Essen. Millionenpublikum in Hamburg - nun auf der Leinwand: Dem Touristenmagnet „Miniatur Wunderland“ ist ein Film gewidmet. Ein Interview
Es ist die größte Modelleisenbahnanlage der Welt. Mehr als 1,5 Millionen Besucher pilgern pro Jahr ins „Miniatur Wunderland”, die größte Touristenattraktion von Hamburg. Im Dezember 2000 begannen Frederik Braun und Zwillingsbruder Gerrit mit dem Bau der Anlage in der Speicherstadt. Mittlerweile finden sich dort 16.491 Meter Gleislänge, 4669 Gebäude sowie 289.410 Figuren. Ein Film blickt nun hinter die Kulissen, und präsentiert die Macher „vom Kindheitstraum zum Welterfolg“, so der Untertitel Mit über 480 Kopien erlebt die Doku an den Kinostart wie eine große Hollywood-Produktion – wegen der Nachfrage in den Kinos. Wir sprachen darüber mit Frederik Braun.
Herr Braun, haben Sie eigentlich zu Hause eine Modelleisenbahn?
Frederik Braun: In der Kindheit waren mein Bruder und ich eisenbahnverrückt, wir haben mit unserer Anlage gespielt bis zum Gehtnichtmehr. Wir hatten keine feste Anlage, da ging es uns nicht so sehr um Landschaft, sondern eher um verrückt aufbauen. Vom Küchentisch bis ins Badezimmer und wieder zurück, Unfälle machen und dann irgendwann wieder abbauen und einen Monat später wieder aufbauen. Heute habe ich keine Anlage mehr zu Hause. Ich habe eine Briobahn für meine Kinder. Die sind aber noch zu klein für dieModelleisenbahn. Ich habe ja meine Große hier bei der Arbeit.
Was ist die Erfolgsformel von Ihrem „Wunderland“?
Wir haben keine Erfolgsformel auf dem Papier, sondern wir bauen einfach. Wir haben Spaß. Wir schauen, dass alle Mitarbeiter sich einbringen. Dadurch sind alle Charaktere, alle Hobbys, alle politischen Richtungen, alles, was das Leben so hergibt, auch auf der Anlage automatisch vorhanden. Und darin liegt der Erfolg.
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Ist die kleine Welt der Eisenbahn umso attraktiver, desto komplizierter die große Welt wird?
Jeder findet es schön, in so eine kleine Welt einzutauchen. Hier kann man einfach mal die ganzen Sorgen draußen lassen. Schaltet hier ein paar Stunden ab, kann mit den Augen über die Anlage schweben, taucht in diese kleinen Geschichten ein. Hier findet sich jede Generation und jede Altersstufe wieder. Deswegen gehen viele glücklich nach Hause und erzählen anderen Leuten davon. Auf Ihrer Homepage heißt es, „das Wunderland ist nahezu immer rappelvoll, starkes Gedränge herrscht schon lange.“
Der Film startet nun mit 480 Kopien. Haben Sie keine Angst, dass es nun zum Publikums-Tsunami kommt?
Den Tsunami haben wir bereits regelmäßig, vor allem an Ferienzeiten und Wochenenden. Wir haben dann teilweise von 7:00 bis 1:00 Uhr nachts geöffnet. Wenn viele Ferien sind, schaffen wir 5000 Leute im Durchlauf über den gesamten Tag. Das ist dann schon echt voll. Aber mehr geht einfach nicht, auch wenn die Nachfrage oft viel größer ist. Vielleicht kann der Kinofilm das so ein bisschen abfangen, dass man ein bisschen Wunderland zumindest im Kino erleben kann.
Im Film klagt ein Mitarbeiter darüber, dass schon wieder das Liebespaar von der Anlage gestohlen wurde. Wie groß ist der Schwund bei Ihren Figuren?
