Essen. Die Fortsetzung des Wüstenplanet-Spektakels legt die Mechanik der Macht bloß. Und wird zum erfolgreichsten Kino-Start des Jahres.
Normalerweise ist der zweite Teil eines Hollywood-Sequels einer der besten. Weil die Rollen von vornherein auf bewährte Weise verteilt und grundlegende Gegnerschaften geklärt sind, weil die Helden und Schurken und womöglich sogar die Schauplätze vertraut sind. „Dune: Teil zwei“, die Fortsetzung des Kassenschlagers von 2021, setzt deshalb auch nur wenige Stunden nach dessen Ende ein: Paul Atreides und seine künftige Gefährtin Chani werden nach erschöpftem Schlaf wach unter Wüstensand, schütteln ihn ab – und der Kampf geht gleich weiter. Wieder gegen die faschistoid organisierten Harkonnen unter ihrem übel exzentrischen Gewaltherrscher, der im 11. nachchristlichen Jahrtausend Pauls Vater in den Tod geschickt und so die Macht über den Planeten Arrakis zurückgewonnen hat, wo die interstellare Droge Spice gewonnen wird („Wer das Spice hat, hat die Macht“).
„Dune: Part Two“ Film ist der erfolgreichste Kinostart im bisherigen Jahr gelungen. Am ersten Wochenende haben allein in Deutschland über 608.000 Menschen den Film gesehen, teilt das Marktforschungsunternehmen Media Control mit. In Nordamerika hat der Blockbuster Berichten zufolge 81,5 Millionen US-Dollar (78,5 Millionen Euro) an den Kinokassen eingespielt. Wie das Branchenblatt „Hollywood Reporter“ schrieb, schaffte es die Fortsetzung, das Ergebnis des ersten Teils zu verdoppeln. Laut „Variety“ ist es der erfolgreichste Kinostart seit Taylor Swifts „The Eras Tour“. Weltweit brachte der Film bislang umgerechnet 164,6 Millionen Euro ein, davon laut „Hollywood Reporter“ 7,7 Millionen Euro in Deutschland.
Dass dieser Planet, der „Wüstenplanet“ aus Frank Herberts genialer Romanvorlage, durch die Drogengewinnung zum ökologischen Katastrophengebiet wurde, bleibt im Hintergrund. Es erklärt allerdings, warum es Paul Atreides gelingt, die Fremen, das Volk seiner geliebten Chani, in dem er ein Fremder ist, hinter sich zu scharen für seinen großen Rachefeldzug. Diese „Dune“-Episode handelt nicht zuletzt von der Wirkweise einer Religion, von Propheten wie Stilgar (knorrig-archaisch: Javier Bardem) und denen, die das Fanatisierungs-Potenzial eines Glaubens geschickt für ihre Zwecke ausnutzen wie Pauls Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson als aasig falsche Schlange).
Hier hat der Film seine einzigen, leicht zu überstehenden Längen; ansonsten vergehen die fast drei Stunden wie im Raumschiff-Flug. Und unterm Strich steht in „Dune 2“ die blutig-böse Mechanik der Macht im Mittelpunkt. Die ein Shakespeare mit markerschütternder Tragik in beinah familiärem Rahmen bloßlegen konnte. Denis Villneuves Fortsetzung seiner Wüstenplanet-Sage zielt spürbar darauf, freilich ohne die Höhen und Tiefen der elisabethanischen Königsdramen erreichen zu können.
Die manchmal markerschütternde Musik von Hans Zimmer gibt „Dune 2“ den Rhythmus, der Sound ist gigantisch
Dafür gibt es in „Dune 2“ etwas mehr Technik-Feuerwerk als bei Shakespeare, das von der drohfreudigen, oft fanfarenstoßartigen Musik von Hans Zimmer seinen Rhythmus erhält: Fliegende Menschen, gigantische Maschinen, neben denen Braunkohlebagger wie Spielzeug wirken würden. Daneben ist festzuhalten: Seit „Lawrence von Arabien“ dürfte die Wüste im Kino nicht mehr so schön in Szene gesetzt worden sein. Die Kämpfe und Schlachten darin sind ebenfalls von hohem Schauwert, aber darum geht es nur in zweiter Linie: Ausgerechnet die Entscheidungsschlacht fällt, dank strategisch kluger Vorbereitung, überraschend kurz aus. Aber dafür gibt es ein Sandwurm-Spektakel nach dem anderen. Die Fremen haben nämlich gelernt, die unberechenbaren Monster zu zähmen und wie ein Motorboot beim Wasserski für wilde Ritte zu besteigen. Als Paul Atreides ihnen das nachmachen kann, wird er als nicht mehr ganz so Fremder in das Volk aufgenommen und als eine Art Messias anerkannt.
Timothée Chalamet und Zendaya sind mit ihren Rollen gereift – kommt „Dune 3“?
Timothée Chalamet (28) hat das Glück, mit seiner Rolle gealtert zu sein. War er im ersten Teil noch fast ein Bubi und schließlich ein jugendlich-ungestümer Draufgänger, so ist er nun der junge Mann, dessen Erfahrungen erste Schattenseiten auf dem bis dato unbelasteten Charakter hinterlassen. Paul Atreides wird sich seiner Wirkung auf Menschen und ein ganzes Volk immer mehr bewusst und findet Gefallen an der Macht. Um ganz oben auf den Thron zu steigen, ist er sogar zu einem Verrat an seiner Gefährtin Chani bereit. Zendaya verkörpert sie mit Herzbeben und Trotz, mit Stolz und Zweifeln. Sie ist es denn auch, die nicht für den messianischen Feldzug eines Paul Atreides kämpfen will, sondern für ihr Volk – eine Kategorie, die so archaisch und hypermodern zugleich anmutet wie das gesamte Ambiente des Films, was die Kostüme und Requisiten angeht.
Paul Atreides verspricht den Fremen, sie ins „Grüne Paradies“ zu führen. Er ist aber an dem Punkt, an dem der jugendliche Rebell umschlägt in den machtbewussten Kämpfer, der ganz nach oben auf den Thron will. Am Ende steht eine Kriegserklärung an die „Großen Häuser“. Die Saga geht weiter. Schließlich hat Denis Villeneuve gerade mal den zweiten Teil des ersten Buchs von Frank Herberts „Wüstenplanet“-Serie verfilmt. Und die hat sechs Bände. Aber angeblich soll es höchstens noch einen weiteren Teil geben.
166 min., FSK ab 12, Kinostart: 29. Februar.