Essen.
Der Schweizer Choreograph Thomas Hauert komponiert die Musik erst nach den ersten Proben und schreibt den Körpern die Klänge somit auf den Leib. Bei der Ruhrtriennale gab’s jetzt eine Kostprobe.
In Tanzstücken von Thomas Hauert wird Musik sichtbar. Zu sanften sakralen Chorälen fließen die Bewegungen seiner sieben Tänzer, zu rockigen Rhythmen oder einer gezupften Gitarrensaite zittern sie. Am Ende verweben sich ihre Leiber, Arme und Beine wie die Gliedmaßen von Kriechtieren oder Fangarme von Nachtschatten-Gewächsen. Alles ist im Fluss. Der Schweizer Choreograph und seine belgische Kompagnie „Zoo“ gastierten bereits 2008 mit ihrer Kreation „Accords“ in Pact Zollverein. Nun kredenzen sie ihr neues Werk, am gleichen Ort, im Rahmen der Ruhrtriennale: „You’ve changed“ (Du hast Dich verändert).
Der Titel weist weniger auf ein Drama, er dient vielmehr den Hauert-Athleten eher als Arbeitsbegriff. Denn überwiegend improvisieren die Tänzer – allein, im Duo oder in der Gruppe. Die Klang-Kulisse aus sanften Chorälen, grellem Rock und allerlei Geräuschen, die der Natur abgelauscht sind, stammt von Dick van der Harst, der durch seine Zusammenarbeit mit der belgischen Truppe von Alain Platel bekannt wurde. Das Ungewöhnliche an dieser Tanzperformance ist, dass van der Harst die Musik erst nach den ersten Proben komponierte. So schrieb er den Körpern die Klänge auf den Leib. Das Ergebnis verblüfft: Wenn die Performer auch an manchen Stellen durch Wiederholungen gleicher oder ähnlicher Laufschritte und Armbewegungen ermüden, so entstehen doch immer wieder neue Bilder.
Verwirrende Wechselspiele
Anfangs tanzt die Truppe nur virtuell. Auf großer Leinwand vor der Bühne wachsen sie zu Riesen. Plötzlich erscheinen in der Mitte die realen Figuren, die ihre überlebensgroßen Spiegelbilder staunend betrachten. Sie imitieren, bemühen sich um synchrone Drehungen und Posen, lösen sich allmählich von ihrem Alter Ego. Plötzlich taucht eine dritte Ebene auf: auf einer zweiten Leinwand am Bühnen-Ende erkennt man die Tänzerprofile, diesmal jedoch en miniature. Dabei kommt es zu aparten, verwirrenden Wechselspielen zwischen den drei Ebenen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.
Zwar ist die Vermischung von Tanz und Film nicht unbekannt; doch die Virtuosität, mit der Thomas Hauert beides verknüpft, ist innovativ und fasziniert. Denn die Tänzer in schlabbrigen Teddykostümen suchen stets den Kontakt zu den Ebenen Vergangenheit und Zukunft. Ein intensiver, konzentrierter Kammertanz-Abend, der in seiner Art kaum vergleichbar ist.