Köln. Die Band Wanda aus Wien spielte in Köln und 4000 Fans waren dabei. Zwei Stunden dauerte das Konzert – und es durfte sogar geschunkelt werden.
Um 22.07 Uhr singt sich Michael Marco Fitzthum ins Delirium. Laute gurgelnd und zerdehnend, sie zerkauend und wieder ausspuckend, Silben schluckweise im Stakkato, die Band spielt auf zur verzerrten Wahrnehmung im psychedelischen Unterwassermodus. Alles gaanz langsam, mit viel Hall. Dann Druck, der sich aufbaut, Gier, die sich Bahn bricht, lustzitternd, bis hin zum ultimativen Schrei: „Ich will Schnaps“. Im Palladium gibt es keinen. Hier müssen sich die Fans von Wanda mit Bier, Wein und Sekt begnügen.
Die Band aus Wien ist eine der letzten Bastionen von „Sex and Drugs und Rock’n’Roll“, die noch nicht eingeebnet sind. Texte, die von der Geilheit auf die eigene Cousine erzählen oder die Wonnen von Fellatio preisen, sind nicht jugendfrei, auf der Bühne (und in den Videos) sind Nikotin und Alkohol allgegenwärtig. In einer Welt, die mehr und mehr darauf achtet, dass alles ungefährlich, gesund und politisch korrekt ist, ist das nachgerade erfrischend.
Wanda vermischen rotzige Rock-Attitüde und eingängige Melodien
Charmant vermischen Wanda Wiener Schmäh mit Italo-Pop-Versatzstücken, rotziger Rock-Attitüde und eingängigen Melodien. Bis zum Schlager ist es von da aus nicht weit, bei „Meine Gang“ darf sogar geschunkelt werden. Aber ein Spritzer Morbidität, so wie in „Schickt mir die Post (schon ins Spital)“, der gehört unbedingt auch dazu. Für 4000 Fans in der ausverkauften Halle in Köln ist das der Himmel auf Erden.
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Dass man von den Texten aufgrund des grauenvollen Brei-Sounds kaum etwas versteht, tut dabei nichts zur Sache. Sie können sie ja eh’ alle auswendig. Nicht nur so berühmte Zeilen wie „Tante Ceccarelli hat in Bologna Amore gemacht, Amore, meine Stadt“.
Fast zwei Stunden lang dauert die berauschte Wanda-Party im Palladium mit Stücken von allen fünf Alben. Wobei beim letzten, schlicht mit dem Namen der Band betitelten, das Rad nicht eben neu erfunden wurde. „Wir sind verloren“ klingt passagenweise fast wie „Meine beiden Schwestern“.
Michael Marco Fitzthums Mutter sitzt in Köln im Publikum
Fitzthum schont sich bei all dem kein bisschen, schon nach einer halben Stunde ist der Rücken seiner braunen Lederjacke durchgeschwitzt. Dabei weiß der 36-Jährige genau, was er wert ist, und ist entsprechend selbstbewusst. Eine Ansage wie „Ich brauch’ zum Leben kein Applaus, ich bin reich. Aber gebt’s euch selbst einen Applaus!“ hätte auch von Falco stammen können.
Verglichen damit klingt „Ihr werdet’s mir das nicht glauben: aber ich liebe euch“, „Ihr seid fucking heiß“ oder „Meine Mama ist aus Leverkusen, die ist auch heute hier“ (sich dabei ans Herz schlagend) enttäuschend beliebig. Alles schon viel zu oft gehört.