Schermbeck. Kommune Kunst mit Hella und Bernd: Im Artpark Hoher Berg kann man das Sehen lernen – und überhaupt blüht einem hier in Schermbeck einiges.
In diesem Freiluftmuseum sind Gummistiefel statt Stöckelschuhe angesagt und schon die Hausordnung lässt auf einen wenig steifen Umgang schließen. Statt der üblich angestaubten Verbote nur nette Empfehlungen wie „Passen Sie bitte aufeinander auf.“ – noch nicht mal mit Ausrufezeichen…
Ein Hund namens Picasso
Im Artpark Hoher Berg, das ist in Schermbeck und mit der Hausnummer 15 im Navi findet man es auch irgendwann, darf man die „Kunst ruhig anfassen, um sie zu begreifen“. Solche schönen Sätze sagt Hella Sinnhuber viele. Die 56-Jährige Kulturwissenschaftlerin und Moderatorin meint damit vor allem die sinnlich-fühlbaren Wachs-Werke ihres Mannes, dem stets freundlich-verschmitzten Künstler Bernd Caspar Dietrich (63). Beide leben hier mit ihrem Hund Picasso (ohne Worte), einem Münsterländer, auf diesem Anwesen mit Wunderwelt-Siegel, wo sie den mittlerweile vierten Artpark seiner Art (weitere gibt es oder gab es temporär etwa in Neukirchen-Vluyn oder Dorsten) entwickelt haben, der gerade eröffnet wurde. Und zwar „immer kostenfrei und politisch unkorrekt“, wie es in der Gebrauchsanweisung heißt. Also ohne Eintritt und ’nen frechen Spruch inklusive, weil eben genau nicht institutionalisiert – und selbstredend ist die Unternehmensform die gemeinnützige Gesellschaft. Kommune Kunst.
Deswegen ist jener Ausstellungsteil, der anders als unser Serientitel nicht unter freiem Himmel ist, zumindest recht naturnah in einem alten Kälberstall untergebracht mit Stücken von Otto Piene bis Günther Uecker, von Victor Vasarely bis Heinz Mack. Draußen ist das Parkett (Gummistiefel!) eine frühere Obstwiese, die zur Pferdekoppel wurde, um schließlich auf 8000 Quadratmetern wieder reobstwiesifiziert zu werden. Romanesco, Hokkaido, im nachhaltigen Hausgarten wird angepflanzt, was eben so seit Jahrhunderten angepflanzt wird. „Wir lieben die Natur und geben den Dingen Zeit und Raum“, sagen die Macher. Und diese Liebe, dieses zentrale Motiv dieser Paarkonstellation, wird dann auch mal gerne drei Tage eingekocht. „Am Herd ist er ja auch ein Geschmacks-Alchimist“, sagt die Hella über den Bernd.
Zauberhaft.
Wenn Hella und Bernd – mit Nachnamen hat man’s hier in Hippiehausen, Kreis Wesel, nicht so – wenn Hella und Bernd also aus dem Küchenfenster schauen, sehen sie auf dem Rasen eine filigrane Löwen-Skulptur von A.R. Penck, einem der bedeutendsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Auch von den anderen Vertretern befinden sich viele Werke in den wichtigsten Sammlungen der Welt. Und da brauchen wir gar nicht erst den photovoltaistischen Energiesammler von Bernd selbst anzuführen, der bereits bei der Art Cologne gezeigt wurde, oder den Hattinger Tony-Cragg-Assi Stephan Marienfeld, der wiederum schon auf der Biennale Venedig reüssierte und auf diesem Sockel mit einer geknickten, aber aufgrund ihres Unikat-Charakters umso wertvolleren Edelstahldose vertreten ist.
Nehmen Sie Gonçalo Mabunda. Der 45-Jährige aus Mosambik wuchs dort im blutigen Bürgerkrieg auf, den einige seiner Familienmitglieder nicht überlebten. Seine Antwort: Aus dem Waffenschrott (Granaten, Raketenwerfer, Kalaschnikows) gestaltet Mabunda neue, friedliche Nutzhaftigkeit. So stehen dort zwei Throne, auf denen man auch sitzen darf, damit es jedem klar wird, den die Patronenhülsen am Allerwertesten kratzen: Krieg ist fürn Arsch! Sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis auf seiner Homepage zu den Ausstellungsorten Tate Modern London, Centre Pompidou Paris, Guggenheim Bilbao auch unser Artpark Schermbeck addiert wird... New York, Tokio, Metropole Ruhr.
Ja, Kunst kann nicht nur wehtun, Kunst macht auch Mühe. Da muss man schon mal den Rasenmäher anwerfen und einmal durchs hohe Feld knattern, um sich ihre sonst unergründlichen Wege zu erschließen. Diese Wandelpfade hat Hella eigenarmig angelegt wie den Teich, in dem sich die stählernen Steelen wie das wogende Maisfeld spiegeln und auch die Fabelwesen der litauischen Bildhauerin Ruta Jusionyte. Diese gechillten Menschtiere mit den steilen Hasenohren, sind das Tiere, die vermenschlicht werden, oder wird der Mensch qua seines animalischen Inneren zum Tier?
Keine Ahnung, und das ist auch gut so. „Bei uns braucht niemand Vorbildung, bei uns flößt nichts Ehrfurcht ein, bei uns kann man das Sehen lernen“, sagt Hella. „Ohne Druck, die meisten bleiben drei Stunden.“ Nicht stören lassen von Wespen und Hornissen im Veitstanz um die Fallbirnen. „Die tun nichts!“ Und überhaupt einfach mal runterkommen, bei sich selbst an.
Quietschlila blüht’s, wenn das Wetter freundlicher ist als bei unserem Fototermin, die Phacelia, der Rettich, der Senf, die Kunst. Wo kommt die eigentlich her? Ich mein, das sind Namen, die kennt man doch… „Wir kooperieren mit Sammlern und Galeristen“ erklärt Bernd, und lacht, wenn er sagt, was jeder gerne sagen würde: „Wir sammeln einfach gerne Kunst.“
Bitte kein Eventtourismus
Eventisiert werden wie das benachbarte Maislabyrinth soll sie aber nicht, dafür sei der freie Raum zu poetisch, zu romantisch. Und auch wenn auf dem weiten Land sicher kein Bustourismus zu befürchten ist, wird doch höflich um Anmeldung gebeten: info@artpark.nrw
Parallel wird seit zweieinhalb Jahren eine Filmdokumentation gedreht über die beiden und ihre Liebe zur Kultur und Natur, die im Januar ins Kino kommt. Arbeitstitel, wie könnte es nun auch anders sein: „Hella und Bernd“.