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Das Essener Gefängnis funktioniert wie ein kleiner Wirtschaftsbetrieb. Die Gefangenen arbeiten 39 Stunden die Woche in den Werkshallen, den Handwerksbetrieben und überall dort, wo sie gebraucht werden. Gewinne werden leider nicht erwirtschaftet.

In einer Werkshalle türmen sich Berge silberner und schwarzer Metallteile. 25 Männer machen sich eifrig daran zu schaffen. Sie sortieren, zählen ab, bauen Einzelteile zusammen und helfen mit Feile und Schaber dort nach, wo die Maschine versagt hat. Die Stimmung ist ausgelassen. Es wird gequatscht, gelacht und aus dem Radio erklingt Musik. Fast könnte man vergessen, wo man ist. Doch ein Blick in Richtung Fenster genügt: Dicke Eisengitter durchbrechen den Ausblick in den asphaltierten Innenhof der Justizvollzugsanstalt Es­sen.

Die 25 Männer, die in dieser Werkshalle arbeiten, sind Häftlinge. Im Gegensatz zu ihrer Arbeit dürfen sie den Knast nicht verlassen. Deutsche Gefängnisse sind für Unternehmen günstige Produktionsstandorte. Durchschnittslöhne von elf Euro pro Tag, eine hohe Flexibilität durch die große Reserve an Arbeitskräften, keine Streiks, und kranke Arbeiter werden unmittelbar durch gesunde ersetzt, nennt Anstaltsleiter Herbert Paffrath nur einige Vorteile seines Betriebs.

Wer nicht arbeite, bekomme auch kein Taschengeld

Die meisten Knackis gehen laut Paffrath gerne zur Arbeit: „Die sind froh, wenn sie von der Hütte runter sind.“ Und das ist auch kein Wunder. Die Alternative lautet: 23 Stunden am Tag auf der Zelle hocken. Das erklärt auch, warum die Häftlinge mit so viel Freude Tätigkeiten erledigen, die auf dem freien Arbeitsmarkt nicht gerade beliebt sind. Außerdem hätten Straf­gefangene eine gesetzliche Arbeitspflicht. Wenn einer nicht arbeiten wolle, gebe es bestimmte Druckmittel. Wer nicht arbeite, bekomme auch kein Taschengeld. Für die Drückeberger sei es wesentlich schwieriger, Lockerungsbedingungen wie ein Wochenende daheim genehmigt zu bekommen, und schließlich sei auch eine vorzeitige Haftentlassung ohne Arbeit eher unwahrscheinlich.

Bei 188 berufstätigen Ge­fangenen reichen die Arbeitsplätze in den drei Werkshallen nicht aus. Die Häftlinge können sich aber auch in der Schlosserei, der Schreinerei und der Werkstatt nützlich machen. Die hier eingesetzten Knackis kümmern sich um alle anfallenden Reparaturen. Außerdem stellen sie auf Bestellung Maßanfertigungen her. „Kürzlich hat jemand eine Bank mit ganz besonderen Ornamenten bestellt“, sagt Paffrath. „Vom Feinsten, das kriegen sie draußen nicht.“

„Für ein Drittel der Gefangenen gibt es keine Arbeit“

Und es gibt noch andere Bereiche, in denen die Essener Häftlinge arbeiten können. „Die JVA ist eine kleine Stadt“, sagt Michael Eichelberg, der Leiter der Arbeitsverwaltung. In der Kantine wird das Essen zubereitet. In der Kammer werden neue Häftlinge eingekleidet und auch auf der Krankenstation gibt es immer etwas zu tun. Und damit nicht genug. „Der Gefangene hat die Angewohnheit, seinen Müll aus dem Fenster zu werfen“, sagt Paffrath. Viele Häftlinge müssten ihr täglich Brot daher als Reinigungskräfte verdienen.

In vielerlei Hinsicht erinnert die Arbeitswelt drinnen an die Arbeitswelt draußen. Die Gefangenen arbeiten in der Regel 39 Stunden pro Woche. Sie haben Anspruch auf drei Wochen bezahlten Urlaub im Jahr. Auch die Leistungsgesellschaft macht vor den Gefängnistoren nicht halt. „Jeder hat hier die Möglichkeit sich hochzuarbeiten“, erklärt ein Beamter, der die Gefangenenarbeit überwacht. Und es lohnt sich. Ein Vorarbeiter verdiene bis zu 14 Euro pro Tag, ein einfacher Arbeiter müsse sich dagegen mit einem Tagessatz von höchstens neun Euro zufrieden geben. Strafgefangene dürfen allerdings nicht völlig frei über ihren Lohn verfügen. Etwas mehr als die Hälfte des Gehalts wird für die Zeit nach der Haftentlassung zurückgelegt. Und schließlich schützen einen selbst die dicken Gefängnismauern nicht vor Arbeitslosigkeit. „Für ein Drittel der Gefangenen gibt es keine Arbeit“, sagt der Gefängnischef. Hier gilt: Wer unverschuldet in Arbeitslosigkeit gerät, bekommt trotzdem sein Taschengeld.

Haftkosten von 82,49 Euro pro Gefangenem pro Tag

Ein Knast ist eben in gewisser Hinsicht ein Unternehmen wie jedes andere. In der freien Wirtschaft würde es aber nicht überleben. Die nordrhein-westfälischen Häftlinge haben zwar laut Justizministerium NRW 2009 durch ihre Arbeit rund 41,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Dem stehen aber Haftkosten von 82,49 Euro pro Gefangenem pro Tag gegenüber. Für das Jahr 2009 mit durchschnittlich 17 124 Häftlingen bedeutet das Kosten von rund 516 Millionen Euro. Mit der Gefangenenarbeit werden also weniger als zehn Prozent der Haftkosten gedeckt. Von einem Gewinn oder zumindest einer Kostendeckung kann das Unternehmen Knast also nur träumen.