Essen. Margarethe von Trotta erzählt im Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ von der toxischen Beziehung mit dem Macho-Kollegen Max Frisch.
Eine Frau voller Fantasie, Freiheitsdrang und Lebensfreude. Hochsensibel, hochbegabt. Zärtlich bis in ihre Worte. Als sie sich auf die Liebe zu einem Mann einlässt, der älter, bekannter, wohlhabender ist und der sie immer mehr als seinen Besitz begreift, beginnt ein Weg, der die Frau in Verzweiflung und Wirrnis stürzen wird, am Ende gar in die Psychiatrie.
Dass die Frau Ingeborg Bachmann ist und der Mann Max Frisch heißt, spielt in Margarethe von Trottas Verfilmung der Briefe zwischen Bachmann und Frisch eher eine Nebenrolle. Es geht um eine toxische Beziehung, lange Zeit bevor es das Wort dafür gab. Zu sehen ist die Zerstörung einer Frau, die ihrer Zeit, der Nachkriegszeit, weit voraus war, was Freiheit, Schöpfungsdrang und Selbstständigkeit angeht.
Der Zerstörer: Ein sich modern gebender, sehr um sein Ich kreisender Max Frisch, der sich letztlich als Patriarch alter Schule erweist, mit besitzergreifenden Eifersuchts-Attacken und Bevormundungs-Attitüde. Ronald Zehrfeld spielt diesen Frisch mit Bewegungen, mit einem Habitus, die eher aus unserer Gegenwart stammen als aus den 50er-, 60er-Jahren.
Zeitkolorit durch Tapeten, Tütenlampen und Pastellfarben
Das Zeitkolorit des Films entsteht vor allem durch Tapeten und Tütenlampen, Pastellfarben. Und am allermeisten durch Geräusche: Das schrille Telefon-„Drrrriiiing“, das Klackklick der Benzinfeuerzeuge, die Türglocken, das Tippsen der mechanischen Schreibmaschinen, das klingelnde Rattern des Käfer-Cabriolets. Der Film ist in Sprüngen vor und zurück erzählt, über die hinweg die Musik mit recht vielen Geigen eine Klammer bilden soll.
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Der Titel „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist doppelsinnig, weil die Autorin den letzten Schritt aus ihrer Gefühlsverwüstung heraus in der arabischen Wüste geht, wo sie ihre Wünsche erfüllt bekommt: eingegraben zu werden „wie eine Mumie“ oder Sex mit mehreren schönen jungen Männern.
Ingeborg Bachmann war eine geniale Schriftstellerin. Ihre Gedichte zeigten der Nachkriegszeit, wie wahr, wie vielschichtig, wie gegenwärtig Lyrik sein kann. Genau wie ihre spätere Prosa spiegelten diese Gedichte die Kämpfe einer besonderen Ich-Werdung, gegen innere wie äußere Widerstände. Sie waren keine Rechenaufgaben zur Bedeutungsermittlung, sondern konkurrenzlos gute Avantgarde-Literatur, die stets einen Rest von Rätsel und Geheimnis wahrt.
Ingeborg Bachmanns Persönlichkeit bleibt ein Buch mit sieben Siegeln
Das gilt, bis auf den heutigen Tag, auch für Ingeborg Bachmanns Persönlichkeit, die im Vergleich zu Max Frisch weit eher ein Buch mit sieben Siegeln darstellt. Vicky Krieps spielt diese Frau eher wie eine Mischung aus scheuem Reh, intelligenter Musterschülerin und verträumter Prinzessin: „Principessa“ nennt sie denn in Rom auch der Komponist Hans Werner Henze, der ihr in seiner emotionalen Intelligenz (die damals ja auch noch nicht erfunden war) weit eher ein Lebens- und Schaffenspartner auf Augenhöhe sein könnte, wenn er sich nur nicht eher in Männer als in Frauen verlieben würde.
„Kommen Sie, reden wir heute nicht über Literatur“, sagt Max Frisch irgendwann: Die Schriftstellerei spielt in diesem Film nämlich eher eine Nebenrolle. Einmal tippt Frisch so laut auf seiner Maschine herum, dass sich Bachmann nicht konzentrieren kann, ein andermal will er sich partout nicht dabei unterbrechen lassen mit ihrem Vorschlag, gemeinsam in ihre Sehnsuchtsstadt Rom zu ziehen.
Unterschiedliche literarischen Vorstellungen
Sie taten es, denn Ingeborg Bachmann war in dieser hochkomplexen Beziehung nicht so passiv, wie der Film sie zeichnet – sie war kaum weniger besitzergreifend als Frisch, ihr Seelenunglück war schon viel älter als diese Beziehung, die schließlich in die Schreibunfähigkeit, in die Katastrophe, in Kliniken führte. Ein leises Echo davon ist zu hören, wenn sie sagt „Manchmal liebe ich mein Elend, als sei es eine Auszeichnung. Dass Max Frisch wiederum solche Sätze hervorbrachte wie „Ich liebe mit so zärtlichem Neid die Dichterin in Dir“, bleibt fast undenkbar in diesem Film, der Ingeborg Bachmann als Autorin reduziert auf den Satz „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ und ihre Rede zum Hörspielpreis der Kriegsblinden drumherum.
Wie radikal verschieden die literarischen Vorstellungen der beiden waren, zwischen radikaler Offenheit und kunstvoller Geheimniswahrung, bleibt außen vor. Auch wie sehr sich Max Frisch schon vom Finden den einen Wahrheit verabschiedet hatte, auf das Ingeborg Bachmann mit der allerpenibelsten Sorgfalt ihrer Wort- und Bildwahl drang.
Die Verbrennung eines Tagebuchs als emanzipatorischer Akt
Dass Frisch ihre Beziehung literarisch ausgebeutet hat, sie kaum kaschiert zum Gegenstand von Aufzeichnungen und Büchern machte, wird hier zum Skandalon, Bachmanns Einbruch in seinen Schreibtisch und die anschließende Tagebuch-Verbrennung, die tatsächlich stattfanden, werden im Film zum emanzipatorischen Akt.
In der Tat: „Wir brauchen die Darstellung des Mannes durch die Frau, die Selbstdarstellung der Frau.“ Diese Sätze waren unter den ersten, die Max Frisch 1958 an Ingeborg Bachmann geschrieben hat. Margarethe von Trottas Film, der selbstverständlich auch ein Gegenstück zu den Frisch-Filmen ihres Ex-Mannes Volker Schlöndorff ist, macht diese Worte in all ihrer unverbindlichen Allgemeinheit wahr.