Dortmund. Keine Kostüme, keine Kulisse - und doch sattes Musiktheater. Kurz vor dem Nibelungenring in Dortmunds Oper erklang „Rheingold“ im Konzerthaus.
Mag der Altrocker der Musiktheater-Regie auch seine Gründe haben, Wagners „Ring des Nibelungen“ derart durchzuschütteln, dass Peter Konwitschny (77) in 14 Tagen im Dortmunder Opernhaus nicht mit dem „Vorabend“ sondern der „Walküre“ beginnt. 500 Meter weiter schätzte es Donnerstag Abend eine satte Tausendschaft Wagnerianer, die Sache der Reihe nach zu hören. Am Ende: ohrenbetäubender Jubel!
Der war plausibel. „Das Rheingold“ bot das Konzerthaus auf Festspielniveau. Mitunter kann man an kleinen Partien ablesen, wie hoch ein Abend hinaus will. Es eröffnen Wagners Tragödie der unzähligen Abhängigkeiten bekanntlich die Rheintöchter; Erika Baikoff, Iris van Wijnen und Maria Barakova schenkten Wagners Wasserweiblichkeit charmant individuelle, textverständliche und rasant verführerische Züge. Alberich, dem das „Rheingold“ den ganzen Schlamassel vom Tausch Kapital gegen Gefühl verdankt, folgt: Samuel Youn stürmt den Saal als expressionistischer Feuerwerker. Sein satter Bassbariton sendet Böses, Schalk, Gier, lässt gar das Eros eines gefallenen Don Giovanni anklingen. Was für ein hemmungslos guter Darsteller! Es war dieser Abend ja bloß konzertant, ohne Kulisse, ohne Kostüm. Die unfreiwillige Lächerlichkeit bei Anwendung des Tarnhelms machte Youn umso mehr zu einer komödiantischen Perle des Abends.
„Das Rheingold“ in Dortmunds Konzerthaus: ein Abend auf Festspielniveau
Überhaupt lauter Sänger, die vokal wie spielerisch Götter in Menschengestalt zeichneten. Michael Volles Wotan hält neben sonorer Autorität schönste Kunstliedfarben bereit, seine Gattin Fricka gestaltet Jamie Barton extrem sinnlich, weit über den Standard der abgehalfterten Xanthippe hinaus. Seit Jahren eine Bank als zündelnder Halbgott Loge: Gerhard Siegel, der die Zweifel an aller Weltmacht giftig-schön aussingt. Und Stephen Millings Fasolt vollbringt die Kunst, der schwarzen Stimme des Riesen eine Prise Verletzlichkeit zuzugesellen.
Es gab derart viel vokalen Glanz, dass die fiebrig-blühenden, das Drama antreibenden Rotterdamer Philharmoniker unter Yannick Nézet-Seguin als pure Selbstverständlichkeit erschienen. In den überragend gedeuteten Übergangsmusiken erhielten sie die Aufmerksamkeit, die sie selbstredend die zweieinhalb Stunden hatten – und verdient hatten.