überreste wurden durch die wechselnden Fluten des Rheins weggeschwemmt; andere liegen in der Erde und können durch modernste Methoden sichtbar gemacht werden.

19 NRW-Gemeinden von Alfter über Moers, Duisburg und Krefeld bis Xanten

In Nordrhein-Westfalen zählen auch Funde in Städten wie Bad Münstereifel (Kalkbrennerei) und Swisttal zum neuen Welterbe, die gerade andere Sorgen haben. Weiter dazu gehören auch Alfter, Alpen, Bedburg-Hau, Bonn, Bornheim, Dormagen, Duisburg, Moers, Monheim, Neuss, Kalkar, Kleve, Köln, Krefeld, Uedem, Wesel und Xanten. Dort wird der Welterbe-Titel wahrscheinlich den größten Effekt erzielen – denn Xanten ist die einzige römische Zivil-Stadt, die zum neuen Welterbe gehört. Im dortigen Archäologischen Park (APX) herrschte gestern „große Freude“, wie Martin Müller, seit 2003 Direktor des Archäologie-Parks, gestern freimütig einräumte: „Mit dem Welterbe-Titel wird ja auch unsere Bildungsarbeit ausgezeichnet, mit der wir versuchen, ein breites Publikum zu erreichen.“ Die „internationale Sichtbarmachung“ der Funde freut Müller auch deshalb, „weil wir damit noch sehr viel mehr Leute auch niederschwellig erreichen können“. Vergleichbare Welterbe-Stätten hätten gezeigt, dass der Besucherandrang durch den Titel um rund 20 Prozent ansteige.

In normalen Jahren zählt man im APX rund eine halbe Million Besucher aus aller Welt – darunter auch viele Fachleute, weil der Park zu einem Vorzeige- und Lernobjekt für ganz Europa geworden ist.

Bootsfahrten mit Nachbauten auf der Xantener „Südsee“

Derzeit wird in Xanten die rekonstruierte römische Stadtmauer (vor den Toren der heutigen Stadt) verlängert. Aber weitere aufsehenerregende Projekte sind in Planung. So wird der APX am Ufer der ausgebaggerten „Südsee“ von Xanten eine Schiffbauhalle errichten; von dort sollen Besucher mit nachgebauten römischen Flachbodenschiffen, einer Liburne (Frachter) oder einer Lusorie (Patrouillenboot) mit bis zu 22 Ruderern übers Wasser schippern können.