Die „geklauten“ Figuren sind bei uns eher entführte Personen, die hoffentlich ein neues, schönes Zuhause kriegen. Trotzdem finden wird das natürlich immer ganz traurig, weil viele Figuren von uns selbst gebastelt sind. Aber wir möchten den Menschen vertrauen, deswegen gibt es kein Glas vor der Anlage.
Umgekehrt hinterlassen manche Fans auch eigene Erzeugnisse auf ihrer Anlage?
Das passiert gerne mit Fahrzeugen. Wenn Speditionen sich Trucks mit eigenem Werbeaufdruck gemacht haben, werden die schon mal einfach auf die Anlage gestellt, weil man glaubt, das wäre doch die perfekte Werbung. Allerdings merken wir das immer ganz schnell, weil die Autos bei uns beleuchtet sind. Wenn nachts plötzlich ein Auto ohne Licht steht, fällt das sehr schnell auf.
Gibt es auch offizielle Anfragen von Tourismusverbänden, die gerne ihre eigene Gegend auf Deutschlands größter Touristenattraktion sehen wollten?
Wir bekommen Anfragen nicht aus ganz Deutschland, sondern von überall auf der Welt. Das ist längst der normale Alltag für uns normal.
Wie kommt es, dass dieses Erfolgsmodell anderswo keine Nachahmer findet?
Es haben tatsächlich viele schon kopiert. Es gibt einige gute Anlagen, etwa in Sankt Petersburg oder in Holland. Aber es gibt eben auch ganz viele, die gescheitert sind, weil sie versucht haben, lediglich mit Geld irgendwelche halbherzigen Dinge zu bauen. Das sind Leute, die nicht verstanden haben, was die Magie des Wunderlandes ausmacht.
Wie halten Sie es mit gesellschaftlichen Themen auf der Anlage? Würden Demos die heile Miniaturwelt stören?
Wir machen das tatsächlich regelmäßig. So hatten wir zum Beispiel eine Tierwohlausstellung, mit der wir ein bisschen aufrütteln wollten. Aber da geschieht in der Regel nicht auf der Anlage, die ist sozusagen ein Heiligtum. Deswegen machen wir es lieber am Rande des Wunderlandes. Da hatten wir aktuell zu Trump einmal eine Mauer vor den Amerikaabschnitt gebaut. Das hat auf der ganzen Welt für Furore gesorgt, auch in Amerika.
Im Film bewegen Sie sich mit Ihrem Bruder als animierte Figuren durch das Wunderland. Mit welchen Gefühlen sehen Sie das?
Das ist absolut genial. Ich hatte von dem Film zuvor nichts gesehen und war im Kino dann völlig überwältigt. Ich muss sagen, ich habe mehrfach geweint. Es war so anrührend, wie diese Geschichte dargestellt wird. Und ein Teil davon sind diese kleinen Frederiks und Gerrits in der Animation. Sogar in deren Haltung habe mich wieder gefunden.
Können Sie noch aus dem Nähkästchen der Promi-Besucher plaudern?
Es waren schon viele Weltstars hier, auch
Woody Allen
hat uns besucht. Und er war wie ein kleines Kind. Das Management hatte vorher angefragt und hat gesagt, er möchte das Wunderland sehen, aber es müsste leer sein. Darauf meinten wir, dass wir niemals das Wunderland schließen. Darauf hieß es, dann wenigstens hinter den Kulissen, damit der Star nicht angefasst werden kann. Dann erschien Woody Allen tatsächlich. Und dauerte keine zwei Sekunden, da ist er selbst einfach an die Anlagenkante gegangen, ist eingetaucht in diese Welt. Das hat ihn einen Dreck interessiert, dass er nur die Kulissen schauen sollte. Er ist mit Gerrit ganz lange herumgegangen, war mitten unter den Besuchern. Und er wurde in Ruhe gelassen. In Hamburg funktioniert so etwas wirklich ganz toll. Nach einer Stunde war der Besuch wie geplant zu Ende. Woody war ganz traurig darüber, dass sein Management ihm nur diese eine Stunde im Wunderland gegönnt hatte.