Berlin. .

Für die ARD-Dokumentation „Wegsperren für immer? - Sicherungsverwahrung in Deutschlands größtem Knast“ hat ein Reporter eine Woche in der JVA Berlin-Tegel verbracht. Bei den nach Sender-Angaben „gefährlichsten Männern Berlins“.

Eine Woche hat RBB-Reporter Norbert Siegmund unter den nach ARD-Angaben „gefährlichsten Männern Berlins“ verbracht. Für seinen Film der „ARD-exclusiv“-Reihe wollte er wissen, wie der Alltag von Sicherungsverwahrten in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel aussieht und warum diese Form der Unterbringung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die Menschenrechte verstößt. Dafür sprach er nicht nur mit den Betroffenen selbst, sondern auch mit Justizvollzugsbeamten und Therapeuten. Der Film „ARD-exclusiv: Wegsperren für immer? - Sicherungsverwahrung in Deutschlands größtem Knast“ läuft am Sonntag, 7. November, um 13.15 Uhr im Ersten.

„Ich habe im Grunde genommen meine Strafe bezahlt, während die Strafgefangenen ihre Strafe noch am Bezahlen sind, aber dann werden sie entlassen“, sagt der Sicherungsverwahrte Mario B. im Film. „Die haben eine Perspektive.“ Der zu DDR-Zeiten wegen Mordes verurteilte Wolfgang W. sagt, die Sicherungsverwahrung sei für ihn eine Todesstrafe. „Wenn das jetzt nicht gekommen wäre vom europäischen Gerichtshof - man hätte hier gesessen bis zum Tod“, sagt er.

Verurteilte Straftäter sprechen offen vor der Kamera

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte beanstandet, dass Deutschland die zehnjährige Höchstgrenze der Sicherungsverwahrung 1998 rückwirkend aufhob. Dadurch wurden Straftäter, die noch unter Geltung der Zehn-Jahres-Grenze in Sicherungsverwahrung kamen, auf unbestimmte Zeit weggesperrt. Das bewertete der EGMR als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot. Zuletzt stellten die Straßburger Richter klar, dass nicht die Sicherungsverwahrung an sich, sondern ihre nachträgliche Verlängerung die Menschenrechtskonvention verletzt.

RBB-Autor Siegmund ist es in seiner Dokumentation gelungen, dass die verurteilten Straftäter offen vor der Kamera über ihre Situation sprechen. Er zeigt, dass die zusätzliche Sicherungsverwahrung nicht nur gegen Mörder und Sexualstraftäter verhängt wird. „Wäre ich ein Mörder - okay, wäre ich ein Kinderschänder - okay, sollen sie mich für immer wegsperren“, sagt der Gefangene Marvan E. „Ich habe alte Leute beklaut, aber um meine Sucht zu finanzieren, mehr nicht.“ Um seine Spielsucht überwinden zu können, würde er gerne eine Therapie machen, doch es gebe nicht genügend Behandlungsplätze hinter Gittern.

Durch die Aussagen der Sicherungsverwahrten erweckt der Film zunächst den Eindruck, einseitig Partei für die Gefangenen zu ergreifen. Der Film zitiert Statistiken, nach denen auf jeden tatsächlichen Rückfalltäter bis zu zehn Sicherungsverwahrte kommen, die zu Unrecht als gefährlich eingestuft werden. Doch es wird auch differenziert. So stünden Gutachter, Richter und Therapeuten enorm unter Druck, denn „wer möchte schon verantwortlich sein, falls ein Täter draußen rückfällig wird“, fragt der Film. Und während sich viele der Gefangenen für gar nicht mehr in der Lage halten, wieder straffällig zu werden, zitiert der Film auch aus Gutachten, die etwas anderes sagen.

„Situation von Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit“

Auch die schwierige Situation der Justizvollzugsbeamten, die zunehmend unter Personalmangel leiden, wird in der 30-minütigen Dokumentation beleuchtet. Während JVA-Leiter Ralph-Günter Adam zufolge vor zehn Jahren noch zehn Sicherungsverwahrte in Tegel einsaßen, sind es heute 38. Hinzu kämen 52 Gefangene, bei denen die Maßnahme bereits „vornotiert“ sei. Adam spricht im Film über die „Situation von Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit“ zahlreicher Sicherungsverwahrter, die „nicht unseren Vorstellungen von Menschenwürde“ entsprächen: „Wir können nicht ohne nachzudenken weitermachen.“ (dapd)