Essen. In Peter Handkes neuem Buch „Das zweite Schwert“ zieht einer los, üm seine verleumdete Mutter zu rächen. Es ist aber nicht Peter Handke.
Es ist allzu leicht, den Erzähler in Peter Handkes neuem Buch „Das zweite Schwert“ mit dem Schriftsteller gleichen Namens zu verwechseln – der 160 Seiten lange Monolog über einen gemächlichen, mutterseelenallein unternommenen „Rachefeldzug“ mit einem überraschenden Ende beginnt im Haus, am Gartentor eines Sonderlings in der Île-de-France irgendwo zwischen Versailles und Paris, wo ja auch Peter Handke seit Jahrzehnten lebt.
Zu Fuß, mit der Straßenbahn, kurz im Taxi, im Zug macht sich dieser Mann auf den Weg, um eine Journalistin zu bestrafen, die seine Mutter fälschlicher Weise bezichtigt hatte, eine Nationalsozialistin gewesen zu sein. Und „Voreiligkeit in Wort und Tat (...) eins meiner Grundübel“ nennt.
Stets in Gesellschaft von Homer und Blaise Pascal
Aber schon die mindestens nachdrücklich poetisierte Sprache muss als Dementi der Vorstellung gelten, da werde wirklich ein Nobelpreisträger beschrieben, der wie ein Tagträumer, aber überaus wachen Sinnes durch die Vorstadtwirklichkeit tapst – mit einem Kopf, der von Homer zu Blaise Pascal springt, ausgerechnet jenem Blaise Pascal, von dem ja das Diktum stammt, das ganze Unglück der Menschen rühre daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.
Auch in dieser kleinen, als „Maigeschichte“ titulierten Novelle, die übrigens seinem Lektor Reinhard Fellinger gewidmet ist, erweist sich Handke als der letzte romantische Schriftsteller, für den alles mit allem zusammenhängt und dem sich eben diese Zusammenhänge mitteilen wie keinem sonst. Dieser inbrünstige Glaube an den Fortbestand des Sehertums führt immer wieder zu unglaublich präzisen Mikro-Beobachtungen, birgt aber auch die Gefahr des Überspannten, das unversehens ins unfreiwillig Komische umschlagen kann.
Ironie! Komik! Slapstick! Und ein überraschendes Ende
Aber nicht nur der fast zwinkernde, halb ironische Schluss hat seine ausgesprochen komischen Momente, auch zwischendurch und nicht nur zwischen den Zeilen ist manch ironisches Lächeln angelegt und manchmal sogar Slapstick, wenn etwa das Ich zu seinen Schuhen hinunterblickt und feststellt: „Das gehört zum Spiel. Der Rächer mit den verschiedenfarbigen Socken“.
Peter Handke: Das zweite Schwert. Eine Maigeschichte. Suhrkamp, 160 S., 20 €.