Günter Grass und die Waffen-SS

Es war ein einziges einzigartiges Buch, das den Ruhm von Günter Grass festschrieb: "Die Blechtrommel". Er bekam zu Recht den Nobelpreis dafür. Ein einziges anderes Buch hat ihn vom Sockel gestoßen, der ihm errichtet worden war und den er nicht ohne Selbstgefälligkeit einnahm.

Es war wohl die wenig reflektierte Gewissheit der eigenen Bedeutung, die Grass dazu brachte, das Geständnis seines Lebens zu machen: Er war als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS geworden. Spät, 1944, und ohne sein Zutun. Trotzdem wurde ihm dies Buch zum Verhängnis. Denn Grass, der nie zögerte, andere wegen ihrer Verbindung zum Naziregime zu verurteilen, hat bis in die letzte Lebensphase mit dem Eingeständnis gewartet. Und Selbstkritik übte er nur literarisch. Das Buch zeigt Unbehagen an dem biografischen Fakt, doch als sich in der Öffentlichkeit Empörung zeigte, reagierte Grass enttäuscht und uneinsichtig. Es ist sehr deutsch, wie er darauf beharrt, im Recht zu sein. Und es ist sehr deutsch, wie seine Gegner, denen er immer ein suspekter Intellektueller und Freund der SPD war, nicht aufhören, ihn zu beschimpfen.

Was ist ihm vorzuwerfen? Nicht, dass er als junger Mensch nicht versucht hat, sich zu drücken. Wenn das so einfach gewesen wäre. Auch nicht, dass er so lange schwieg. Man muss nicht alles sagen. Aber dass er das Bekenntnis mit einer gewissen koketten Gebärde ablegte: Seht, was ich euch jetzt endlich gestehen will! und dabei die Absolution voraussetzte - das ist ein Ärgernis. Daran ändern auch die Geburtstagsreden dieser Tage nichts. Unerfreulich ist auch, dass er bei anderen zu größerer Härte neigte, als er bei sich selbst akzeptiert. Doch die Kritik, die er übte, wird nicht unwahr, weil er selbst nicht unfehlbar ist.

Ein alter Mann hat einen Fehler gemacht. Schade. Schlimmer sind aber die anderen, die aufheulen vor Freude: Jetzt haben wir ihn, den Heuchler! Die Nazivergangenheit ist offenbar immer noch nicht so weit überwunden, dass Kritiker als selbstverständlicher Teil der Demokratie anerkannt wären.

Aus Polen kommt die Forderung nach einer Entschuldigung. Ganz gleich, wer sie erhebt: Was ist daran verwerflich? Die Waffen-SS war ein hochideologisches Kriegsinstrument. Ihre Mitglieder begingen auch Verbrechen. Nicht jeder; aber jeder kann sagen: Es tut mir leid, dass ich dabei war. Man hat mich nicht gefragt, aber leid tut's mir trotzdem. Solche Worte wären eine Geste der Versöhnung. Deutsche tun auch 60 Jahre nach dem Krieg gut daran, solche Gesten zu pflegen.