Essen.
Roland Koch hat ein „konservatives Manifest“ verfasst, Thomas Gottschalk hatte vielleicht einfach nichts Besseres vor. Und so trifft man sich bei „Beckmann“ (ARD): Es fehlten Diskussion und Zündstoff.
Zwei Köpfe, anderthalb Meinungen. Roland Koch trifft Thomas Gottschalk bei „Beckmann“ im Ersten, bekennender Konservativer platziert neben bekennendem Wechselwähler. Da war wenig Moral von der Geschicht, wenig Mehrwert nach einer Stunde Austausch über Moral und Werte, über Gott und die Welt – kein Zündstoff, kein Wunder.
Konservativ kommt von conservare, „meint erhalten, ja bewahren“. Gastgeber Reinhold Beckmann hatte im „Duden“ nachgeschlagen. Wie praktisch, dass sein Studiogast, Hessens ehemaliger Ministerpräsident Roland Koch (CDU), gerade ein „konservatives Manifest“ in Buchform aus schwarzer Feder hatte fließen lassen. Da sieht Beckmann gleich das große Ganze. Ob Integration oder Stuttgart 21, da draußen tobe eine Debatte – bloß im Studio blieb es ruhig. Denn zwischen der „Galionsfigur des konservativen Flügels in der Union“ (Koch) und dem „bunten Paradiesvogel“ (Gottschalk) stimmte die Chemie, da saßen glückliche Ehemänner mit christlichen Werten, kein Schlagabtausch in Sicht, nur zwei Männer und ihre Meinungen.
„Bist Du konservativ?“
Dabei brachte es Beckmanns Einstiegsfrage gen Gottschalk doch sogleich auf den Punkt: „Bist Du konservativ?“ Und der Zuschauer merkte, da haderte einer mit sich und seinen Werten und blieb doch so unverbindlich, wie es nur ein Unterhalter wie Thomas Gottschalk mit jahrelanger Small-Talk-Erfahrung sein kann: „Das wäre ja programmierter Selbstmord. Das ist das Letzte, was ich sein wollte. Und wenn ich es wäre, wollte ich, dass es keiner mitbekommt.“ Will doch keiner als Gottschalk rein und als Sarrazin raus marschieren. Da hat er wohl recht, man stelle sich Sarrazin als Gastgeber von „Wetten, dass… ?“, nein, lieber nicht. Dennoch: Mit dem Begriff des „konservativen Reformers“ mag sich auch Gottschalk anfreunden, weil man doch „aus gelernten Erfahrungen die Dinge anders machen möchte.“
Und so lieferte Gottschalk Koch auch gleich die passende Vorlage, ist doch das Konservative für Koch, überspitzt formuliert, eine Geschichte voller Missverständnisse, der Konservative somit ein Unverstandener, ja beinahe eine diskriminierte Randgruppe trotz zahlreicher Gleichgesinnter. „Öffentlich ist es nicht so angenehm zu sagen, ich bin ein Konservativer“, gestand Koch. „Denn Konservative werden oft in die Nähe zu den Rechtsradikalen gebracht – ein in Deutschland zu recht mit Abscheu belegter Begriff.“
Das kleine Glück
Jedenfalls will ein Konservativer, also einer wie Koch, ja nicht an allem Festhalten: „Das wäre reaktionär.“ So hat er zum Beispiel sein Ministerpräsidenten-Amt losgelassen. Ob das denn bitte sehr konservativ sei, will Beckmann da wissen und kramt sogleich den Mitschnitt von 2008 aus der Konserve: Da hatte Koch immerhin sein Wort für fünf Jahre Legislaturperiode gegeben. Der will davon nichts mehr wissen, verteidigt den spontanen Entschluss – nur bei der Eheschließung, da soll das Wort halten. Auch wenn man natürlich niemandem etwas vorschreiben wolle, so gelte doch: „Je mehr Glück es in einer Gesellschaft gibt, umso glücklicher ist die Gesellschaft“ – wer wollte da widersprechen? Natürlich müssten sich auch die Konservativen an den rasanten Wandel der Gesellschaft anpassen, etwa Flexibilität und Mobilität bei der Arbeitsplatzsuche zeigen; wie war das noch gleich mit Glück und Familie?
Derweil erzählt Entertainer Gottschalk, dass er als Jugendlicher, also in einer Zeit, in der Roland Koch bereits einen Ortsverband der Jungen Union gründete (Beckmann: „Hatten Sie keine Freunde damals?“), ein eher unpolitischer Mensch gewesen sei. Dass er aber nun das Gefühl habe, sich einbringen zu müssen. Warum, bleibt offen. Obwohl Sätze wie diese schon einen gewissen Unterhaltungswert haben: „Multikulti hat sich damals so gut angehört – etwa wie heute Multitasking. Vielleicht wird man in fünf Jahren sagen, Multitasking war nie möglich.“ Fehlt nur noch, dass Multi-Vitamin-Saft nicht gesund sein soll.
Koch, der Leberknödel
Und auch Koch, der einstige Provokateur, hält sich diplomatisch bedeckt – was immer Beckmann auch zu fragen wagt. Zwar sei es im Fall von Stuttgart 21 aus konservativer Sicht kaum klug, ein Projekt, das das Parlament schon passiert hat, auf den Kopf zu stellen. Aber einen Bahnhof abzureißen sei weder konservativ noch links. Und was er nun mit seinem Leben anfangen wolle? Nein, nicht Schäubles Nachfolger werden, kein politisches Spitzenamt mehr – auch wenn’s ihm keiner der gefragten Meinungsmacher glaubt. Ist er doch für Heribert Prantl, Innenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, der Leberknödel in der parteipolitischen Suppe der CDU, wo Kanzlerin Angela Merkel als Schnittlauch nur mehr Garnierung zu scheint. Aber Koch will nun sein eigenes Süppchen kochen: „Ich bin in der glücklichen Lage, zwischen Alternativen wählen zu können.“
Und so plätschert die Sendung zwischen Phrasen und Ausweichmanövern, zwischen viel Koch und wenig konservativ. Thema verfehlt, merkt irgendwann auch Thomas Gottschalk: „Wir wollten doch über das Thema Konservativ sprechen, jetzt sind wir sehr weit bei der Causa Koch.“ Der ist gerade bemüht, sich ein lieberes Image zu verpassen: „Im Laufe der Zeit haben mir viele Bürger gesagt, ich sei viel netter als im Fernsehen.“ Wie schade, dass der Zuschauer das jetzt nicht überprüfen kann.
Nun aber rasch zurück zur eigentlichen Debatte, denkt sich da auch Beckmann, nein, Moment, da ist ja noch der Experte. Also fünf Minuten für Prof. Michael Hüther, Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Der darf sich noch rasch für „gesteuerte Zuwanderung“ aussprechen, bevor Beckmann dann doch noch die Kurve kriegt: Ist konservativ also ein neuer oder alter Wert? Zeugt die hohe Scheidungsrate vom Werteverlust? Und was wird nun aus Koch, gibt es einen neuen Job? „Meinen kriegt er nicht“, kontert Gottschalk. Ist wohl auch besser so, soll Koch erst mal klein anfangen, vielleicht wie Schleswig-Holsteins ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) – bei der RTL-Tanz-Show „Let’s Dance.“
„Konservativ“ zum Nachlesen: Roland Kochs Buch „Konservativ. Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen“ ist im Herder Verlag erschienen und zum Preis von 17,95 Euro im Buchhandel erhältlich.