Yasmina Reza und Peter Handke, Judith Kuckart, Karl Ove Knausgård und Martin Suter: Wir stellen die schönsten Seiten der neuen Büchersaison vor.
Deutschsprachige Gegenwart: Judith Kuckart, Katharina Hacker und Martin Suter
Martin Suters neuer Romanheld ist tatsächlich einer, auch im echten Leben, nämlich Fußballheld Bastian Schweinsteiger: „Einer von euch“ heißt das Buch zum Leben (26.1.). Ebenfalls einer von euch ist Richard, Bruder der Schriftstellerin Monika Helfer: Nach ihren Romanerfolgen „Vati“ und „Die Bagage“ setzt die Vorarlberger Autorin mit „Löwenherz“ (24.1.) ihre Familiengeschichte fort.
Jakob Augstein ist Journalist und Verleger und fängt am 17. Januar noch mal ganz neu an – als Erzähl-Debütant: Sein erster Roman „Strömung“ handelt von einem „Mann unserer Zeit“ und im Umbruch, der den sprechenden Namen Franz Xaver Misslinger trägt.
Abbas Khider lässt in „Der Erinnerungsfälscher“ (24.1.) seinen Helden zurück nach Bagdad reisen und zurückschauen, so wie er selbst, der mit 19 Jahren nach Deutschland kam, es vielleicht tun würde. 2013 erhielt Khider den Dortmunder Nelly-Sachs-Preis, der in diesem Jahr (für das Corona-Jahr 2021) an Katharina Poladjan vergeben wird: Deren neuer Roman „Zukunftsmusik“ (23.2.) spielt in den Umbruch-Jahren ab 1985 in Sibirien und erzählt von vier Frauengenerationen in einer Komunalka.
Philipp Winkler, dessen Romandebüt „Hool“ über schlagende Fußballfans 2017 bei den Ruhrfestspielen auf die Bühne kam, legt in „creep“ (17.1.) die digitalen Fallstricke der Hypermoderne aus. An schwere Erdbeben 1976 in Italiens Nordosten erinnert Esther Kinsky in „Rombo“ (14.2.), zeigt die Erschütterungen im Leben der Bergdorfbewohner. Erschütternd wirkt inJulia Schochsneuem Werk „Das Vorkommnis“ (16.2.) eine Begegnung: Eine Frau wird von einer Fremden angesprochen – sie hätten beide denselben Vater, behauptet sie. Die Kraft der Vorstellung lotet (auch) der schreibende Psychiater Jakob Hein aus: „Der Hypnositeur“ (10.2.) ermöglicht DDR-Bürgern Westreisen, wenn auch nur in Gedanken.
Judith Kuckart, die 2020 Dortmunds „Stadtbeschreiberin“ war, spinnt im „Café der Unsichtbaren“ (17.2.) ein Netz aus Erzählfäden, im Zentrum die Mitarbeiter des Sorgentelefon. Real sind „Die Gäste“ (23.2.) in Katharina Hackers neuem Roman um ein Café in Berlin, surreal aber auch hier die Geschichten.
Als „aufrüttelnde Reise ins Herz der deutschen Finsternis“ wird „Der Ausflug“ von Dirk Kurbjuweit angekündigt (28.2.) – es geht um Schulfreunde auf sommerlicher Kanutour, um Rassismus im Alltag, den niemand glauben mag.
Gregor Sander sucht den Osten im Westen, „wo der Westen arm dran ist“: Ergebnis ist der Roman „Lenin auf Schalke“ (14.3.) – der Klappentext lässt bereits ahnen, dass das Revier nicht gut wegkommt. Auch Jan Weilers „Markisenmann“ (21.3.) ist beheimatet am Rhein-Herne-Kanal und Vater der fünfzehnjährigen Kim – die ihn noch nie gesehen hat, nun aber die Sommerferien bei ihm verbringen muss.
Peter Handke, Nobelpreisträger von 2019, verführt mit einem spielerischen „Zwiegespräch“ (27.3.) zweier Freunde, Büchner-Preisträger Clemens J. Setz veröffentlicht essayistische „Gedankenspiele über die Wahrheit“ (14.2.).
Unterhaltsames kündigt sich mit Ildiko von Kürthys „Morgen kann kommen“ (12.4.) an; als „Bauplan für die Weltrevolution“ denkt sich Sibylle Berg ihren Roman „RCE“ (5.5.), eine Abkürzung für #RemoteCodeExecution. Radikal soll es auch in Helene Hegemanns Story-Band „Schlachtensee“ (9.6.) zugehen. Heinz Strunks neuer Wurf „Ein Sommer in Niendorf“ (14.6.) wird gar als „norddeutscher Tod in Venedig“ angekündigt.
