Essen. The Weeknd ist der Superstar der 2020er, sein neues Album „Dawn FM“ begeistert die Fans – und dürfte in der nächsten Zeit die Charts dominieren.

Weiter nach oben kann es für ihn kaum noch gehen. The Weeknd, bürgerlicher Name Abel Makkonen Tesfaye, hat sich im vergangenen Sommer eine neue Bleibe gegönnt. 70 Millionen Dollar hat er den Vorbesitzern für das weitläufige Anwesen überwiesen, dafür bekommt er auch so einiges: Innen- und Außenpool, Musik- sowie Fitnessstudio, Privatkino, einen Wasserfall sowie die beeindruckendste Außentreppe seit „The Great Gatsby“. Die Villa liegt zudem direkt oberhalb des Bel Air Country Club und somit herrlich im Grünen, Los Angeles liegt dem 31-Jährigen förmlich zu Füßen. Sein altes Haus hat er derweil für vergleichsweise schlaffe 19,3 Millionen verkauft – an Madonna.

Sinnbildlicher als mit diesen beiden Immobiliengeschäften lässt sich die Wachablösung im Pop wohl kaum beschreiben. The Weeknd ist der globale Superstar der 2020er-Jahre schlechthin, sein neues Album „Dawn FM“, das er am vergangenen Freitag nur wenige Tage nach dessen Ankündigung veröffentlichte, dürfte die Charts und die Hitlisten der Streaming-Anbieter fürs erste dominieren.

The Weeknd kann einen Pop-Song zu etwas Außergewöhnlichem machen

Musikalisch macht er das aber auch brillant. Abel Tesfaye, als Sohn äthiopischer Einwandereltern im kanadischen Toronto geboren, hat ein sagenhaft feines Händchen für alle Aspekte, die einen Pop-Song zu etwas Außergewöhnlichem machen. Seine Falsett-Stimme ist warm und unverkennbar, die zuckersüßen Melodien schmelzen im Ohr wie gute Schokolade im Mund, und wohl niemandem sonst gelingt zurzeit eine ähnlich stimmige Balance zwischen zeitgemäßem, fast futuristischem Electro-Pop-R&B und dem hemmungslosen Ausschlachten von Achtziger-Jahre-Einflüssen.

In „Blinding Lights“, das gerade zum erfolgreichsten Song der US-Popgeschichte gekürt wurde (und damit Chubby Checkers „The Twist“ verdrängte) und vom März 2020 veröffentlichten Album „After Hours“ stammt, labte er sich generös an den Sounds von „Take On Me“ (a-ha, 1985). Und die neuen, wieder stark auf Synthesizer-Einsatz basierenden Stücke wie „Don’t Break My Heart“ oder „Gasoline“ lassen Pop-Fans sofort an das Frühwerk von Depeche Mode denken. Logisch, dass die Platte hitgespickt ist. „How Do I Make You Love Me“ ist unwiderstehlich eingängig, „Sacrifice“ nicht minder, und die Uptempo-Nummer „Take My Breath“ (es geht um eine nicht ungefährliche Sexualpraktik) war schon im Herbst ein Riesenerfolg.

The Weeknd reißt Barrieren zwischen Avantgarde und Mainstream nieder

Dass The Weeknd sowohl auf die Produzententätigkeit von Max Martin (Britney Spears, Backstreet Boys) und der Swedish House Mafia als auch auf die Kunst des Indie-Electro-Fricklers Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never setzt, reißt die Barrieren zwischen Avantgarde und maximalem Mainstream nieder.

Zugleich ist das Album (mit weiteren Gästen wie Tyler, The Creator oder dem langjährigen Beach-Boys-Mitglied Bruce Johnston) merklich mehr als die reine Aneinanderreihung von 16 Pop-Songs. Die (lose) konzeptionelle Klammer ist eine Reise aus der – pandemiebedingten oder auch persönlichen – Dunkelheit ins Licht einer besseren, sei es diesseitigen oder jenseitigen, Welt. Als sonorstimmigen Erzähler zwischen den Liedern gewann Abel seinen Freund, den kanadischen Schauspieler Jim Carrey, und auch Quincy Jones, mittlerweile 88, hat einen anderthalbminütigen Redebeitrag. In „A Tale Of Quincy“ erinnert sich der berühmte Produzent von Michael Jackson an seine weitgehend elternlose Kindheit und ihre gravierenden Folgen für sein weiteres Leben.

The Weeknd eifert Michael Jackson nach

Ach, überhaupt Michael Jackson. Vielleicht mehr als allen anderen eifert The Weeknd dem einstigen King Of Pop nach. „Out Of Time“ könnte auch aus Jacksons (von Jones produziertem „Off The Wall“-Album stammen, auch „Billie Jean“ schwingt immer wieder mal mit, und The Weeknds letztjähriger „Super Bowl“-Halbzeitauftritt im roten Anzug erinnerte sowieso von vorne bis hinten an sein gefallenes Idol. Was Jackson und Tesfaye außerdem eint, sind ihre – freilich unterschiedlichen – Dämonen. The Weeknd, der seine ersten Alben mit Anfang 20 als gesichtsloser Underground-R&B-Sänger veröffentlichte, bevor er 2016 mit „Starboy“ (einer Kollaboration mit Daft Punk) zum Superstar wurde, brach die Schule ab, kam früh in Kontakt mit Drogen, aber auch mit Depressionen, vergifteten Beziehungen und einem gewissen Faible für extreme Erotik. „There is so much drama in my life“, sagt er in „Out Of Time“, und auch wenn sich das Dunkel seiner Sünden und Lebenserfahrungen langsam aufhellt, so ist er nach wie vor kein Sonnyboy, sondern ein widersprüchlicher, nicht unkomplizierter Mensch.

Immerhin: Der auf dem „Dawn FM“ künstlich gealterte Abel Tesfaye sieht durchaus glücklich und zufrieden aus. Und was die Liebe angeht – selbst auf diesem Feld scheint es zu laufen. In „Here We Go…Again“ plaudert er über die Liaison mit einem Filmstar, und glaubt man den Gazetten, handelt es sich bei besagter Dame um Angelina Jolie. Weder Abel noch Angelina haben ihre Verpartnerung bislang bestätigt – sie aber auch nicht dementiert.