Gelsenkirchen. Alter Mann, junge Frau - klassischer Komödienstoff. Aber an Gelsenkirchens Opernhaus glückt „Don Pasquale“ nicht. Vieles läuft schief!

Irgendwas ist faul, wenn das Publikum mehr über die deutschen Übertitel lacht als über das Bühnengeschehen. Mehrere allzu lang sich anfühlende Viertelstunden kam das vor, Samstag am Musiktheater im Revier. Dankbare Klamotte, doch vorwiegend hilf- bis ratlos inszeniert: Das war die Premiere von Donizettis „Don Pasquale“.

Der ruckelnde Kaltstart um 19.31 Uhr schien wie ein Omen. Ehe ein Cellosolo die Tragikomödie aussingt, beginnt Gaetano Donizettis Ouvertüre mit einem herrlich-hektischen Klang-Coup. Unter Giuliano Bettas Dirigat kam das Mini-Kunststück einem sinfonischen Auffahrunfall gleich. Immerhin: Die Neue Philharmonie Westfalen erholte sich rasch, später tupfte sie die musikalischen Späße des Meisters aus Bergamo gekonnt hin, das Schleichen und Pirschen, süffisante Intrige und Herzschmerz unverbrauchter wie abgelebter Existenzen durchmaß das Orchester gekonnt.

Gelsenkirchen: „Don Pasquale“ erlebte Samstag Premiere. Kein Glanzstück der Regie

Oben auf der Bühne dauerte es beträchtlich länger, bis das Stück auch nur den Hauch einer Fahrt aufnahm. Die zwei großen Bilder des ersten Aktes: zäh, bleiern, komplett ohne darstellerische Energie. Da wird mit verschränkten Armen gesungen oder stocksteif an der Hausbar sinniert. Von der Kunst der Komödie ist Regisseurin Zsófia Geréb hier meilenweit entfernt; die meisten ostwestfälischen Beerdigungen, die der Autor dieser Zeilen erleben durfte, atmeten entschieden mehr Vitalität.

Das muss man erst einmal hinbekommen: Ein Stück, in dem es vor Pointen wimmelt, auf derart schwach funzelnde Komik herunterzudimmen. Die dankbare Geschichte hat die Literatur vielfach variiert: alter Mann, junge Frau. Hier löst der mittellose Neffe des Titelhelden die Maschinerie einer zielführenden List aus: Ernesto liebt Norina, „zu wenig Geld“, richtet Don Pasquale. Da aber schiebt Ernestos Verbündeter Mala-testa dem Alten eben diese Norina als Tugendtäubchen unter. Den Hagestolz trifft Amors Pfeil mit Wucht, doch die Braut wird zur Teufelin. Am Ende: Reue – und vor allem erfüllte Liebe zwischen denen, die es von Anfang an verdient hatten.

Idee der Regisseurin Geréb geht nicht auf, müder Witz, lange Viertelstunden

Zunächst: Zsófia Gerébs im Vorfeld erklärte Idee, in ihrer Deutung Nachkriegsgeneration gegen Millenniumskinder antreten zu lassen, ist weder bombastisch sinnstiftend noch setzt sie sich überzeugend durch. Etwas Retro-Kino, eine Prise Handy-Gedöns zwischendurch, das bleibt unverfänglich lose Zutat für ein vorgebliches Erfolgsrezept.

Provinzielles Bühnenbild hilft den Darstellern nicht

Auch Ivan Ivanovs Bühne stellt dem Projekt eher Beinchen: So nach Provinztheater sah es lange nicht aus am Musiktheater. Norinas Stube: ein einfallsloser Ikea-Verschlag, Pasquale siedelt umgeben von Designer-Nippes in einer edelschiefen Architektur, an der (nicht nur der ruckelnden Türen wegen) gar nichts nach altem Geld aussieht. Was an Bettpfanne und Rollator witzig sein soll, müsste einem in einer doch so diffamierungssensiblen Zeit Frau Geréb erläutern.

Später, als die Emotionen eskalieren, gewinnt die Aufführung etwas an Sinnlichkeit, an Humor. Aber wer diese Menschen sind (vor allem die Gegenspieler Pasquales), erfahren wir kaum. Mag sein, dass Geréb nicht auf naturbegabte Sängerdarsteller bauen kann, aber eine Regie ist eben dazu da, ihnen diese Energie einzuhauchen. Norina (nahezu perfekt mit Witz und Wärme gesungen von Dongmin Lee) verkörpert die kecke Dreifaltigkeit von liebendem Teen, züchtigem Nönnchen und diabolischer Furie viel zu blass, obschon Vanessa Vadineanus Kostüm sie irgendwann gar als schrillpinkes Manga-Mädchen kleidet. Ihre jungen Verbündeten werden in unglücklich sitzende Jeans-Jacken gezwängt.

Sängerensemble und Chor überstehen eine verfehlte, handwerklich schwache Regie

Urban Malmberg, ein Bariton im Karriereherbst, erfühlt die Rolle des Pasquale zwischen ökonomischem Hochmut und triebgesteuerter Torheit recht gut. Khanyiso Gwenxane (Ernesto) ist kein klassischer Belcanto-Barde, was seiner guten Performance aber interessante Farben schenkt. Petro Ostapenko bringt für den Malatesta kerngesundes Bariton-Material mit, da nimmt man kleine Intonationstrübungen in Kauf. Der Opernchor (von Geréb total unsouverän geführt) rettet sich vorbildlich durch die koordinationsarme Regie.

Schade um den Abend, schade um das Stück. Freundlicher Beifall in Gelsenkirchen.