Internationale Literatur: Yasmina Reza, Anne Tyler und Karl Ove Knausgård
Die Französin Yasmina Reza beleuchtet mit „Serge“ (24.1.) gewohnt bissig die Geschichte einer sehr gegenwärtigen Familie mit jüdischen Wurzeln. Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk erzählt, wie „Die Nächte der Pest“ (14.2.) im Jahr 1901 auf der Insel Minger. Neues gibt es von Bestsellerautorin Laetitia Colombani („Der Zopf“): „Das Mädchen mit dem Drachen“ (23.2.) handelt einmal mehr von mutigen Frauen.
Anne Tylers Roman „Eine gemeinsame Sache“ (8.3.) ist wiederum das Porträt einer Familie über Generationen. Claudio Magris denkt nach über das Altern: „Gekrümmte Zeit in Krems“ heißt sein Erzählband (14.3.). Delphine de Vigan denkt ein Dilemma unserer Zeit auf: „Die Kinder sind Könige“ (14.3.). Stewart O’Nan meldet sich mit „Ocean State” (22.3.) zurück, der Niederländer Gerbrand Bakker knüpft mit „Knecht, allein“ (22.3.) an frühere Autofiktionen an.
„Der Morgenstern“ (14.6.) ist neu am Himmel: Der norwegische Bestsellerautor Karl Ove Knausgård erzählt von einem Sommer, an dem Natur und Menschen aus der Bahn geraten. Die US-Amerikanerin Nicole Krauss denkt in neuen Storys darüber nach, wie das wohl ist: „Ein Mann sein“ (16.4.).
Bestsellerautor Joel Dicker veröffentlicht sein Romandebüt erstmals auf Deutsch: „Die letzten Tage unserer Väter“ (28.4.). Gary Shteyngarts Roman „Landpartie“ (23.5.) setzt ein im März 2020 – ein Gesellschaftsporträt der Zeit. Komisch und surreal wird es mit Erik Fosnes Hansens „Zum rosa Hahn“ (9.6.). Und schließlich zeichnet Amélie Nothomb in „Ambivalenz“ (22.6.) das Porträt eines unbeständigen Verehrers.
Besondere Spannungsliteratur – schreibende Serientäter sind am Werk
Der aus Gelsenkirchen stammende KP Wolf steht wohl an der Spitze der Urlaubskrimi-Welle: „Ostfriesensturm“ (9.2.) heißt sein neuer Wurf. Sebastian Fitzek hat sich zusammengetan mit Micky Beisenherz: „Schreib oder stirb“ (30.3.) ist gedacht als Thriller mit Humor.
Viele Krimi-Autoren sind bekanntlich Serientäter: Das Duo Klüpfel/Kobr beschert Ermittler Kluftinger eine „Affenhitze“ (28.4.). David Baldacci schließt mit „Abgerechnet“ (23.5.) seine Erfolgsserie um FBI-Ermittlerin Atlee Pine ab. John Grisham schickt in „Der Verdächtige“ (26.4.) erneut Ermittlerin Lucy Stoltz ins Rennen. Donna Leon scheint weit davon entfernt, Brunetti in den Ruhestand entlassen zu wollen: „Milde Gaben“ (25.5.) ist der 31. Fall für den Commissario.
Sachbücher und Biografien von Navid Kermani, Doris Dörrie und Andrea Sawatzki
Publizist Navid Kermani, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, fragt nach Gott: „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“ (24.1.) ist das Gespräch eines Vaters mit seiner Tochter, es geht (nicht nur) um den Islam und die Essenz des Glaubens.
Schriftstellerin Doris Dörrie erzählt vom Unterwegssein („Die Heldin reist“ 23.2.), ebenso Fernsehkoch Vincent Klink („Ein Bauch spaziert durch Venedig“, 17.5.) und Autor Axel Hacke, der von seinem langjährigen toskanischen Feriendomizil schwärmt („Ein Haus für viele Sommer“, 8.3.).
Komiker Kurt Krömer alias Alexander Bojcan hat sich entschlossen, seine Depression öffentlich zu machen: „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ (10.3.).
Und einmal mehr gibt es einen bunten Strauß autobiografischer Schriften: Schauspieler Manfred Krug („Ich sammle mein Leben“, 2.2.) blickt ebenso zurück wie Journalistin Sonia Mikich („Aufs Ganze“, 10.3.). Schauspielerin Andrea Sawatzki erzählt in „Brunnenstraße“ von ihrer sehr besonderen Kindheit und ihrem dementen Vater (24.2.).
Frankreichs Literatur-Star Leila Slimani verbindet in „Der Duft der Blumen bei Nacht“ (28.2.) die Kindheit in Rabat mit dem Alltag in Paris als Mutter und Schriftstellerin. Und auch der französische Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio erinnert sich in „Bretonisches Lied“ (7.4.) an seine Kinder- und Jugendzeit.