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RTL 2 kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen: Erst hagelt es Kritik für „Tatort Internet“ mit Stephanie zu Guttenberg, jetzt maßregelt die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen das Reality-Format „X-Diaries“.

Sie alle machen Urlaub, und sie alle wollen Spaß haben: „Love, Sun & Fun“ eben. Festgehalten in den „X-Diaries“, einer Doku-Novela auf RTL 2. Heißt im Klartext: Saufen am Ballermann, Nacktbaden im Mittelmeer, Go-Go-Tanzen auf Ibiza oder eine „Wer kriegt Nina ins Bett“-Competition in Loret de Mar. Mit Laien-Schauspielern, aber inszeniert, als wäre es Realität. Kein Wunder also, dass zu der Serie „X-Diaries“ eine Beschwerde bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) eingegangen ist. Schließlich läuft die Doku-Novela montags bis freitags zur nicht gerade jugendfreien Zeit, um 19 Uhr.

„Die Art und Weise, wie Sexualität dargestellt wird, ist nicht gut für Unter-Zwölfjährige“, erklärt Christina Heinen, Hauptamtliche Prüferin bei der FSF. Zweimal sei die Sendung überprüft worden. Zwei Episoden stellten sich dabei als „problematisch“ heraus: Szenen beim Table-Dance, Nahaufnahmen vom halb-nackten Po der Tänzerin und immer wieder Frauen als pure Sexobjekte.

„Du bist voll komisch drauf, Alter!“

Bei „X-Diaries“ lautet die Weisheit: „Eine Lady genießt und schweigt“. Eine Aussage wie „Du bist eine Premium-Braut“ gilt schon als hoch-emotional. Die moralischen Grenzen hängen tief: „Der Kodex sagt, die Freundin des Freundes ist tabu.“ Und sie werden trotzdem noch überschritten.

Und wenn die Freundin versucht, ihre schwangere Freundin (deren Freund nicht erbaut ist: „Also, ich hab kein Bock mit Dir auf’n Baby.“) von der Abtreibung abzuhalten, klingt das so: „Du bist voll komisch drauf, Alter! Denk doch mal drüber nach, das ist ein Menschenleben.“ Wie sollen Zwölfjährige solche Situationen einordnen? Wie sollen Zwölfjährige den Unterschied zwischen Laienschauspielern und der Realität erkennen? Eine Darstellerin selbst bringt es bei „X-Diaries“ auf den Punkt, wenn sie ihre Familie anschreit: „Besoffen, arbeitslos, ohne Benehmen – ja, ich schäme mich für Euch!“

Moralisches Ende „nicht absehbar“

„Bei der Handlung gibt es zwar zum Schluss meist ein moralisches Ende, aber das ist für Kinder, die die erste Folge sehen, nicht absehbar“, meint Christina Heinen. Auch, dass Alkoholkonsum in rauen Mengen nur im positiven Licht dargestellt wird, ist der Prüferin ein Dorn im Auge. Auch wenn die Realität am Ballermann vielleicht nah dran ist: „Der Alkoholkonsum wird nicht kritisch beleuchtet, sondern nur als Spaß bringend dargestellt. Dabei ist das doch nur ein kleiner Ausschnitt der Realität“, sagt Heinen. Ob Kinder den Ausnahmecharakter erkennen, sei fraglich.

Deswegen werden die „X-Diaries“ ab Dienstag bereits vor der Ausstrahlung kontrolliert. „Der Sender hat uns zugesichert, die Serie ab jetzt zu entschärfen“, bestätigt Christina Heinen. „Wir werden weiterhin den Jugendschutz bei unseren Formaten und speziell bei ‘X-Diaries’ einhalten und stehen dazu im Dialog mit der FSF und der LPR Hessen“, sagt Viola Meister, Jugendschutzbeauftragte RTL2. „Bitte haben Sie aber Verständnis, dass wir dazu zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Informationen geben können.“

Online sind die ersten fünf Folgen bereits nicht mehr zu sehen, laut RTL2-Pressereferent Jörg Neunecker jedoch aus „rein (online)redaktionellen Gründen“. Wenn sich die staatliche Landesmedienanstalt der bereits erfolgten Ausstrahlung annimmt, droht RTL 2 ein Bußgeld.

Reißerische Formate

Immer wieder macht RTL 2 mit reißerischen Formaten negative Schlagzeilen. Zuletzt und noch immer sorgt „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ für Aufsehen. Ein Format, in dem die Frau des Verteidigungsministers, Stephanie zu Guttenberg, und der ehemalige Hamburger Innensenator Udo Nagel Sexualtätern im Netz auf die Spur gehen.

Bereits die erste Folge hatte Konsequenzen: Ein Beschuldigter wurde durch die Show identifiziert. Der Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung wurde bereits entlassen. Zahlreiche Juristen leiten daraus ab, dass das Format rechtswidrig ist.