Essen. .

Der Belgier Stijn Celis choreographiert „Undine“ am Aalto Theater, eher konventionell in der Ästhetik, aber mit bisweilen charmantem Witz. Komponist Hans Werner Henze, zur Premiere anwesend, wirkte beglückt.

Trautes Heim, Glück allein. Wenn das mal so einfach wäre. Was ist, wenn es plötzlich Zweifel gäbe an dieser Art des Zusammenlebens? Was, wenn dem Manne, kurz vor seiner Hochzeit, eine geheimnisvolle Frau, ein fremd anmutendes, exotisches Wesen begegnete, ihn betörte, ihm die Sinne verwirrte? Das kann der Stoff eines großen Dramas sein. Es ist aber zunächst ein urromantisches Märchen: Undine.

Mitte der 1950er Jahre hat der Komponist Hans Werner Henze daraus ein dreiaktiges Ballett geformt. Mit einer Musik, die sich den seriellen Techniken dieser Zeit verweigert, die vielmehr über weite Strecken duftig-klassizistisch klingt, licht und opalisierend, fragil und geheimnisvoll. Sinnlich und schön ist die Partitur, fein gewebt für ein vor allem ums Schlagwerk erweitertes Kammerorchester.

Rituale einer Gesellschaft der oberen Zehntausend

Diese Musik hat entscheidenden Anteil am Erfolg von „Undine“, die das Essener Aalto Ballett nun herausgebracht hat. Doch auch die Choreographie des Belgiers Stijn Celis in der eher kargen Ausstattung Jann Messerlis hat ihre Reize. Wenngleich Celis eher auf konventionelle Ästhetik, bisweilen charmanten Witz setzt. Der Gegensatz von Undines Wasserwelt und den Ritualen einer Gesellschaft der oberen Zehntausend wird nicht zum Kampf der Zivilisationen. Und die innere Zerrissenheit eines Mannes (Palemon), zwischen zwei Frauen stehend, kulminiert nicht gerade in körperlicher Entäußerung.

Gleichwohl ist sehenswert, wie Marat Ourtaev das gestische Vokabular eines Antihelden ausbreitet, eines Zweiflers und Zögernden, wenn er sich Undine nähert. Yoo-Jin Jang tanzt die Wassernixe mit fließenden Bewegungen, trippelndem Spitzentanz. Doch auch sie trägt das Fremdeln in sich. Schließlich Palemons Verlobte Beatrice (Ana Sánchez Portales): eine herbe Schönheit, mit oft ausladenden, gezirkelten Figuren eine Welt des Erstaunens und Trotzes in sich tragend. Im Pas de Trois, grundiert von einer Trauermarsch-Rhythmik, sehen wir drei Einsame. Nur einen kurzen Moment wiegen sie sich im Gleichklang, dann stört Tirrenio, Undines Vater (Breno Bittencourt, bisweilen im Stile eines Fred Astaire) die Idylle.

Aus dem Märchenhaften schält sich das Drama

Aus dem Märchenhaften schält sich nun das Drama. In die steife Hochzeitsgesellschaft platzen Tirrenios Wasserwesen, in Commedia-dell´Arte-Manier verkleidet, wild rhythmisch tanzend, das Fest letzthin sprengend. Undine erscheint im schwarzen Schleier, Palemon den Todeskuss bringend. Und ein Häuschen, omnipräsentes Symbol für Ehe, Geborgenheit und Reichtum, geht in Flammen auf.

Wieder einmal geben sich in Sachen Ballett die Bochumer Symphoniker die Ehre im Aalto-Theater. Volker Perplies am Pult lässt die Musik atmen, sich ausformen, setzt auf subtile Phrasierung und schönste Klangfarben. Das Orchester zelebriert das tönende Geschehen, meistert rhythmisch Vertracktes, beschwört bisweilen betörende Verklärung hinauf. Henze, zur Premiere anwesend, wirkt beglückt. Ihm gelten zuerst die Ovationen.