Essen. Drake und The Weeknd im Duett, Oasis wiedervereint? Alles nur Fake, durch Künstliche Intelligenz. Bringt sie bald das nächste Nummer-eins-Album?

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Gerade sind neue Songs der schon lange getrennten Band Oasis und ein Duett von Drake und The Weeknd erschienen. Gleich zwei Musik-Sensationen, die ziemlich sicher an die Spitze der Charts drängen könnten. Die gute Nachricht: Die neue Musik gibt es tatsächlich. Die schlechte Nachricht: Es klingt wirklich zu schön, um wahr zu sein, denn die heiß ersehnten Sounds von Oasis und Drake sind Fakes, geschickte Imitationen, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurden.

Künstliche Intelligenz ist das Thema des Jahres, spätestens seit es dem selbstlernenden Programm ChatGPT gelungen ist, täuschend echt wirkende Dialoge zu führen, und der Berliner Fotograf Boris Eldagsen mit einem per KI erzeugten Bild bei den „Sony World Photography Awards“ einen Preis zugesprochen bekam, auf den er dann verzichtete. KI-Programme malen, sie schreiben Texte oder fassen sie prägnant zusammen, noch nicht immer tadellos, aber oft in durchaus akzeptabler Qualität. Wer die Lernkurve der KI-Modelle in den vergangenen zwei Jahren betrachtet, zweifelt kaum noch, dass bald nicht nur die Fähigkeit zur Imitation, sondern auch zur Erschaffung von gänzlich neuen Werken ausgereift sein wird.

Liam Gallagher über seine künstliche Stimme: „Ich klinge mega“

Nun hat das Phänomen die Musikbranche erfasst – und zwar auch unterhalb der hochprofessionellen Ebene. Im Falle der Oasis-Songs steckte etwa die Indie-Band Breezer hinter den acht neuen Songs – und es handelt sich nicht komplett um ein KI-Erzeugnis. Die Musiker gaben bei der Veröffentlichung unter dem Pseudonym „Aisis“ an, dass sie sich lediglich die lange Wartezeit auf eine Wiedervereinigung von Liam und Noel Gallagher vertreiben wollten – ein Ereignis, das es wegen der hartnäckigen Zerstrittenheit der beiden Brüder womöglich niemals geben wird. Die Band komponierte und spielte acht Songs, bei denen sie den Stil von Oasis imitierten. Im Anschluss daran trainierte sie eine Künstliche Intelligenz mit Stimmproben von Liam Gallagher so, dass das Ergebnis am Ende so klang wie ziemlich echte Oasis-Songs. Liam Gallagher selbst kommentierte das mit den Worten: „I sound mega.“

Nachzuhören sind die Songs auf Youtube, genau wie das Duett von Drake und The Weeknd, hinter dem ein unbekannter Musikproduzent steckt, der sich „ghostwriter“ nennt und der die KI kontrolliert hat.

Das ist noch nichts, was nicht auch eine geschickte Cover-Band hätte bewerkstelligen können. Man denke an die Parodie-Band No Way Sis mit „I’d Like To Teach The World To Sing“ von 1996. Aber dass neue Wörter und Tonhöhen komplett aus dem Computer generiert werden können, ist ein Novum.

Ein neues Album der Beatles? Unentdecktes von Buddy Holly? Elvis ganz anders?

Dabei ist die Musikbranche geradezu berüchtigt für Klangmanipulationen: Jedes Popalbum wird im Studio produziert, gemixt und gemastert, bis es so klingt, wie es klingen soll. Wenn ein Sänger nicht die richtige Tonhöhe erreicht, wird seine Stimme gepitcht, falsches Timing und andere Schwächen werden leicht ausgebügelt, wenn auch von Menschenhand. Diese Arbeit könnte in Zukunft zumindest teilweise von Künstlicher Intelligenz übernommen werden.

Trotzdem stellt sich auch heute schon die Frage: Ist das ein Original? Die einfache Bedienung einer KI wird wohl in nächster Zukunft zu einer wahren Inflation der Fälschungen führen. Ein neues Album der Beatles? Buddy Hollys letzte Aufnahmen vor dem Flugzeugabsturz? Oder ein „Aloha From Hawaii“, bei dem Elvis komplett andere Songs singt? Alles denkbar – und bald wohl auch machbar…

Matthias Röder ließ Maschinen einen Schluss für Beethovens 10. Sinfonie erstellen

Wer auch immer sich diese Projekte vornimmt, wird sie mit einiger Hartnäckigkeit und den richtigen Lern-Algorithmen so hinbekommen, dass sie original klingen. Aber werden sie auch originell klingen? Werden sie so zünden, so außergewöhnlich klingen und solche Funken in den Zuhörern entfachen, wie es die echten Werke getan haben? Ist der Moment der Überraschung dann noch da wie beim Einfall eines echten Genies?

Als im Jahr 2021 Beethovens 10. Symphonie durch eine Künstliche Intelligenz vollendet wurde, war dem Musikwissenschaftler Matthias Röder damit weltweite Aufmerksamkeit sicher. Er und sein Team hatten Computer mit sämtlicher Musik gefüttert, die Beethoven je zu Papier gebracht hatte. Sie trainierten die Algorithmen so, dass sie die Noten in der Art auswählten, wie Beethoven es mit großer Wahrscheinlichkeit getan hätte. Dabei mussten sie die größten Fehlgriffe der KI einzäunen.

Dem künstlichen Schluss fehlte das Leben des Komponisten Beethoven

Als das Werk in der Bonner Beethovenhalle uraufgeführt wurde, konnte kaum jemand feststellen, wo die Übergänge zwischen dem echten Beethoven und der KI-Komposition war. Aber reicht diese Imitation schon aus, um echte Kunst zu erschaffen? Gewiss hätte Beethoven noch einige Ideen eingebaut, beeinflusst durch Ereignisse aus seinem eigenen Leben, die zu einem ganz anderen Ergebnis geführt hätten. Der oftmals beschworene göttliche Funke der Inspiration ist genau das, was die Maschine sich nicht leisten kann, wenn sie täuschend echt wirkende Ergebnisse liefern will.

Dennoch rechnen nicht nur Experten längst damit, dass in absehbarer Zeit auch Musik durch Künstliche Intelligenz so gut und überraschend werden kann, dass damit sogar ein neues Nummer-eins-Album erscheinen kann, sei es von den Beat­les („Let it KI“), den Stones („SticKI Fingers“) oder vielleicht ja von K.I. Perry oder von MånesKIn.