Essen. Die Autorin Jana Hensel wurde bekannt, als sie sich selbst als Prototypen einer Generation beschrieb und als Zonenkind definierte. Im aktuellen Essayband "Achtung Zone. Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten" findet sie auf die richtigen Fragen dürftige Antworten.
Düsseldorf war die erste westdeutsche Stadt, in der die junge ostdeutsche Autorin Jana Hensel 2002 aus ihrem viel gerühmten Generationen-Buch „Zonenkinder” las. Ein versteinertes Publikum empfing sie – klar, im Westen. Ein Publikum, in dem fast nur Ostdeutsche saßen, aber das erfuhr sie erst nach der Lesung. Jana Hensel deutet: „Es verleugnete sich ein Landsmann vor dem anderen.”
Am Prenzlauer Berg traf Jana Hensel vor wenigen Monaten eine andere junge Jana, deren Vater für die Stasi arbeitete. Diese Jana sagte: „Die DDR ist das Land, aus dem ich komme, und es prägt mich aus seiner Abwesenheit heraus.” Hensel deutet: „Es wird für sie ein Ringen um authentische Erinnerung bleiben. Wir Nachgeborenen hängen an solchen Erzählungen wie an einem seidenen Faden.”
Die (Fehl-)Deutung
Diese beiden Szenen verdeutlichen, warum Hensel „Achtung Zone” schrieb: aus der (Fehl-)Deutung heraus, noch immer für einen ganzen Landstrich zu sprechen.
Die 33-Jährige sucht, wie so viele ihres Alters: Identität und Wurzeln. Nur liegen ihre Wurzeln verbuddelt unter einem neuglänzenden Einkaufszentrum oder sonstwo, jedenfalls hat sie Mühe, sie zu finden. Das kreidet sie einer Geschichte an, in deren Verlauf eine Mauer fiel; und nun ärgert sie sich darüber, wie andere über diesen Wendepunkt sprechen in immergleichen Jubel-Sätzen. Sie glaubt, dass viele Ostdeutsche ihrer Generation ähnlich empfinden. Aber tun sie das? Könnte es nicht sein, dass das Lesungs-Schweigen aus Ablehnung entstand? Dass die andere, die Stasi-Vater-Jana, nicht für viele steht – sondern nur für sich?
Der Ehe- und Spitzelkrieg
In ihrem Essayband seziert Hensel den Ehe- und Spitzelkrieg zwischen dem verstorbenen Schauspieler Ulrich Mühe und Exfrau Jenny Gröllmann, sie denkt nach über die Hintergründe eines Anschlags auf campierende Asylbewerber 1992 in Rostock. Stets beschleicht die Leser das Gefühl, die so bemüht betriebene Relativierung unseres Ost-Bildes (des damaligen, des heutigen) komme einer Verharmlosung, Vereinfachung gleich. Wenn 19 Prozent aller ostdeutschen Frauen in einer Umfrage erklären, ihre Lage habe sich seit dem Mauerfall verschlechtert – dann deutet Hensel, 81 Prozent säßen dem Medien-Märchen von der glücklichen Einheit auf: „Das Ergebnis offenbart eine Fehleinschätzung der eigenen Situation.”
Das Buch, womöglich, ebenfalls. Schade: Denn Hensels Fragen sind die richtigen. Warum können wir die ostdeutsche Nachwendegeschichte nur als „Geschichte der Anpassung” erzählen? Warum gelingt es nicht, die ostdeutsche Identität zu fassen – und zu beschreiben?
Jana Hensel: Achtung Zone. Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten. Piper Verlag, 176 Seiten, 14,95 Euro