Frankfurt/Main. .
Zwischen turmhohen Stapeln und totaler Digitalisierung: Zum Auftakt der Buchmesse kamen unter vielen anderen die Autoren Roger Willemsen, Frank Schätzing und Bret Easton Ellis nach Frankfurt.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Und so gerät der Besucher der Frankfurter Buchmesse als erstes ins Stolpern: Das Gastland Argentinien wählte für seine Nabelschau nicht nur erwartbare Stellwände, Videoprojektionen und, immerhin, historischen Fotos vom Prozess gegen die Militärjunta. Sondern auch einen Untergrund mit Bodenwellen, die unfreiwilligen Schwung in den Rundgang bringen. Eine Überraschung - die man durchaus symptomatisch nehmen darf.
Es brodelt. Die Branche präsentiert sich einerseits, noch, mit klassischen Bücherstapeln und realen Talkrunden. Das „größte Buch der Welt“ wird gefeiert – ein Atlas im Format zwei mal drei Meter, der seinen australischen Verlag einige Jahre Arbeit kostete und ein „Vermächtnis“ sein soll. Auf bunten Sofas schwärmen Roger Willemsen von Timbuktu als mythischem Ort und Frank Schätzing vom Unbekannten: „Das Schöne ist, dass es nicht nur Gefahren birgt, sondern auch Lösungen.“ Antje Vollmer erklärt, warum sie Doppelleben faszinierend findet und Martin Mosebach, warum die Literatur eine „rettende Planke“ war – als Jurist sei er „unbrauchbar“ gewesen. Bret Easton Ellis präsentiert sich mit schwarzer Brille und schwarzem Kapuzenpulli und gesteht, dass er seinen eigenen Namen googelt, „einmal am Tag“; dafür nimmt er „fast“ keine Drogen mehr. In einer stillen Ecke trinkt Bachmannpreisträger Peter Wawerzinek einen Kaffee. Während der schrille Modedesigner Harald Glööckler „pompöös“ auftritt in Begleitung von Frauen, die Lockentürme und, wirklich, historische Schlachtschiffe auf dem Kopf tragen.
„Im Bett mit deutschen Verlagsfrauen“
Spricht noch einer über „wenig hilfreiche“ Bücher? War da was? Sicherlich ist die Verleihung des Deutschen Buchpreises an Melinda Nadj Abonji, ungarisch-stämmige Serbin in der Schweiz, eine Art Kommentar zur Integrationsdebatte. Doch selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung wechselt in den heiteren Zeiten des großen Literaturbetriebsausflugs die Seiten, kichernd: Die alsbaldige Veröffentlichung von „Tagebuchfetzen“ der großen Marilyn Monroe kommentiert sie im Buchmessen-Blättchen mit Fotomontagen, die Peer Steinbrück, Harry Rowohlt, Bernhard Schlink und Co. mit blonder Perücke zeigen. Und ihr frivoles Titelthema lautet gar: „Im Bett mit deutschen Verlagsfrauen“.
Lüften wir – nein, nicht die Decke, unter der Beatrice Fassbender vom Berenberg-Verlag und Annette Wassermann von Wagenbach lagen. Sondern das geheimnisvolle, brodelnde Andererseits: Gedankliche Bodenwellen bringen die Branche in Schwung. Droemer/Knaur stellt eine Plattform vor, auf der Nachwuchstalente ihre eigenen E-Books herstellen können – „dann entscheiden die Leser, wer gleich den Abflug macht oder im Non-Stop-Flug zum Lektorat von Droemer Knaur geschickt wird“. Auch Suhrkamp will nun „bald“ E-Books herausbringen, sagt Sprecherin Tanja Postpischil, und Hanser-Pressefrau Christina Knecht findet sie „interessant für Vielleser“. Selbst kleine Verlage wie Grafit bringen jede Neuerscheinung auch als E-Book heraus, zum gleichen Preis wie das gedruckte Buch: „Die Wertigkeit ist der Inhalt“, sagt Verlagschefin Ulrike Rodi.
Märchenbücher mit Bewegtbild und Vorlesefunktion
„Enhanced E-Books“ - also: erweiterte elektronische Bücher - bieten alles das, was man als „Bonusmaterial“ von DVDs kennt. Rowohlt wird während der Messe sein neues „Digitalbuch plus“ vorstellen, Lübbe stieg noch früher ein: „Unsere E-Book-Umsätze haben sich durch das iPad verdoppelt“, sagt Geschäftsführer Thomas Schierack. Und mögen die Zahlen sich auch noch im Promille-Bereich liegen, so führt er doch voller Stolz Ken Folletts „Titanen“ mit Karten, Lexikonfunktion und Videonachricht des Autors vor. „Für Kinderbücher wäre das auch toll.“ Stimmt: Der S.Fischer Verlag entwickelt E-Books für die zehn beliebtesten der Grimm’schen Märchen – mit Karten, Bewegtbildern und einer Vorlesefunktion. Die, so hoffen wir, Eltern keinesfalls aus abendlichen Geschichts-Pflichten entlassen sollte!
Ganz neu ist eine spanische Erfindung, die bisher nur als Videopräsentation im Netz kursiert: Ein Speichermedium, dessen Seiten sich per Fingerwisch blättern lassen, das in jede Tasche passt – und bei dem der Lesegenuss nie von Abstürzen und entladenen Akkus bedroht wird. Es heißt: Buch. Sonderzubehör mit Notiz- und Merkzettel-Funktionen (Lesezeichen, Bleistift) können getrennt erworben werden.