Essen. .
Fünf Tage nach dem Bau der Mauer legte die Stasi einen ersten Suchzettel über den Schriftsteller Günter Grass an. Der Journalist Kai Schlüter hat ein Buch übe rdie Stasi-Akte verfasst: „Günter Grass im Visier“ - mit Kommentaren von Manfred Krug bis Willy Brandt.
Die Stasi hatte einen Heidenrespekt vor Günter Grass. Eigentlich galt in der DDR für ihn seit 1980 ein Einreiseverbot. Doch immer, wenn Grass als damaliger Präsident der Berliner Akademie der Künste das Land besuchen wollte, wurde das Verbot für die Dauer des Besuchs aufgehoben.
Nur fünf Tage nach dem Bau der Mauer legte die „Firma“ einen ersten Suchzettel an und begann, alles Erdenkliche über den Autor der „Blechtrommel“ zu sammeln: „Aufgefallen wegen Provokation“ lautet die erste Notiz.
Grass hatte die Zensur gegen Uwe Johnson eine „Schweinerei“ genannt
Provokant war sein unerschrockenes Aussprechen der Wahrheit. Schon auf dem V. Schriftstellerkongress der DDR 1961 hatte Grass die Zensur gegen Uwe Johnson eine „Schweinerei“ genannt, unter Beifall aus den hinteren Reihen. Das gab prompt Streit mit Hermann Kant, der später einer der Zuträger der Stasi in Sachen Grass werden sollte, neben „Laden“-Autor Erwin Strittmatter und Manfred Wekwerth, dem Chefregisseur am Berliner Ensemble.
Kant und Wekwerth verweigerten sich den Fragen des Journalisten Kai Schlüter. Dessen gerade erschienenes Buch „Günter Grass im Visier“ bringt nicht nur Aktenauszüge, sondern auch Kommentare und Dokumente von Grass und anderen, von Manfred Krug etwa, Willy Brandt, dem Verleger Klaus Wagenbach oder Pastor Schorlemmer.
Nach der verdrängten Waffen-SS-Mitgliedschaft auch eine dicke Ehrenerklärung
Nach der späten Entdeckung der verdrängten Waffen-SS-Mitgliedschaft vor dreieinhalb Jahren ist dieses Buch nun auch eine dicke Ehrenerklärung für Günter Grass. Nicht auszudenken, was die Stasi daraus gemacht hätte, wenn sie vom dunklen Fleck der Biografie erfahren hätte.
Ohnehin wird man gut daran tun, aus den Stasi-Akten vor allem Schlüsse über die Stasi zu ziehen. Grass selbst hat davor gewarnt, dass die Akten „wie Gift wirken“, wenn sie „wie gültige Dokumente gewertet werden“, weil ja Wichtigtuerei, Karrierismus und Denunziation viele Aussagen eingetrübt haben. Manches aber wird seine Richtigkeit haben: „Grass und seine Ehefrau waren sauber und ordentlich gekleidet“, hielten Oberstleutnant Eichentopf und Major Erdmann am 23. April 1988 fest.